Was genau ist Sainz widerfahren?

Das dritte freie Training sollte noch etwa 20 Minuten dauern, als die Session mit roten Flaggen unterbrochen wurde. Carlos Sainz Jr. steckte mit seinem kompletten Auto in der Streckenbegrenzung in Kurve 13. Die TV-Bilder des verunfallten Toro-Rosso-Piloten ließen Schlimmes erahnen, noch dazu hatte das Team keinen Funkkontakt mehr zum jungen Spanier. Die Bergungskräfte und Ärzte waren unmittelbar nach dem Unfall an der Unglücksstelle und versuchten, Sainz zu bergen. Da dies einige Zeit in Anspruch nahm und auch die Streckenbegrenzung zerstört war, entschied die Rennleitung, die Session vorzeitig zu beenden.

Als Sainz geborgen war, folgte schnell die Erleichterung. Der Spanier reckte auf der Trage seinen Daumen nach oben und signalisierte, dass alles okay sei. Dennoch wurde er fixiert und ins Krankenhaus gebracht. Danach gab es auch die ersten TV-Bilder des Unfallhergangs. Aus diesen ging hervor, dass Sainz beim Anbremsen zu Kurve 13 das Heck verlor und links vorne in die Mauer einschlug. Dabei verlor er sein Rad und somit auch jegliche Bremswirkung. Ohne Verzögerung schlitterte er geradeaus in Richtung Streckenbegrenzung und rutschte unter die Barrieren bis zu den Leitplanken. Der Einschlag soll mit 140 km/h erfolgt sein.

Sainz' Bolide steckte unter der Streckenbegrenzung fest, Foto: Sutton
Sainz' Bolide steckte unter der Streckenbegrenzung fest, Foto: Sutton

Was waren die Ursachen für den Crash?

Die TV-Bilder zeigten, dass Sainz beim Anbremsen für Kurve 13 das Heck verlor, links in die Mauer einschlug und sich dann ungebremst in Richtung Barrieren zubewegte. Die Ursachen für den Unfall allerdings waren unklar. "Von den Telemetriedaten kann man sagen, dass er zuerst links vorne starkes Blockieren hatte und in der Folge die hinteren Räder blockierten. Aber was die Ursache war, können wir noch nicht sagen", sagte Red-Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Also ein Fahrfehler? "Könnte sein, ja", so Marko. In einem Statement des Teams hieß es am Abend, dass man in den letzten Zügen der Untersuchungen liege. Besonderheiten seien allerdings nicht erkennbar gewesen.

Warum dauerte die Bergung so lange?

Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis die Bergungskräfte Sainz aus seiner misslichen Lage befreit hatten. Das Problem war, dass der Spanier nicht nur gegen die Barrieren gerutscht war, sondern sich unter sie schob. Somit war das Auto begraben von den Streckenumrandungen, was dazu führte, dass diese erst weggetragen werden mussten, ehe man an Sainz herankam. Die gesamte Prozedur dauerte etwa 15 Minuten. Da der Funkkontakt mit dem Team abgebrochen war, konnte Sainz auch keine Entwarnung über das Teamradio geben, was die Sorgen zumindest etwas gemindert hätte.

Zur Bergung mussten die Teile der Barrieren erst einmal weggeräumt werden, Foto: Sutton
Zur Bergung mussten die Teile der Barrieren erst einmal weggeräumt werden, Foto: Sutton

Was kritisieren die anderen Fahrer?

Die Tatsache, dass Sainz nicht gegen die Barrieren prallte, sondern unter sie rutschte, sorgte bei einigen Fahrern für Verstimmung. Dabei handelte es sich nicht um normale Reifenstapel, sondern um High-Speed-Barrieren der Firma Tecpro. Diese wurden nach Michael Schumachers Unfall 1999 in Silverstone entwickelt, als sich der Rekord-Weltmeister das Bein gebrochen hatte. Seit einigen Jahren werden sie nun vermehrt eingesetzt. "Es war schockierend zu sehen, dass er so weit unter der Begrenzung feststeckte. Wenn man sich an den Unfall von Max [Verstappen] in Monaco erinnert, dann ist im Bezug zu der Streckenbegrenzung Carlos' Unfall total unterschiedlich - das muss man sich ansehen", polterte Sebastian Vettel, der auch die dadurch längere Bergungszeit monierte.

Auch Jenson Button schloss sich dieser Meinung an. "Man muss sich das definitiv ansehen, denn die Barrieren haben nicht das gemacht, was sie sollen, nämlich das Auto abbremsen, bevor es den harten Aufprall gibt." Er wollte jedoch nicht alles schlecht reden. "Tecpro arbeitet sehr gut. Wenn er seitlich eingeschlagen wäre, hätte es auch gut funktioniert. Aber mit der Nase voran, die doch sehr tief ist... Ich weiß nicht, was der Frontflügel da gemacht hat, möglicherweise hat er es angehoben", mutmaßt er.

Bis zu den Leitplanken rutschte der Bolide, Foto: Sutton
Bis zu den Leitplanken rutschte der Bolide, Foto: Sutton

Romain Grosjean ist vor allem glücklich, dass Sainz nichts passiert ist und die Sicherheitsmaßnahmen ihren Dienst verrichtet haben. "Es ist nicht ideal. Aber auf der anderen Seite, wenn du mit 300 km/h auf die Mauer zufährst und da ohne schwere Verletzungen rauskommst, ist das recht beeindruckend. Das bedeutet, dass die Technologie des Autos, die Crash-Tests, die Nase und die Tecpro-Barriere gut funktioniert haben. Natürlich wollen wir keine Unfälle sehen, aber es war ein großer Unfall und dabei ist nichts Ernstes passiert, daher ist es ok", so der Lotus-Pilot.

Wie geht es Sainz?

Direkt nach der Bergung wurde Sainz in ein örtliches Krankenhaus gebracht, wo sofort ein Scan seines Körpers gemacht wurde. Dabei wurden keinerlei Brüche oder andere Verletzungen festgestellt. Auch das Bewusstsein hatte er nach seinem Unfall nie verloren. Sainz selbst meldete sich umgehend bei Twitter und äußerte seine Hoffnung, beim Rennen dabei sein zu können. Hieß es zunächst, der 20-Jährige müsse zur Beobachtung über Nacht im Krankenhaus bleiben, meldete sich Sainz am Abend via soziale Medien und verkündete glücklich, das Krankenhaus verlassen zu haben. Dabei dankte er auch dem medizinischen Personal sowie den Marshalls an der Strecke.

Kann Sainz am Rennen teilnehmen?

Möglich. Am Sonntagmorgen entscheiden die FIA-Ärzte nach einem umfassenden Medizincheck, ob er die Freigabe für das Rennen erhält. Zudem musste die Rennleitung noch ihre Zustimmung geben, denn Sainz hat nicht am Qualifying teilgenommen, so dass er logischerweise auch die 107%-Regel nicht erfüllt hatte. Da er aber zuvor die Trainingssessions absolvierte, könnte er das Rennen in Angriff nehmen. Die Rennleitung hat ihrerseits inzwischen ihre Zustimmung gegeben. Ein Renneinsatz hängt somit nunmehr allein an den Ärzten.