Während in der Formel 1 nach Lewis Hamiltons siebtem WM-Titel aktuell die Frage nach dem besten Fahrer der Geschichte diskutiert wird, beschäftigt sich die DTM-Welt mit der L-Frage. Genauer gesagt: Zählt Rene Rast nach dem Gewinn seiner dritten Meisterschaft schon jetzt zum Kreis der Legenden, wie Bernd Schneider und Klaus Ludwig immer wieder bezeichnet werden?

"Ich bin kein Legende, vielleicht bin ich dafür auch noch zu jung", beantwortete der 34-jährige Rast die Frage aus seiner Sicht. Während Legendenbildung immer auch eine Auslegungssache ist, braucht sich Rast in den Statistiken sicherlich nicht vor den Größten des deutschen Motorsports zu verstecken.

Mit dem dritten DTM-Titel zog in der ewigen Rangliste mit Ludwig gleich, der ebenfalls drei Mal die Tourenwagenserie für sich entscheiden konnte. Ludwig holte 1988, 1992 und 1994 den Titel - im Gegensatz zu Rast mit unterschiedlichen Marken. 1988 setzte sich der heute 71-Jährige mit einem Ford Sierra Cosworth durch, bevor er zu Mercedes wechselte und zwei weitere Male erfolgreich war.

In der ewigen Statistik bleibt Schneider der unangefochtene Mr. DTM mit fünf Meisterschaften in den Jahren 1995, 2000, 2001, 2003 und 2006. Kein anderer Name ist derart eng verknüpft mit Mercedes, Schneider holte alle Titel für die Marke mit dem Stern - als einziger Fahrer sowohl in der Alten als auch in der Neuen DTM ab 2000.

Klaus Ludwig: Ältester DTM-Sieger

Der heute 56-jährige Schneider bildet in weiteren Kategorien der über 30-jährigen DTM-Geschichte die Spitze. Zwischen 1992 (Berlin) und 2008 (Nürburgring) gewann er 43 Rennen und damit die meisten aller Fahrer.

Ludwig war zwischen 1985 (Zolder) und 2000 (Sachsenring) 37 Mal erfolgreich. Mit dem abschließenden Doppelsieg auf dem Sachsenring trug er sich nicht nur als ältester Sieger (50 Jahre), sondern auch als Fahrer mit den meisten Punkten (1760,5 / Schneider: 1615,5) in die Geschichtsbücher ein.

Während Schneider und Ludwig die DTM über Jahrzehnte prägten, hatte Rast nur vier volle Jahre Zeit, nachdem er erst Mitte 2016 sein Debüt in der Serie gegeben hatte. 24 Siege in 76 Rennen sind eine historisch unerreichte Quote, mit der Rast zudem Mattias Ekström als erfolgreichsten Audi-Fahrer der Geschichte ablöste.

Schneider, Ludwig Rast im Statistik-Vergleich

StatistikSchneiderLudwig Rast
Rennen23622076
Siege433724
Podestplätze1048040
Pole Positions291720
Punkte1615,51760,51113
Meisterschaften5 3 3

Schneider: 104 Podestplätze in 236 DTM-Rennen

Schneider und Ludwig reichen nicht ansatzweise an diesen Sieg-Durchschnitt heran, waren allerdings auch mit viel unterschiedlicheren Bedingungen konfrontiert. Dabei zeichnete sie stets eine überragende Konstanz aus, selbst, wenn Autos anderer Marken einmal die Oberhand hatten. Schneider erzielte in 236 DTM-Rennen 104 Podestplätze und damit die meisten aller Fahrer. Ludwig ordnet sich mit 80 Podiumserfolgen bei 220 Rennen auf dem zweiten Platz ein.

Rast belegt in der Podium-Statistik den achten Gesamtplatz mit 40 Top-3-Resultaten - in mehr als jedem zweiten Rennen schaffte er es aufs Treppchen. Während er mit dem überragenden Turbo-Audi in den Jahren 2019 und 2020 nur Markenkollegen als Gegner hatte, musste sich Rast 2017 (ohne Teamkollegen-Hilfe) und 2018 (mit Teamkollegen-Hilfe) auch gegen starke Mercedes und BMW zur Wehr setzen.

Reichen diese Leistungen aus, um ebenfalls als Legende anerkannt zu werden? "In der DTM-Geschichte ist er einer der Besten, wohl hinter Bernd", sagte Audi-Veteran Mike Rockenfeller, 2013 selbst Champion. "Wenn man Klaus als eine Legende bezeichnet, dann ist Rene das wohl auch. Es hängt immer davon ab, zu welcher Zeit du da bist. Für mich ist Rene beeindruckend, das ganze Paket, und dafür muss man ihm Respekt zollen."

Blick über den DTM-Tellerrand

Aus deutscher Sicht spielt die 1984 gegründete DTM als Gradmesser für Erfolg eine historisch wichtige Rolle. Fahrer wie Schneider und Ludwig ragten jedoch auch in anderen Kategorien hervor, Parallel-Starts bei den wichtigsten Langstreckenrennen der Welt gehörten vor allem damals zum Standard.

So gewann 'König' Ludwig je drei Mal die 24 Stunden auf dem Nürburgring (1982 und 1987 mit Ford, 1999 mit Zakspeed-Viper) sowie das 24h-Rennen Le Mans (1979 mit Kremer-Porsche, 1984 und 1985 mit Joest-Porsche). Die FIA-GT-Weltmeisterschaft 1998, die beiden DRM-Titel 1979 und 1981 sowie der Sebring-Gesamtsieg 1988 mit Strietzel Stuck sind weitere herausragende Leistungen in Ludwigs langer Karriere.

Klaus Ludwig 1985 im Joest-Porsche bei den 24 Stunden von Le Mans, Foto: LAT Images
Klaus Ludwig 1985 im Joest-Porsche bei den 24 Stunden von Le Mans, Foto: LAT Images

Bernd Schneider: Der 24-Stunden-Mann

Schneider hingegen konzentrierte sich während seiner DTM-Jahre mit Mercedes vorrangig auf die Tourenwagenserie. Seine Formel-1-Zeit mit den unterlegenen Teams Zakspeed (1988, 1989) sowie 1999 mit Arrows war von wenig Erfolg geprägt. Nur neun Mal gelang ihm die Qualifikation für einen Grand Prix. Dass Schneider nicht nur den DTM-Boliden glänzen konnte, bewies er direkt im Anschluss an das DTM/ITC-Ende mit dem Gewinn der FIA GT-Meisterschaft 1997, natürlich im Mercedes.

Nach all seinen Erfolgen, beginnend mit dem Gewinn der Deutschen Formel 3 im Jahr 1987, erlebte Schneider 2013 eine weitere Hochzeit - mit einer fast schon unglaublichen Serie. In diesem Jahr gewann er die 12 Stunden von Bathurst, das 12h-Rennen in Abu Dhabi, die 24 Stunden von Dubai, das 24h-Rennen Nürburgring sowie die 24 Stunden von Spa-Francorchamps (zum zweiten Mal nach 1989 mit Ford)! 2016 folgte ein weiterer Gesamtsieg mit dem Mercedes-Team Black Falcon beim Eifel-Klassiker.

Bernd Schneider 2013 mit Michael Schumacher auf dem Nürburgring, Foto: Mercedes-Benz
Bernd Schneider 2013 mit Michael Schumacher auf dem Nürburgring, Foto: Mercedes-Benz

Rene Rast: Der Porsche-Revolutionär

Und Rast, der knapp 20 Jahre Automobilsport auf dem Buckel hat? Mit den Erfolgen auf seinem oftmals steinigen Weg bis an die Spitze braucht sich der gebürtige Mindener ebenfalls nicht zu verstecken. Zwischen 2008 und 2012 gewann er fünf Meisterschaften im Porsche Carrera Cup sowie dem Porsche Supercup und revolutionierte nebenbei die Bremsvorgänge, indem er die Gänge einfach ohne gedrückte Kupplung herunterschaltete.

"Wir sind schon in den Porsche-Cups gegeneinander angetreten und seitdem weiß ich, wie gut er ist", zollt heute BMW-Werksfahrer Philipp Eng seinen Respekt. "Er arbeitet extrem hart für den Erfolg. Für mich ist es keine Überraschung, dass er da oben ist."

Neben den Markenpokalen blickt Rast auf weitere Erfolge zurück, alle mit Marken aus dem VW-Konzern. So holte er 2012 bei seinem ersten Auftritt bei den 24 Stunden von Daytona den GT-Klassensieg mit einem Porsche 911 GT3 Cup. Nur ein Gesamtsieg fehlt nach bisher acht Starts, zuletzt mit Prototypen des Mazda Team Joest.

Rene Rast 2011 mit Nicki Thiim und dem 2013 verstorbenen Sean Edwards, Foto: Porsche
Rene Rast 2011 mit Nicki Thiim und dem 2013 verstorbenen Sean Edwards, Foto: Porsche

Audi-Tausendsassa Rene Rast

Stattdessen konnte sich Rast mehrfach in die Siegerlisten anderer wichtiger 24-Stunden-Rennen eintragen: zwei Mal in Spa sowie auf dem Nürburgring. Dabei sticht das Jahr 2014 heraus, als er mit drei unterschiedlichen Audi-Einsatzteams die 24h-Rennen am Nürburgring (Phoenix) in Spa (WRT) und auch noch das ADAC GT Masters (Abt) gewann; gleichzeitig seine Fahrkarte für den Start bei den 24 Stunden von Le Mans 2015 als Audi-Werksfahrer, der allerdings eine einmalige Angelegenheit blieb.

Trotz all dieser Erfolge hätte es Rast unter anderen Umständen nicht in die DTM geschafft. Unter dem früheren Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich hatte er nämlich keine Chance auf ein Cockpit. Nur die Tatsache, dass der ehemalige VW- und Audi-Entwicklungschef Dr. Ulrich Hackenberg von Rasts Können überzeugt war, sorgte dafür, dass er letztendlich doch noch für Audi in der DTM auf Punktejagd gehen konnte - und heute darüber diskutiert werden darf, ob er schon jetzt zu den Legenden im Motorsport zählt.