Die mit Spannung erwartete WEC-Saison 2024 hat mit dem 10-Stunden-Rennen in Katar ihren Anfang genommen. Motorsport-Magazin.com kürt die Gewinner und Verlierer unter den neun Hypercar-Herstellern und Teams in der Langstrecken-Weltmeisterschaft.

Gewinner #1: PORSCHE

Dass Porsche beim Kampf um den Sieg ein gehöriges Wörtchen mitreden würde, hatte sich nach den starken Vorstellungen bei den Testfahrten zu Beginn der Woche, den Trainings sowie der Pole Position durch Daytona- und Bathurst-Sieger Matt Campbell im #5 Penske-Porsche angekündigt. An einen Dreifach-Triumph war im Reigen der 19 Hypercars von neun Herstellern - darunter der in der vorletzten Runde ausgefallene #93 Peugeot - aber keinesfalls zu denken!

WEC Katar 2024: Highlights und Zusammenfassung vom Rennen (15:41 Min.)

"Heute haben wir einen weiteren Meilenstein mit unserem Team Porsche Penske Motorsport erreicht", freute sich 'Captain' Roger Penske, der mit seinen 87 Jahren in Katar am Kommandostand saß. Die von P5 gestartete #6-Crew um Kevin Estre, Andre Lotterer und Laurens Vanthoor führte das Rennen ab der zweiten Rennstunde (Runde 54 von 335) durchgängig an und musste nur am Ende zittern, als eine Kollision mit einem GT3-Lexus einen 20-sekündigen Reparatur-Stopp nach sich zog.

Vier der fünf Porsche 963 vom Werksteam und den Kundenteams Jota sowie Proton Competition erreichten die Top-10 und liefen wie ein Uhrwerk. Während sich die Hypercars von Ferrari und Toyota schwertaten, waren die Porsche sowohl bei Tage als auch unter Flutlicht unantastbar.

Nur die drei Porsche beendeten das Rennen im Abstand von 34 Sekunden in der Führungsrunde, wobei Campbell - der Mann der Stunde im Langstreckensport - in 1:39.154 Minuten die mit Abstand schnellste Rennrunde drehte. Dass Porsche mit seinem Kundenteam Manthey (#91 Malykhin, Sturm, Bachler) auch noch den Sieg in der neuen LMGT3-Klasse feierte, machte den Triumph im Wüstenstaat perfekt.

Gewinner #2: JOTA-PORSCHE

Bei den Porsche-Festspielen in Katar muss man das Kundenteam Jota unter der Leitung des früheren Audi-Motorsportchefs Dieter Gass hervorheben. Der #12-Crew um Ex-Formel-1-Fahrer Will Stevens, Callum Ilott und Norman Nato gelang es tatsächlich, den #5 Werks-Porsche (Campbell, Christensen, Makowiecki) nach 9:55 Stunden Renndauer mit 1,099 Sekunden Abstand erfolgreich hinter sich zu halten!

Dass die Kundenteams den Penske-Werksautos nicht Platz machen müssen, sondern frei um Positionen kämpfen können, zeigten die #12 wie auch das Schwesterauto mit der Startnummer #38 (Rasmussen, Hanson, Button) mehrfach. Vor allem der frühere F1-Weltmeister und Prototypen-Novize Jenson Button lieferte sich einen packenden Zweikampf mit Werkspilot Matt Campbell, Kontakt inklusive, bevor er sich nach mehreren Runden geschlagen geben musste. Button, dessen Team 30 Minuten vor Schluss ausfiel: "Er war wohl nicht so happy mit mir."

Jota-Porsche bei den WEC-Testfahrten in Doha, Katar
Der goldene Porsche 963 des Kundenteams Jota, Foto: LAT Images

Gewinner #3: ANDRE LOTTERER

Wenn ein Autobauer einen Dreifach-Sieg erringt, ist es einfach, die Gewinner-Liste mit ihm vollzupflastern. Neben den starken Leistungen von Kevin Estre und Laurens Vanthoor, verdient deren Teamkollege Andre Lotterer eine besondere Erwähnung. Der 42-Jährige feierte in Katar seinen ersten Sieg mit Porsche!

Nachdem der Wahl-Monegasse mit Audi 2011, 2012 und 2014 die 24 Stunden von Le Mans gewonnen hatte, wechselte er nach dem LMP1-Ausstieg der Ingolstädter Ende 2016 zu Porsche. Mit den Zuffenhausenern konnte Lotterer allerdings nur eine Saison im Porsche 919 bestreiten, bevor das Projekt ebenfalls zugunsten der Formel E eingestellt wurde.

Der hochdekorierte und stets loyale Lotterer blieb Porsche dennoch treu und übernahm die Entwicklungsarbeit beim Formel-E-Debüt. Mit Porsche erzielte Lotterer in der Elektro-WM vier zweite Plätze, ein verdienter Sieg blieb ihm jedoch verwehrt. Fun Fact: Bei allen vier Dreifach-Siegen eines Herstellers (Audi 2012 in Spa und Le Mans sowie 2013 erneut in Spa) in der Geschichte der WEC seit 2012 saß Lotterer hinter dem Steuer!

Gewinner #4: PEUGEOT

Keine Punkte, trotzdem ein Gewinner? Peugeot einen Platz an dieser Stelle zu verweigern, wäre wohl ähnlich 'unfair' wie das Drama um den #93 9X8 (Jensen, Nico Müller, Vergne) in der 334. von 335 Rennrunden. Weil Schlussfahrer Jean-Eric Vergne nach einem technischen Problem beim letzten Tankstopp vorzeitig der Sprit ausging, verpasste Peugeot den zweiten Platz und damit das beste Ergebnis des Mitte 2022 begonnenen Hypercar-Abenteuers. Eine Tragödie, die Erinnerungen an Toyotas Le-Mans-Trauma anno 2016 erwachen ließ.

Und, oh mon dieu, es kam noch dicker für die #93, die mit Nico Müller am Steuer zu Beginn sogar in Führung gelegen hatte: Weil Vergne die Ziellinie allein mit der elektrischen Leistung seines Hybridantriebes überquerte und im vorläufigen Ergebnis noch den siebten Platz belegte, wurde der Peugeot nach dem Rennen aus der Wertung genommen. Im Reglement ist vorgeschrieben, dass ein Hypercar den Antrieb seines Hybridsystems nur nutzen darf, wenn die Geschwindigkeit unter 120 km/h (beim Peugeot laut BoP: 150 km/h) bleibt, bis das Auto in die Boxengasse zurückkehrt. Außerdem fuhr Vergne nicht aus eigener Kraft ins Parc fermé zurück.

Das Schwesterauto mit der #94 (Di Resta, Duval, Vandoorne) fuhr unterdessen nach einer frühen Startkollision chancenlos hinterher. Mit diesen Eindrücken schickt Peugeot die aktuelle Version des über weite Strecken unterlegenen 9X8 in Rente. Zum zweiten WEC-Saisonrennen in Imola (21. April) bringen die Franzosen über technisch stark überarbeitetes Modell, das voraussichtlich erstmals mit einem 'echten' Heckflügel Abtrieb erzeugt.

Gewinner #5: AF-CORSE-FERRARI

Vor dem Rennwochenende hatten wir getitelt: "Darf AF Corses neuer Ferrari Rennen gewinnen?" Schließlich handelt es sich um einen privat eingesetzten 499 P, der im Gegensatz zu den beiden Werks-Autos - ebenfalls durch AF Corse betreut - 'nur' im Team-Weltcup der Privatiers gegen die Porsche-Kundenteams von Jota und Proton antritt.

Nach Katar lässt sich festhalten: Mit dem Sieg hatten Ferraris Hypercars mangels Performance ohnehin nichts zu tun. Dass ausgerechnet der brandneue, gelb lackierte #83 Ferrari (Kubica, Shwartzman, Ye) mit Platz fünf das beste Ergebnis der Italiener markierte, ist aber durchaus bemerkenswert. Ex-Formel-1-Fahrer Robert Kubica und Namensvetter Robert Shwartzman drehten immerhin ihre ersten Rennrunden in einem Hypercar, während Yifei Ye auf ein wenig Porsche-Erfahrung zurückblickt.

"An einem kniffligen Wochenende macht die Leistung des AF Corse 499P das Ergebnis des Rennens in Katar weniger bitter", sagte Ferraris Sportwagenchef Antonello Coletta. "Was die offiziellen 499Ps betrifft, so wurden unsere vor dem Rennen geäußerten Befürchtungen bestätigt, nämlich der hohe Einfluss des Leistungsgewicht-Verhältnisses auf die Wettbewerbsfähigkeit, der uns in eine untergeordnete Position brachte und jede Chance auf einen Podiumsplatz ausschloss."

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Er ist GELB... Der #83 Ferrari 499 P von AF Corse, Foto: Ferrari

Gewinner #6: ALPINE

WEC-Neueinsteiger Alpine mit seinen beiden A424 erklomm schon fast heimlich, still und leise die Punkteränge. Hatten zahlreiche Experten zumindest in den ersten Rennen nicht allzu viel vom LMDh-Prototypen der Franzosen erwartet, kann Alpine durchaus zufrieden auf das erste von acht Rennwochenenden zurückblicken.

Die #35 um den Österreicher Ferdinand Habsburg und die beiden Franzosen Charlie Milesi sowie Paul-Loup Chatin überquerte die Ziellinie auf dem neunten Platz und rückte in Folge der nachträglichen Peugeot-Disqualifikation sogar auf Position acht nach vorne. Damit entpuppte sich Alpine vor den LMDh-Mitstreitern BMW und Lamborghini sowie Isotta Fraschinis LMH-Hypercar als erfolgreichster WEC-Neuling.

Der zweite Alpine mit der Startnummer #36 samt Langstrecken-Debütant Mick Schumacher, Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere verpasste auf Platz zwölf zwar die Punkteränge, hielt sich über die Renndistanz allerdings frei von größeren Schwierigkeiten. Schumacher legte mit 128 Runden die meisten des #36-Trios zurück und kam auf eine Fahrzeit von 3:42 Stunden. Zudem gelang dem 24-Jährigen die schnellste Rundenzeit aller sechs Alpine-Piloten.

Verlierer #1: TOYOTA

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Toyota verpasste zum ersten Mal nach 2.022 Tagen, seit dem Silverstone-Rennen 2018, einen Podestplatz in der WEC. Damit endete eine 32 Rennen andauernde Podiumsserie für die Japaner, die in dieser Zeitspanne fünf Weltmeisterschaften gewannen.

In Katar waren die beiden Toyota GR010 Hybrid als schwerste Autos im Feld (1.089 Kilogramm) mit Ausnahme von P2 im Qualifying durch Neuzugang Nyck de Vries heillos unterlegen. Ob die Balance of Performance oder die Streckencharakteristik zur Pleite führte, wollten sich die Toyota-Verantwortlichen nicht auf Band entlocken lassen - es bleibt per Reglement verboten, sich in der Öffentlichkeit kritisch zur BoP zu äußern.

Der #7 Toyota (Conway, Kobayashi, de Vries) betrieb mit Platz sechs im finalen Klassement nur ansatzweise Schadensbegrenzung, das #8 Schwesterauto als amtierender WEC-Weltmeister (Buemi, Hartley, Hirakawa) wurde auf P9 gewertet. Viel zu wenig für die Marke, die 2023 sechs der sieben Saisonrennen gewann. "Der sechste Platz war das Beste, was wir heute realistischerweise erreichen konnten - und definitiv nicht das, was wir uns erhofft hatten", erklärte Kamui Kobayashi, Fahrer und Teamchef in Personalunion.

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Weltmeister Toyota hatte in Katar keine Chance aufs Podest, Foto: LAT Images

Verlierer #2: FERRARI

Die Springenden Pferde humpelten in Katar ganz gewaltig nur auf die Plätze sieben und 13: Die beiden Werks-Ferrari #50 (Fuoco, Molina, Nielsen) und #51 (Pier Guidi, Giovinazzi, Calado) liefen mit zwei beziehungsweise drei Runden Rückstand auf den siegreichen LMDh-Porsche ins Ziel ein. "Das Ergebnis bestätigte, was sich schon beim Prolog und den Simulationen angedeutet hatte", sagte Ferraris Langstrecken-Chef Ferdinando Cannizzo. "Der große Unterschied zu anderen Autos erlaubte es uns nicht, ums Podium zu kämpfen."

Bei der Pace waren die LMH-Ferrari der LMDh-Konkurrenz unterlegen, es schlichen sich allerdings auch einige Team-Fehler sowie eine gehörige Portion Pech ein: Ex-DTM-Pilot Miguel Molina im #50 Ferrari hatte zum Rennstart sogar die Führung übernommen, bis er wegen einer Durchfahrtstrafe (weiße Linie beim Boxeneingang überschritten) aus eigenem Verschulden zurückfiel. Eine weitere 5-Sekunden-Strafe, weil das Auto am Ende statt zu Beginn eines Boxenstopps aufgetankt wurde, war ebenfalls wenig hilfreich.

Auf der #51 wurde Startfahrer Antonio Giovinazzi nach knapp eineinhalb Stunden am Heck vorn einem GT3-McLaren getroffen und musste die Box zum Reparatur-Stopp ansteuern. Davon sollten sich die amtierenden Le-Mans-Sieger nicht mehr erholen. Eine 5-Sekunden-Zeitstrafe wegen eines Unsafe Release kam später obendrauf. "Uns fehlten Pace und Speed in Losail, aber wir haben auch ein paar Fehler begangen", räumte Giovinazzi ein.

Verlierer #3: BMW

Während die LMDh-Autos von Porsche (P1-3), Cadillac (P4) und Alpine (P8) in Katar absolut den Ton angaben, erzielten die beiden Prototypen von BMW bei der Rückkehr in die WEC-Topklasse enttäuschende Ergebnisse und verpassten die Punkteränge. Das stark aufgestellte #20-Trio (Sheldon van der Linde, Rast, Frijns) wurde als Elfter gewertet, das ebenso top besetzte #15 Schwesterauto (Dries Vanthoor, Marciello, Wittmann) fuhr auf P15 unter ferner liefen.

"Das ist nicht wirklich das, was wir uns erhofft hatten", sagte WRT-Chef Vincent Vosse nach dem ersten Einsatz als WEC-Werksteam der Münchner. "Es scheint, als hätte Porsche während des Winters einen brillanten Job gemacht, und sie haben an diesem Wochenende eine unglaubliche Leistung gezeigt."

Ist das gut oder vielmehr besorgniserregend: Sheldon van der Linde versicherte, dass das gesamte Team ein "absolut sauberes und fehlerfreies Rennen" gezeigt habe. Wenn es nicht an den Piloten lag, dürfte dem BMW M Hybrid V8 schlichtweg völlig die Pace gefehlt habe, um ernsthaft ins Geschehen eingreifen zu können. Dabei bestreitet der Münchner Prototyp ebenso seine zweite Rennsaison wie die LMDh-Kollegen von Porsche und Cadillac, wenn auch mit einem deutlichen Entwicklungszeit-Nachteil.

BMW bei den WEC-Testfahrten in Doha, Katar
Die BMW M Hybrid V8 fuhren beim WEC-Saisonauftakt nur hinterher, Foto: LAT Images

Verlierer #4: ISOTTA FRASCHINI

Selbst bei aller Liebe zu den kleinen Herstellern in der Langstrecken-Geschichte tut man sich schwer, WEC-Neueinsteiger Isotta Fraschini aus sportlicher Sicht ernst zu nehmen. Die Italiener hatten allerdings auch einen denkbar schlechten Start, als es zu einer höchst kurzfristigen Trennung vom eigentlichen Einsatzteam Vector Sport hin zur LMP2-erfahrenen Duqueine-Truppe kam.

Beim ersten Rennen in Katar lieferte Isotta Fraschini das ab, was man erwartet hatte: Das LMH-Hypercar fiel nach rund sechs Stunden und 157 zurückgelegten Runden vorzeitig wegen eines Aufhängungsproblems aus. Der Schaden hätte vor Ort wohl noch repariert werden können, doch mit den gesammelten Daten des brandneuen Tipo 6-C gab sich das Team erst einmal zufrieden.

Die beiden im Motorsport ziemlich unerfahrenen Piloten Carl Bennet (19) und Antonio Serravalle (21) verpassten wegen Getriebeproblemen in den Trainings die dringend nötige Streckenzeit und fuhren im Rennen rund 4 Sekunden hinter der Pace. Da konnte auch der deutlich erfahrenere Ex-Audi-Werksfahrer Jean-Karl Vernay (36) mit 3 Sekunden Abstand nicht viel ausrichten.

Vor dem Rennen hatte sich die Social-Media-Abteilung von Isotta Fraschini einen kleinen Twitter-Schlagabtausch mit Langstrecken-Ass Pipo Derani geliefert, der die Wahl der jungen Piloten öffentlich kritisierte. Im Rennen lief bei der Ausführung ebenfalls nicht alles glatt: Es setzte eine 90-Sekunden-Boxenstopp-Strafe (Speeding mit 88 statt 60 km/h), eine 200-Sekunden-Strafe wegen eines technischen Vergehens (Leistungsspitze) sowie eine weitere Durchfahrtstrafe wegen überhöhter Geschwindigkeit in der Boxengasse.