"Der F2005 ist das beste Auto, das wir bislang produziert haben."

Jedes Jahr beglücken Ross Brawn und Rory Byrne die versammelte Journalistenschar bei der Ferrari-Präsentation in Maranello mit ähnlichen Worten, bei denen nur die Jahreszahl im Namen des Boliden variabel ist. Doch noch nie, seit die Scuderia Ferrari im Jahre 2000 ihre absolute rote Dominanz mit sechs Konstrukteurs- und fünf Fahrertiteln in Folge begann, haben die Italiener den "besten Ferrari-Boliden aller Zeiten" so dringend gebraucht wie in dieser Saison.

Denn nach nur zwei Saisonrennen gilt ihr aktueller F2004 M, welcher eine Weiterentwicklung des alles beherrschenden Vorjahresweltmeisterautos darstellt, nur noch als Mittelmaß. Die Konkurrenz hat aufgeholt, die Regeln haben die Roten eingebremst und die Reifen brachten sie beim zweiten Saisonrennen in Malaysia drastisch ins Hintertreffen.

Entsprechend viel beachtet waren die letzten drei Testtage der Scuderia vor der großen Entscheidung, ob die so genannte neue 'rote Göttin' schon zwei Rennen vor ihrer Zeit (dem geplanten Debüt beim Spanien GP Anfang Mai) in die Wüste geschickt wird, um dort in wenigen Tagen den Großen Preis von Bahrain zu bestreiten.

Nach den bisherigen Testfahrten in Mugello, Fiorano, Vairano und Jerez - wo der F2005 das bislang erste und einzige Mal auf die Vorjahreswagen der Konkurrenz traf - kamen nach dem Malaysia-Debakel endlich auch die beiden Stammpiloten in den Genuss ihres neuen Arbeitsgerätes, welches bisher nur die Testfahrer Luca Badoer und Andrea Bertolini (bei den Aerodynamiktests in Vairano) chauffiert hatten.

Besser als der F2004 M

Jener Paradetester der Roten, Luca Badoer, hatte den neuen Ferrari als Erster als "wundervolle Maschine" bezeichnet und "besser als den F2004 M" eingestuft.

Eine Meinung, welche Rubens Barrichello nach seinen 95 Runden im F2005 bestätigte: "Der erste Eindruck ist immer jener der zählt und dieser stimmt mich beim F2005 sehr zuversichtlich. Er ist sicher schneller als der F2004 M und stellt in allen Bereichen einen großen Schritt nach vorne dar. Das Fahrverhalten auf schnellen Pistenabschnitten und beim Bremsen ist sehr ausgewogen."

Dennoch blieb der Brasilianer auf seiner letzten Runde mit einem ungeklärten mysteriösen Motorenproblem stehen und insgesamt hinter der Zeit von Badoer vom Vortag zurück. "Ich fühlte, dass etwas nicht in Ordnung war und plötzlich ging der Motor aus."

Am Abschlusstag der Ferrari-Testarbeiten vor der Abreise nach Bahrain und der Entscheidung über das Mitbringsel F2005 oder F2004 M blieb Michael Schumacher ein solches Schicksal erspart. Auf seinen 81 Umläufen in der Toskana erzielte der Deutsche in 1:21.233 Minuten sogar die schnellste Zeit der Testwoche (also vor Badoer und Barrichello), blieb damit allerdings hinter der F2005-Bestmarke von Luca Badoer aus der Vorwoche zurück.

"Es ist doch immer ein ganz besonderer Moment, in ein neues Auto einzusteigen. Und ich denk´ mal, momentan ist er sogar noch ein bisschen interessanter, nachdem wir in Malaysia doch eine ziemliche Watschn bekommen haben", erklärte der siebenfache Champion nach seiner ersten Fahrt mit dem neuen Wagen. "Aber nicht nur deshalb war es schön, heute endlich mit dem F2005 fahren zu können und das Auto zu spüren. Natürlich hatten mir Luca und Rubens einiges erzählt, aber ich wollte doch endlich eigene Eindrücke haben – und sie sind sehr positiv."

"Das Wichtigste ist, dass man rausfährt und das Gefühl hat, das Auto ist gut und schnell. Und beides hat mir das Auto sofort vermittelt. Ich war mit dem F2004M nicht hier in Mugello, daher kann ich keinen direkten Vergleich ziehen, aber ich bin sehr zufrieden."

Nichts überstürzen

Ob die Zufriedenheit des Champions ausreicht um den Neuen mit nach Bahrain zu nehmen bleibt abzuwarten. Schließlich warnte Luca Badoer nicht umsonst bereits nach dem Testdebüt des Autos: "Natürlich möchten wir es so schnell wie möglich fahren, aber es einzusetzen und dann auszufallen wäre auch nicht gut."

Entsprechend betont Rubens Barrichello, dass ein weiteres Rennen mit dem F2004 M kein Weltuntergang wäre. "Wir tun alles dafür den F2005 startklar zu bekommen. Sollte es aber nicht klappen, wäre das kein Drama."

Die Probleme des ersten Ferrari seit vielen Jahren, der nicht von Michael Schumacher eingefahren wurde, liegen - wie das Motorenproblem von Barrichello zeigte - im Inneren und vor allem bei der Zuverlässigkeit. Eine Tatsache, die auch Technikchef Ross Brawn bewusst ist.

"Normalerweise hat man ein oder zwei Monate um solche Probleme auszusortieren, weswegen wir hoffen müssen, dass alles glatt geht", erklärte der Technikdirektor bereits am letzten Wochenende. Die Problemfelder betreffen aber nicht nur den neuen Motor, der bekanntlich zwei Wochenenden halten muss. "Die Kühlung am Wagen ist noch nicht ausreichend", räumte Brawn weiter ein. "Es liegt nicht an den Kühleinlässen, aber an anderen Komponenten - die Elektronikkontrollbox überhitzt derzeit noch und wir haben eine neue Kupplung."

Das japanische Gold

Eines der großen Defizite des F2004 M soll der neue Wagen allerdings grundlegend beseitigen: Den höheren Reifenverschleiß. So kündigte Brawn bereits im Rahmen der Präsentation Ende Februar an: "Das Auto ist steifer, leichter, stabiler und, was aufgrund der neuen Reifenregeln am wichtigsten ist, es sollte weniger hart mit den Pneus umgehen."

Trotzdem weigerte man sich bei Ferrari nach der vernichtenden Niederlage von Sepang den Reifen die Schuld in die Gummis zu schieben. "Es gibt viele Gründe", gab Teamchef Jean Todt zu Protokoll. "Etwa die Aerodynamik, nicht genügend Grip, das Auto und fehlende Traktion. All das spielt zusammen und macht den riesigen Unterschied aus."

Bridgestone-Technikchef Hirohide Hamashima duldete diese "Wir gewinnen und verlieren gemeinsam"-Ausrede allerdings nicht: "Selbst da das gesamte Paket wichtig ist, liegen die Gründe für solch ein negatives Ergebnis in diesem Rennen zweifelsohne an unseren Reifen", gab Hamashima offen zu. "Die Performance über eine schnelle Runde war absolut nicht zufrieden stellend", räumte der Japaner ein. "Und die Tatsache, dass Alonso und Trulli einige Sekunden schneller als wir fuhren liegt sicherlich nicht an den unterschiedlichen Spritmengen."

Für den F2005 habe man bei den Tests in Mugello jedoch schon neue Reifenmischungen ausfindig gemacht, welche die japanisch-italienische Seilschaft nicht nur "schnell wieder konkurrenzfähig" machen soll, sondern die auch schon "rechtzeitig" bis Bahrain in "ausreichender Anzahl" produziert werden könnten.

Alles was dazu fehlt ist das 'Go' aus Maranello - und zwar sowohl für die Reifen als auch den F2005. "Es sieht so aus, als ob Bahrain etwas besser für die Reifen ist", prophezeit Brawn, "und auch die Temperaturen niedriger sind, was einer der Gründe dafür ist, dass wir das neue Auto nehmen möchten."

Nur her mit dem F2005

Ganz heiß darauf ist Renault-Teamboss Flavio Briatore - allerdings nicht unbedingt, weil er sich mehr Konkurrenz an der Spitze wünscht. "Ich hoffe, Ferrari bringt das neue Auto so bald wie möglich! Wenn man in diesem Job irrational zu handeln beginnt, bedeutet das, dass man Probleme hat. Wenn Ferrari den Neuen nun anstatt in Spanien bereits in Bahrain bringt, ist das gut für uns - weil das bedeutet, dass man in Eile und fehleranfällig ist."

Die Spekulationen, dass der neue Ferrari rund ein bis zwei Sekunden schneller als der alte sein soll, bereiten Briatore kein Kopfzerbrechen. "Fantastisch! Ich denke, wenn wir in Bahrain ankommen, ist die Entwicklungsstufe unseres Autos ebenfalls um eine Sekunde schneller."

Als Fehler betrachtet Ross Brawn das verspätete Debüt dennoch nicht. "Es gab einige technische Schritte, welche wir mit dem neuen Auto machen wollten, die wir ohne die zusätzliche Zeit einfach nicht geschafft hätten", betont er. "Als die neuen Regeln bekannt wurden, war unser Getriebe- und Motorenpaket nicht sehr gut darauf abgestimmt, da bei einer Beschneidung des Diffusors dessen zentraler Part sehr wichtig wird."

Entsprechend mussten die Roten die Innenseite des Diffusors ausbauen und dann den Motor und das Getriebe auf eine "extremere" Art und Weise bauen. "Wir entschieden, dass wir nicht das richtige Paket dafür hatten, weshalb wir mit einem neuen Getriebe beginnen mussten. Ob dies die richtige Entscheidung war, können wir erst am Ende des Jahres beantworten."

Und obwohl man die aktuelle Situation nicht gutheißen kann, findet Todt immerhin einen positiven Faktor daran: "Es weckt uns auf und das ist gut." Vielleicht genauso gut, wie "das beste Auto, das wir bislang produziert haben".