Ferrari schien sich am Freitag in Bahrain für den schwachen Auftritt vor zwei Wochen in Melbourne rehabilitiert zu haben. Sebastian Vettel und Charles Leclerc dominierten beide Trainingssitzungen zum zweiten Lauf der Formel-1-Saison 2019.

Mit sechs Zehntelsekunden Vorsprung im 2. Training und fast einer Sekunde Vorsprung am frühen Nachmittag schien die Sache klar: Ferrari ist so stark, wie sie nach dem Test jeder erwartet hatte. Oder doch nicht? Motorsport-Magazin.com analysiert den Freitag in Bahrain.

"Ferrari ist hier ganz klar auf den Geraden schnell, aber möglicherweise haben sie ihre Power Unit heute etwas härter herangenommen als wir", meint Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin. Es ist ein deutliches Indiz für das wahre Kräfteverhältnis, wenn so etwas von der Konkurrenz kommt.

Ferrari Teamchef Mattia Binotto macht auch gar keinen Hehl daraus: "Wir haben heute sicherlich andere Motormodi genutzt als die anderen." Die Analysen der Konkurrenz ergaben, dass Ferrari allein auf den Geraden deutlich über eine halbe Sekunde gewann.

An den Topspeedwerten ist das nicht abzulesen. Die sind allerdings für die Rundenzeit nicht besonders relevant, weil die Zeit nicht am Ende der Geraden, sondern am Anfang gewonnen wird. Beschleunigung schlägt Endgeschwindigkeit.

Bahrain GP 2019, Topspeeds 2. Training

POSFahrerTeamMotorKm/h
1AlbonToro RossoHonda328,9
2KvyatToro RossoHonda328,8
3RicciardoRenaultRenault325,4
4SainzMcLarenRenault324,6
5GaslyRed BullHonda322,6
6RäikkönenAlfaFerrari321
7HülkenbergRenaultRenault321
8PerezRacing PointMercedes320,6
9LeclercFerrariFerrari320
10RussellWilliamsMercedes319,5
11VerstappenRed BullHonda319,5
12GiovinazziAlfaFerrari319,2
13StrollRacing PointMercedes319,2
14NorrisMcLarenRenault318,4
15VettelFerrariFerrari318,1
16KubicaWilliamsMercedes315,9
17BottasMercedesMercedes315,5
18GrosjeanHaasFerrari315,3
19HamiltonMercedesMercedes314,3
20MagnussenHaasFerrari313,7

Während Leclerc beim Topspeed im Mittelfeld, Vettel gar nur im hinteren Mittelfeld landeten, sah die Welt an interessanteren Messstellen ganz anders aus: Auf der Ziellinie lagen die beiden Ferrari-Piloten auf Rang drei und vier, am Ende von Sektor eins sogar auf eins und zwei. Diese Messstellen geben einerseits Auskunft über die Traktion, andererseits über die Motorleistung.

Dass Ferrari ausgerechnet auf den Geraden so schnell war, überrascht nach dem ersten Wochenende. In Melbourne verlor Ferrari dort noch recht deutlich. Gerüchte über Kühlprobleme und einhergehender Drosselung der Motoren machten die Runde.

Motorsport-Magazin.com berichtete bereits, dass es daran nicht lag. Teamchef Mattia Binotto bestätigt nun die Informationen: "Ich habe viele Spekulationen über die Ursachen gelesen, keine war völlig richtig. Kühlprobleme gab es nicht. Insgesamt war es die Summe der Sachen, weshalb wir nicht schnell genug waren."

"Aber die Resultate heute sind irreführend, das Qualifying wird anders", meint Binotto. Angesichts der Tatsache, dass Ferrari offenbar schon einen anderen Powermodus nutzte, ist diese Einschätzung realistisch.

Zudem setzte Ferrari im Gegensatz zur Konkurrenz noch einen weiteren Satz der Soft-Reifen ein. Vettel und Leclerc verbesserten sich im zweiten Versuch. Der Satz fehlt Ferrari im dritten Training. Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen hat sich Ferrari aber für den Einsatz im 2. Training entschieden. "Das 2. Training hier ist ein Schlüsselmoment des Wochenendes", erklärt Binotto.

Während Mercedes noch einigermaßen den Anschluss halten konnte, musste Red Bull richtig abreißen lassen. "Wir haben mit dem roten Reifen Probleme", erklärte Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko. "Das Problem ist völlig neu. Der Grip war nicht da, die Temperaturen nicht optimal. Aber so weit, wie es sich in der Ergebnisliste darstellt, sind wir nicht weg."

Formel 1 2019: Brennpunkte vor dem Bahrain GP (08:02 Min.)

Verstappen hatte zudem auf seinem schnellsten Probleme aus der letzten Kurve heraus. "Dabei habe ich drei Zehntel verloren", meint der Niederländer. Doch ganz perfekt war auch Vettels schnellste Runde nicht.

Doch Marko hat trotzdem eine Kampfansage für die Konkurrenz bereit: "Auf den Medium-Reifen waren wir die Schnellsten. Und der Ferrari hatte einen irrsinnigen Reifenabbau. Konstant war nur Bottas. Bei uns hat es gepasst. Für das Rennen sind wir gut aufgestellt."

Vettels Longrun auf dem Soft-Reifen fiel einem Dreher zum Opfer. Bei Ferrari konnte nur Leclerc Longrun-Daten auf dem roten Pneu sammeln. Tatsächlich lagen die Longruns extrem eng zusammen. Hamilton war der Schnellste, fuhr allerdings weniger Runden.

Auf kaum einer Strecke leiden die Reifen so wie in Bahrain. Der aggressive Asphalt knabbert pro Runde etwa 0,2 Sekunden Performance der Soft-Reifen ab. Bei den Mediums sind es immerhin noch rund 0,1 Sekunden pro Runde.

Formel 1 Bahrain GP 2019, 2. Training: Longruns auf Soft

FahrerGefahren gegenReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
HamiltonAnfang1371:35,608
BottasAnfang22151:35,633
LeclercAnfang20111:35,766
VerstappenAnfang17101:35,878
GaslyAnfang1571:36,200

Hamilton und Bottas waren auf ihren Soft-Runs fast gleichschnell. Gut eine Zehntel dahinter reihte sich Leclerc ein. Noch einmal eine Zehntelsekunde dahinter Verstappen.

Auf den Medium-Pneus täuscht das Bild auf den ersten Blick. Leclerc fuhr nämlich nur zwei schnelle Runden. Deshalb ist seine Fabelzeit mit Vorsicht zu genießen. Auch Bottas fuhr einen verhältnismäßig kurzen Stint.

Formel 1 Bahrain GP 2019, 2. Training: Longruns auf Medium

Bei den Medium-Longruns, die ihren Namen auch verdient haben, legte Verstappen die Bestzeit hin. Hamilton und Vettel fuhren beide rund zweieinhalb Zehntelsekunden langsamer als der Red-Bull-Pilot.

FahrerGefahren gegenReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
LeclercEnde921:34,149
BottasEnde1451:34,995
VerstappenEnde17101:35,202
HamiltonEnde20111:35,454
VettelEnde18101:35,469
GaslyEnde1761:35,662

Auch im Longrun ist Red Bull auf den härteren Reifen deutlich konkurrenzfähiger als auf den weichen. "Der Medium-Reifen wird im Rennen der dominante sein", freut sich Verstappen. Doch das hängt stark von der Strategie ab: Bei kaum einem anderen Rennen bietet sich die Zweistopp-Strategie so an wie im kleinen Königreich.

Der Reifenverschließ ist extrem hoch, dazu ist Überholen verhältnismäßig einfach. 2019 gibt es auch noch eine dritte DRS-Zone. In der Theorie ist die Zweistopp-Strategie rund acht Sekunden schneller. Auf anderen Strecken wählen die Teams dann gerne trotzdem einen Stopp, weil die Gefahr zu groß ist, dass man im Verkehr stecken bleibt.

In Bahrain ist das etwas anders. Und sollten tatsächlich zwei Stopps gemacht werden, wird der Medium-Pneu möglicherweise wieder weniger relevant. Laut Pirelli führt die schnellste Strategie nämlich über zwei Stints auf Soft und einem auf Medium. Bei einer Einstopp-Strategie sieht es ganz anders aus.

Fazit: Das Ergebnis schmeichelt Ferrari. Die Scuderia hat ihre Motoren offenbar schon etwas stärker aufgedreht als die Konkurrenz. Nichtsdestotrotz lautet die gute Nachricht, dass Ferrari wieder bei der Musik ist. Red Bull ist auf eine Runde zu weit weg, könnte am im Rennen eine entscheidende Rolle spielen.