Es ist ein kleiner Matchball im Kampf um die Formel-1-Weltmeisterschaft 2018, den Sebastian Vettel bei seinem Heimrennen auf dem Hockenheimring hat. Der WM-Führende startet beim Deutschland GP von Platz eins während Titelkonkurrent Lewis Hamilton nur von Rang 14 aus ins Rennen geht.

Während Vettel mit einer souveränen Vorstellung auf Pole fuhr, konnte Hamilton im zweiten Qualifikationssegment gar nicht mehr ins Geschehen eingreifen, nachdem er seinen Boliden am Ende von Q1 abstellen musste. Der Technik-Defekt des Briten wurde anschließend kontrovers diskutiert. Doch Ursache und Wirkung mal beiseite: Wie weit nach vorne geht es für Hamilton noch? Und wer, wenn nicht er, soll Vettel auf dem Hockenheimring herausfordern? Der etwas andere Favoriten-Check vor dem Deutschland GP.

Vettel denkt in Hockenheim noch nicht an die WM

Vettel selbst verschwendet noch gar keine Gedanken an einen WM-Matchball. "Ich glaube nicht, dass es jetzt der richtige Moment ist, um an die Meisterschaft zu denken", sagte er direkt nach dem Qualifying.

Vettel fokussiert sich in Hockenheim ausschließlich auf sich und auf sein Rennen. "Was mit Lewis passiert ist, ist egal. Wir werden sehen, was morgen passiert, aber man schaut auf sich selbst und für mich war es eine gute Session", stellte er schnell klar.

Doch wer kann Vettel überhaupt gefährlich werden? Der schnellste Mann, zudem bekannt für seine guten Starts, geht von Position eins aus ins Rennen. "Und im Rennen sind wir normalerweise noch ein wenig schneller", muss selbst Vettel zugeben.

Ferrari vs. Mercedes: Auf welchem Auto überlebt der Reifen länger?

Trotzdem gibt es noch ein paar Stolpersteine. Die Strecke war am Samstag deutlich kühler als noch am Freitag. Am Sonntag werden wieder wärmere Bedingungen erwartet. Ist dann der Ferrari noch immer das beste Auto?

Im Normalfall hat Ferrari auch mit der Hitze keine übermäßigen Probleme. In Österreich, als am Sonntag die Temperaturen drastisch nach oben gingen, hatte Ferrari am wenigsten Probleme damit, die Reifen am Leben zu halten. Mercedes und Red Bull hatten auf dem Red Bull Ring mit Blistering zu kämpfen. Am Freitag war Blistering ein großes Thema in Hockenheim. Dass Pirelli die regulären und nicht die dünnen Reifen gebracht hat, schadet Ferrari jedenfalls nicht.

Valtteri Bottas, der von Position zwei aus ins Rennen geht, könnte damit schon mehr Probleme haben. Der Finne berichtete schon am Freitag von überhitzenden Reifen. Kommt Bottas außerdem am Start nicht vorbei, muss er in verwirbelter Luft fahren - für die sensiblen Reifen alles andere als gut. Dafür verliert Bottas einen Performance-Nachteil: Im Rennen profitiert Ferrari nicht so sehr vom Power-Vorteil des Motors wie im Qualifying.

Red Bull: Verstappens Rennpace in Hockenheim ein Fragezeichen

Max Verstappen geht nur noch als kleine Geheimfavorit ins Rennen. Zu groß war mit sechs Zehntelsekunden sein Rückstand auf die Pole. "Aber das kam alles vom Qualifikationsmodus", sagte Verstappen Motorsport-Magazin.com. Tatsächlich war der Red-Bull-Pilot am Freitag zumindest auf eine Runde noch der schnellste Mann. Der Longrun fiel aufgrund von Technik-Problemen aus.

Der Longrun von Teamkollege Daniel Ricciardo war vielversprechend. Der Australier startet aber aufgrund einer Strafversetzung vom letzten Platz. Sollte Verstappen die Longrun-Pace bestätigen können, muss er erst einmal an der Konkurrenz vorbei. Er startet hinter Kimi Räikkönen von Rang vier. Selbst wenn Verstappen schneller könnte, Überholen mit dem Red Bull ist kein Kinderspiel.

Formel 1 Hockenheim: Longruns auf Ultrasoft

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahren gegenDurchschntl. Zeit
Vettel157Anfang1:18,198
Bottas189Anfang1:18,474
Hamilton1910Anfang1:18,536
Räikkönen2112Anfang1:18,619

Formel 1 Hockenheim: Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahren gegenDurchschntl. Zeit
Ricciardo2113Ende1:18,058
Bottas2114Ende1:18,422
Räikkönen2010Ende1:18,474

Formel 1 Hockenheim: Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahren gegenDurchschntl. Zeit
Vettel2819Ende1:18,237
Hamilton2011Ende1:18,434
Ricciardo1513Anfang1:18,673

Ein Joker wurde Verstappen von Marcus Ericsson genommen. Der Niederländer wollte sich im Q2 als einziger Pilot eigentlich auf den Soft-Reifen qualifizieren. Allerdings musste er nach der Rot-Phase, die Ericsson ausgelöst hatte, auf Nummer Sicher gehen und ebenfalls auf Ultrasoft ran. Somit fällt ein taktisches Mittel weg. Strategisch wird sich wohl nicht viel tun, glaubt man Pirelli. Auch mit Ultrasoft am Start ist eine Einstopp-Strategie die schnellste Lösung.

Unter normalen Umständen ist nur schwer vorstellbar, wie Vettel den Deutschland GP noch verlieren kann. Starts, Performance, Longruns - alle Faktoren sprechen auf dem Papier für den Ferrari-Piloten. Doch was ist in dieser Formel-1-Saison schon normal?

Wo endet Hamiltons Aufholjagd?

Kann Vettel vorne das Rennen dominieren, kann er nur hoffen, dass Hamiltons Aufholjagd nicht so gut läuft wie vor zwei Wochen in Silverstone. Dort wurde er in Kurve eins von Räikkönen abgeschossen und kämpfte sich binnen weniger Runden wieder auf Position sechs zurück. Mit etwas Safety-Car-Glück wurde der amtierende Weltmeister sogar noch Zweiter.

Doch mit einer ähnlichen Aufholjagd rechnet Hamilton nicht. "Auf dem Hockenheimring ist Überholen schwierig", mahnt der Mercedes-Pilot überraschend. Red Bull zog Ricciardos Motoren-Strafe extra hier, weil Hockenheim zu den besseren Überhol-Strecken zählt. Hamilton erklärt: "Hockenheim ist eine der härtesten Strecken dafür. Es ist nicht so offen und breit wie Silverstone. Daniel ist immer eine sehr optimistische Person."

"Im Motodrom ist es außerdem schwierig, am Vordermann dran zu bleiben", fügt Hamilton an. "Aber vielleicht hilft die zusätzliche DRS-Zone." In diesem Jahr gibt es erstmals drei DRS-Zonen. Auf Start/Ziel, auf der Geraden nach Kurve eins und die lange Parabolica. Überholmöglichkeiten sollte es eigentlich genügend geben.

"In Silverstone konnte man auch länger pushen, weil wir dort bessere Reifen hatten, die keine Probleme mit Blistering hatten", wirft Hamilton noch ein. "Hier haben wir Reifen, auf denen jeder Blistering hat. Ich erwarte definitiv nicht, dort zu enden, wo ich in Silverstone herausgekommen bin."

Weil die Performance-Unterschiede zwischen den Top-Teams und dem Rest des Feldes so groß sind, sollte Hamilton trotz alledem auch in Hockenheim bis zu einem gewissen Grad leichtes Spiel haben. Und dieser Grad ist diesmal Platz fünf, weil mit Daniel Ricciardo ein Fahrer eines Top-Teams noch hinter ihm startet.

Unter normalen Umständen ist Hamilton recht schnell auf Rang fünf und fährt das Rennen dort zu Ende. Allerdings wird Mercedes den WM-Zweiten nicht wie die Spitze auf Ultrasoft losfahren lassen. Weil er nicht ins Q3 kam, hat Hamilton freie Reifenwahl. Durch die unterschiedliche Strategie wird es trotzdem nicht reichen, einen der Top-5 aus eigener Kraft zu überholen. Doch mit etwas Hilfe eines Safety-Cars könnte sich die unterschiedliche Strategie dann bezahlt machen.

Fazit: Wenn alles normal läuft, gewinnt Vettel zum ersten Mal in seiner Karriere auf dem Hockenheimring. Hamiltons Aufholjagd endet auf Rang fünf, außer das Safety-Car spielt ihm wieder in die Karten oder ein Fahrer der Top-Teams hat Probleme.