Lewis Hamilton und Mercedes sind Weltmeister. Also alles entschieden und kein Grund mehr, sich das Saisonfinale der Formel 1 2019 zu geben? Mitnichten. Nicht nur, weil erst zuletzt der Brasilien GP bewiesen hat, dass jedes Rennen für sich ein Kracher werden kann, sondern auch, weil es selbst in Abu Dhabi noch um einiges geht.

Welche Entscheidungen noch ausstehen.

1. Duell um WM-Rang 3 und Ferrari-Battle

Vor dem Brasilien GP war es noch ein Dreikampf, jetzt ringen nur noch Max Verstappen und Charles Leclerc um Platz drei der WM-Wertung und damit um das Ticket zur FIA-Gala Ende des Jahres. Elf Punkte führt der Niederländer (260) vor dem Monegassen (249).

Sebastian Vettel hätte in Sao Paulo aufholen müssen, das gelang durch den teaminternen Ferrari-Crash nicht. Immerhin das teaminterne WM-Duell kann der Deutsche noch für sich entscheiden. Dafür muss er allerdings gewinnen. Aktuell liegt er 19 Punkte hinter Leclerc. Auch Platz zwei mit schnellster Rennrunde wäre zu wenig, Leclerc siegte einmal mehr als Vettel (2:1).

2. Ungleicher Dreikampf um P6

Wer wird Best of the Rest? Diese Frage ist in Abu Dhabi ebenfalls noch völlig offen - und durch den Cockpitwechsel von Alex Albon und Pierre Gasly zur Mitte der Saison etwas verwässert. Nur deshalb verfügt Carlos Sainz überhaupt über die Chance, vor beiden Bullen zu bleiben - und das jetzt sogar nicht gerade mit den schlechtesten Karten.

Die Ausgangslage nach dem kuriosen Brasilien-Podium: 95 Punkte für Sainz und Gasly, 84 für Albon. Das ist aus Sicht des McLaren-Fahrers möglich. Albon verfügt zwar über das beste Paket, aber auch den größten Rückstand. Gasly im Toro Rosso hat McLaren unter normalen Umständen im Griff. "Es wird nicht leicht, aber wir haben uns gut vorbereitet und ich bin zuversichtlich, dass wir ein gutes Rennen erwischen können", sagt Sainz.

3. Mittelfeld-Meute kämpft um Top-10

Noch etwas weiter hinten tobt ein Mehrkampf darum, einen Platz unter der besseren Hälfte WM-Tabelle zu ergattern. Von Daniel Ricciardo auf WM-Rang neun (54 Punkte) bis Kimi Räikkönen auf P12 mit (43) sind es gerade einmal elf WM-Zähler. Dazwischen liegen Sergio Perez mit 46 und Lando Norris mit 45.

Formel 1 Q&A: Wird McLaren 2020 zur Gefahr für die Top-Teams? (24:35 Min.)

4. Verliert Renault auch noch P4?

Nicht nur in der Fahrerwertung, auch bei den Konstrukteuren tobt noch der eine oder andere Kampf. Der Best of the Rest ist hier entschieden. Mit 49 Punkten Vorsprung auf Renault liegt McLaren uneinholbar auf P4. Doch die Franzosen müssen sich tatsächlich sorgen, auch noch den fünften Rang zu verlieren. Nur acht Zähler liegt Toro Rosso zurück.

Das liegt zwar vor allem an den beiden wundersamen Podien Kvyats in Hockenheim und Gaslys in Brasilien, ist jetzt jedoch nahezu aus eigener Kraft aufzuholen. Für ein Werksteam wie Renault wäre das umso bitterer, für Toro Rosso das beste Abschneiden der Teamgeschichte. "Wir haben da etwas Druck, aber so haben wir auch etwas, um das wir kämpfen können. Das gefällt mir", sagt Daniel Ricciardo.

5. Racing Point vs. Alfa Romeo

Ebenfalls durch Brasilien wieder spannend geworden ist der Kampf um Platz sieben. Dank des besten Ergebnisses der gesamten Hybrid-Ära in Brasilien (22 Punkte für Räikkönen und Giovinazzi) liegt Alfa Romeo aka Sauber nur noch zehn Punkte hinter Racing Point. Also volle Attacke statt Abwehrschlacht gegen Haas. "Wir wissen, dass wir ein gutes Ergebnis schaffen können", sagt Kimi Räikkönen. Wie bei Renault gegen Toro Rosso geht es auch hier um Millionensummen für eine bessere Platzierung in der WM-Wertung.

"Brasilien ist für uns nicht gut gelaufen - obwohl wir Punkte gesammelt haben - und wir müssen an diesem Wochenende stark zurückkehren", fordert Sergio Perez auch deshalb. Teamchef Otmar Szafnauer gibt sich zuversichtlich - gerade wegen des Mexikaners: "Es ist eine Strecke, auf der wir in der Vergangenheit gut gefahren sind - insbesondere mit Checo, der dort in jedem Rennen mit dem Team Punkte gesammelt hat, seit er 2014 unterschrieben hat."

6. Bleibt Russell trotz Überlegenheit hinter Kubica?

20:0 führt George Russell im Qualifying-Duell gegen Robert Kubica. Eine derart weiße Weste kann sich im gesamten Fahrerlager sonst niemand anziehen. Kurios: Dennoch liegt der Rookie in der WM hinter dem Polen. Im Chaos von Hockenheim spülte es Kubica durch nachträgliche Strafen gegen Alfa Romeo tatsächlich bis auf Platz zehn. Ein WM-Punkt, der im völlig unterlegenen Williams sonst nie möglich war und ist - auch nicht für Rookie Russell. Dass der Brite Kubica in dessen letztem F1-Rennen noch abfängt, erscheint daher unwahrscheinlich.

7. Hält Hülkenbergs Un-Rekord?

176 Rennen ohne Podium fuhr Nico Hülkenberg bis dato in der Formel 1. Das ist absoluter Negativ-Rekord. Bereits 2017 überholte der Renault-Pilot beim Singapur GP den bisherigen Rekordhalter Adrian Sutil (128). Schafft es der Emmericher nun bei seinem 177. und (vorläufig) letzten Anlauf, den Rekord wieder loszuwerden? Zusammenkommen müsste in der Wüste dafür jedenfalls viel.

300 GP-Starts ohne Podium in einem Bild, Foto: Sutton
300 GP-Starts ohne Podium in einem Bild, Foto: Sutton

8. Bricht Hamilton seinen eigenen Punkterekord?

Lewis Hamilton startet in Abu Dhabi sein 250. Rennen in der Formel 1. Krönen könnte der Weltmeister sein Jubiläum mit einem neuen F1-Rekord. Gewinnt der Brite das Wüstenrennen, würde er sein 2019er Punktekonto auf 412 WM-Zähler aufstocken. Das wären mehr als je ein Fahrer zuvor erzielte. Aber: Erobern würde Hamilton den Rekord nicht - er hält ihn ohnehin schon selbst, mit 408 Punkten aus der Vorsaison.

9. Wer gewinnt den DHL Fastest Lap Award?

Hamilton könnte jedoch auch 413 Punkte schaffen - wenn er die schnellste Rennrunde fährt. Damit wäre er zudem gleich um den nächsten Titel reicher. Den DHL Fastest Lap Award 2019. Aktuell führt Hamilton in der FL-Wertung ohnehin schon, mit 5:4 vor Charles Leclerc. Der Ferrari-Pilot kann also maximal noch gleichziehen.

Wer bei Gleichstand gewinnt, ist jedoch nicht ganz klar. Beide? Sollte es nach dem gewohnten Entscheidungsprozess für Rennergebnisse und den WM-Stand gehen, also nach zweiten Plätzen, würde Hamilton auch vorne (4:3) liegen, stünde also eigentlich schon vor Abu Dhabi als Titelträger fest …

10. Formel 2: Vize- und Team-Champion gesucht

Nach langen Übersee-Reisen kehrt mit der Formel 1 in Abu Dhabi auch die Formel 2 zurück. Beim Schlussakkord im Unterhaus steht tatsächlich noch eine Titelentscheidung aus. In der Teamwertung führt DAMS (359) vor dem Saisonfinale zwar mit komfortablen 53 Punkten vor Uni-Virtuosi (306), doch in trockenen Tüchern ist das Championat damit noch nicht.

Etwas weniger brisant, aber noch immer um Top-Platzierungen geht es in der Fahrerwertung. Nyck der Vries steht längst als F2-Champion fest, doch dahinter rittern noch gleich vier Piloten um die Ränge. Aktuell führt Williams-Testpilot Nicholas Latifi mit 194 Punkten knapp vor Luca Ghiotto (184), Sergio Sette Camara (165) und Jack Aitken (159).

Für Mick Schumacher geht es allenfalls noch um die Top-10. Dafür muss der Prema-Pilot allerdings das beste Wochenende seiner Saison erwischen. Aktuell fehlen Schumacher (P12 mit 51 Punkten) ganz 25 auf den Zehnten, Louis Deletraz.