Mit dem Formel-1-Rennen im berühmten Königlichen Park von Monza steht am Wochenende der erste von in der der F1-Saison 2020 insgesamt drei Grands Prix in Italien auf dem Programm. Beim Heimrennen der Scuderia ruhen viele Augen auf Ferrari. Können sich die Roten zumindest etwas besser aus der Affäre ziehen als zuletzt in Spa?

Zudem im Fokus: Red Bull und Renault. Die einen haben den WM-Kampf gegen Mercedes noch längst nicht aufgegeben, die anderen sehen gute Gründe, in Monza die beiden Top-Teams ärgern zu wollen. Über allem schwebt jedoch eine große Frage: Wie wirkt sich das ab Monza greifende Verbot unterschiedliche Motorenmodi auf das Kräfteverhältnis aus? Plus: Erleben wir erneut eine Bummel-Farce im Qualifying wie 2019?

Die Brennpunkte zum Großen Preis von Italien.

Formel 1 - Monza-Brennpunkt 1: Ferrari vor Blamage daheim

Kein Team steht in der Formel 1 mehr im Fokus als Ferrari. Grundlegend nicht, erst recht nicht beim Heimrennen der Scuderia. Bitter für die Roten: Ausgerechnet in Monza stehen die Vorzeichen alles andere als gut. „Das wird auch schwierig. Es ist ein Kurs, auf dem Leistung wichtig ist - und da sind wir sicher nicht die Besten“, fürchtet Teamchef Mattia Binotto nach einem desaströsen Wochenende für Ferrari zuletzt schon in Spa.

Neben der Leistung wird aerodynamische Effizienz gefragt sein, auch hier schwächelt Ferrari 2020 gewaltig. Anders lässt sich nicht erklären, dass dem Werksteam in Spa sogar die eigenen Kunden teilweise den Schneid abkauften. Eine ähnliche Blamage auf heimischem Boden würde Italien nur noch mehr toben lassen als ohnehin schon. Muss Binotto nun doch um seinen Job bangen?

Der Italiener beugt jedenfalls vor, will von einer Krise nichts wissen - während die italienische Presse diesen Begriff bereits als nicht mehr ausreichend bezeichnet. Stattdessen spricht Binotto von einem Sturm, den Ferrari aktuell durchsegle - und frühestens 2022 in deutlich ruhigere Gewässer fahren könne.

Dennoch weiß der Teamchef um seine Verantwortung. "Das ganze Team ist verantwortlich, auch ich als Teamchef. [...] Bin ich der richtige Mann? Das liegt nicht an mir zu beantworten“, sagt Binotto. Zuletzt hatten die Ferrari-Obrigkeiten Binotto noch klar ihr Vertrauen ausgesprochen. Für Binotto bringt der derzeitige Ruf in Italien nach einem Umsturz - nicht nur der jüngsten Umstrukturierung der Performance-Sparte - eher wenig: „Es gibt keine Allheilmittel in der F1. Geduld und Stabilität spielen eine Rolle.“

Formel 1 - Monza-Brennpunkt 2: Red Bull wittert Chancen

Eine Siegchance entstand Red Bull zuletzt in Spa-Francorchamps zwar nicht, dennoch erwiesen sich die Bullen als Kraft, die Mercedes nicht vernachlässigen kann. Schon im Qualifying fiel der Rückstand plötzlich überraschend gering aus - und das auf einer Powerstrecke. Dafür blieb Max Verstappen im Rennen weitgehend zahnlos. Einzig in einem Moment sei der Niederländer durch einen möglichen Undercut zumindest für Valtteri Bottas kurz gefährlich gewesen, sagte am Sonntag selbst Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, sonst stets bemüht, die Konkurrenz starkzureden. Red Bull ließ die Gelegenheit verstreichen.

In Monza bietet sich nun die Chance zum Konter. Von Aussichtslosigkeit auf einer noch größeren Powerstrecke will das Lager der Bullen jedenfalls nichts wissen, erst recht nicht nach Spa. „Im letzten Jahr waren wir in Spa und in Monza entgegen aller Wahrscheinlichkeiten schnell. Die Erfahrung zeigt, dass wir entgegen der Erwartungen schnell sind. Wir haben aber auch einen neuen Frontflügel, der sich sehr positiv auswirkt“, sagt Motorsportberater Dr. Helmut Marko im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Generell befinde sich Red Bull mit dem RB20 nun auf einem guten Weg - die WM sei deshalb noch längst nicht entscheiden. „Nicht nur aus Max', sondern aus der ganzen Teamsicht ist sie weit offen“, sagt Marko. „Wir trauern immer noch unserem Ausfall in Österreich nach. Wir haben nicht einmal Halbzeit. Ich erinnere nur an 2012. Da waren wir zur Halbzeit über 60 Punkte hinter Alonso und Ferrari. Okay, Alonso und Ferrari sind nicht Hamilton und Mercedes. Aber irgendwann muss es aufhören, dass alles gelingt.“

Aktuell rangiert Verstappen im WM-Stand 47 Punkte hinter Lewis Hamilton, aber drei vor Bottas. Seit dem Ausfall beim Saisonstart schaffte es Verstappen durchgehend auf das Podium und damit insgesamt genauso oft wie die beiden Mercedes-Fahrer.

Formel 1 - Monza-Brennpunkt 3: Renault jetzt noch stärker?

Renault war in Spa-Francorchamps das Team der Stunde. Zunächst lieferten Daniel Ricciardo und Esteban Ocon ein starkes Qualifying, dann ließen sie im Rennen mit den Rängen vier und fünf samt schnellster Rennrunde die beste Punkteausbeute der Teamgeschichte folgen. Erneut bestätigte sich: Mit wenig Abtrieb funktioniert das Paket der Franzosen ausgezeichnet.

Eine Eigenschaft, die vor dem R.S.20 bereits den R.S.19 ausgezeichnet hatte - und für Monza sogar noch größere Hoffnungen weckt, präsentierte sich Renault beim Italien GP im Vorjahr in bestechender Form. Schon in Spa gingen Ricciardo gegen Rennende einzig die Runden aus - sonst wäre ein Angriff sogar auf Red Bull realistisch erschienen. Alles aus eigener Kraft.

Legt Renault wie 2019 in Monza also weitere Kohlen nach, muss sich selbst Red Bull Sorgen machen. „Auf Augenhöhe mit dem Red Bull zu sein, ist schön. Sehr, sehr schön. Das müssen wir natürlich deutlich konstanter hinbekommen“, sagt Esteban Ocon. Sprich, auch auf Layouts, die andere Qualitäten erfordern.

In Monza muss sich Renault darüber noch keine Gedanken machen. „Wir scheinen schnell zu sein, sobald wir etwas in Richtung wenig Abtrieb gehen. Das war in Silverstone der Fall und in Belgien waren wir wieder schnell. Schade, dass es in Spa nicht zwei Rennen gibt, aber jetzt kommt Monza - da sollten wir auch wieder schnell sein“, sagt Ocon.

Daniel Ricciardo sieht das mindestens genauso zuversichtlich. „Ich denke, dass man das ganz gewiss von uns erwarten kann - auf diesen Low-Downforce-Strecken. In Monza können wir erwarten, wieder konkurrenzfähig zu sein. Davon gehe zumindest ich sehr stark aus“, sagt der Australier.

Formel 1 - Monza-Brennpunkt 4: Partymode-Verbot mit Folgen?

Ursprünglich sollte es bereits in Spa soweit sein. Um den Ingenieuren ausreichend Zeit für nötige Anpassungen einzuräumen, gestand die FIA den Teams allerdings noch eine letzte Gnadenfrist zu. Die ist nun final vorbei. Ab Monza greift eine neue Technische Direktive, die den Teams unterschiedliche Einstellungen - ausgenommen ist ein Notfallmodus - ihrer Verbrennungsmotoren in Qualifying und Rennen untersagt.

Damit sind die Zeiten der berühmten „Partymodes“ im Qualifying vorbei. Hintergrund der Änderung ist die schwierige Kontrolle. Wegen der komplexen Systeme kann die FIA kaum feststellen, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Red Bull freut sich über die Änderung besonders. „Es waren ja einige Kompromisse im Raum und der Quali-Modus war bei Mercedes so extrem, dass das schon wettbewerbsverzerrend ist“, sagt Marko. Legal gewesen sei es aber.

Die alles entscheidende Frage nun: Wie viel wird Mercedes verlieren? Oder: Wird Mercedes überhaupt verlieren, am Ende vielleicht sogar im Rennen profitieren? Ändert sich etwas am Kräfteverhälntnis? Fragen, die nur das Wochenende in Monza auf der Strecke abschließend beantworten kann. „Man kann nicht sagen, was passiert, bis es passiert. Nach Monza haben wir ein klareres Bild“, sagt Ocon. Bei Renault sehe er ohnehin kein Problem, da die Stärke liege ohnehin im Rennmodus.

Von völligem Stillstand in Sachen Kräfteverhältnis geht allerdings niemand aus. Red Bull nicht - das zeigt allein die Freude über die Direktive. Marko: „Es war uns ganz wichtig, dass der Qualimode abgeschafft wird. Da haben wir auch den nötigen Druck hinter gesetzt.“ Teamchef Christian Horner bestätigt: „Es wird einen Effekt haben.“ Allerdings gibt sich der Brite auch vorsichtig. „Hoffentlich wird es so nicht schlimmer ...“

Ferrari klammert an die Änderung unterdessen seine vielleicht letzte Hoffnung, beim Heimrennen vielleicht doch nicht völlig unterzugehen. „Das könnte einige Teams betreffen“, sagt Teamchef Binotto. „Ich bin gespannt zu sehen, wie viel und welche Teams.“ Gerade Monza sei prädestiniert, um den Effekt zu sehen. „Es ist ein hochgradig leistungsabhängiger Kurs, vielleicht kann das die Balance der Konkurrenzfähigkeit im Auto ändern. In Monza wird die Technische Direktive die größten Auswirkungen haben.“

Formel 1 - Monza-Brennpunkt 5: Bummel-Gefahr im Qualifying

2019 gab die Formel 1 im Qualifying zum Italien GP ein schlechtes Bild ab. Auf der verzweifelten Suche nach dem perfekten Windschatten im alles entscheidenden Q3 bummelten die zehn Fahrer derart, dass am Ende nur zwei Piloten überhaupt rechtzeitig über die Linie kamen, um eine fliegende Runde zu starten. 2020 hat sich das Phänomen der langsamen Outlaps noch einmal verschärft. Schon vor Monza.

Selbst auf der 7,004 Kilometer langen Ardennenachterbahn von Spa wurden sich die nur zehn Autos im Q3 nicht einig, zuvor war es bereits im Training eng geworden - auch an den Rennwochenenden zuvor sorgte das Thema langsamer Outlaps immer wieder für Redebedarf unter den Fahrern. Auch aus Sicherheitsgründen. Extrem langsame Autos können eine Gefahr darstellen.

Deshalb und wegen der Rückkehr ins vorbelastete Monza hat die FIA das Thema formal auf die Agenda gesetzt und die Teammanager am Donnerstag zu einem Meeting geladen.