Die WEC hat für ihre Saison 2024 am Montag ein spektakuläres Starterfeld mit insgesamt 37 Rennwagen der Klassen Hypercar (19 Autos) und GT3 (18 Autos) präsentiert. Die neun Hersteller der gesamtsiegfähigen Prototypen-Kategorie mussten pro Auto mindestens einen Fahrer nennen, wobei Porsche und Toyota bereits ihre kompletten Lineups mit je drei Piloten kommuniziert haben.

26 der 57 verfügbaren Hypercar-Cockpits sind offiziell noch nicht vergeben worden. Doch schon jetzt deutet sich an: Eine Frau wird voraussichtlich im internationalen Starterfeld fehlen. Ist das der Fall, verhält es sich ähnlich wie bei den weiteren FIA-Weltmeisterschaften a la Formel 1, Formel E oder Rallye-WM. Rennfahrerinnen sind aktuell zumindest in den obersten Kategorien des Motorsports absent.

Rennfahrerin im Hypercar: "Pläne für 2025"

"Die Hypercar-Klasse ist beeindruckend und natürlich würden wir gerne Frauen in dieser Kategorie begrüßen", wurde WEC-Geschäftsführer Frederic Lequien von der britischen BBC zitiert. "Vielleicht kommt es 2024 zu einer guten Überraschung. Es kann passieren. Im Moment wissen wir das aber noch nicht." Laut Lequien gebe es "ein paar Pläne für 2025. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es so kommen wird."

In der 100-jährigen Geschichte der 24 Stunden von Le Mans, dem Saisonhighlight im WEC-Rennkalender, gingen bislang 66 Frauen an den Start. Für das beste Ergebnis sorgte die Französin Odette Siko, die 1932 auf einem privat eingesetzten Alfa Romeo 6C-1750 SS gemeinsam mit Louis Charavel den vierten Gesamtplatz belegte. Den Rekord für die meisten Le-Mans-Starts einer Frau hält die Lokalmatadorin Anny-Charlotte Verney mit zehn aufeinanderfolgenden Teilnahmen von 1974 bis 1983. Auf einem heute ikonischen Porsche 935 K3 fuhr sie 1981 mit Platz sechs zu ihrem besten Resultat.

Marguerite Mareuse und Odette Siko auf einem Bugatti T40 bei den 24 Stunden von Le Mans 1930
Le Mans 1930: Marguerite Mareuse und Odette Siko auf einem Bugatti T40, Foto: LAT Images

Frauen mischen auf der Langstrecke mit

Zu Zeiten der LMP1-Monster sowie der nachfolgenden Hypercars spielten Frauen in der Topklasse von Le Mans bzw. der Sportwagen-WM keine Rolle. Dafür aber in der 'Zweiten Liga' der Prototypen: Auf LMP2-Wagen traten in den vergangenen Jahren Sophia Flörsch (2020-22), Tatiana Calderon und Beitske Visser (beide 2020-21), Lilou Wadoux (2022) sowie Doriane Pin (2023) an. Das Richard-Mille-Team mit Flörsch/Calderon/Visser sorgte 2020 mit dem neunten Platz in der stark besetzten LMP2-Klasse für positive Schlagzeilen.

Zwar zählt die 22-jährige Münchnerin Flörsch, die zweite Deutsche überhaupt erst in Le Mans nach Claudia Hürtgen, inzwischen zum Juniorenprogramm des Formel-1-Rennstalls Alpine, ein Start im neuen LMDh-Auto der Franzosen ist allerdings offenbar nicht vorgesehen. Alpine hat vor Kurzem seine sechs Fahrer für die WEC bestätigt, darunter Mick Schumacher und den Österreicher Ferdinand Habsburg. Flörsch fuhr zuletzt in Macau als einzige Frau einen Formel-3-Boliden von Van Amersfoort Racing und verpasste die Top-10 nur knapp.

Sophia Flörsch beim Macau Formel 3 GP 2023
Sophia Flörsch beim Macau GP 2023, Foto: Macau GP

Lilou Wadoux: Erste GTE-Siegerin der WEC-Geschichte

Die ebenfalls erst 22-jährige Französin Lilou Wadoux wechselte nach ihrer WEC-Debütsaison 2022 aus der LMP2- in die GTE-Klasse. Beim diesjährigen 6-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps feierte sie zusammen mit AF-Corse-Ferrari-Teamkollege Alessio Rovera den ersten GTE-Sieg einer Frau in der Geschichte der Sportwagen-WM. Dieses 'Kunststück' wiederholten die erfahrenen Iron Dames bestehend aus Rahel Frey, Sarah Bovy und Michelle Gatting mit einem Sieg beim beim späteren Saisonfinale in Bahrain.

"Diversität ist sehr wichtig", betonte WEC-CEO Lequien. "Aber die Ergebnisse sind auch wichtig. Schauen Sie sich das letzte Rennen an, das die Iron Dames gewonnen haben. Ich denke, dass wir Erfolg haben werden, wenn wir sie als Fahrer sehen - nicht als weibliche Fahrer."

Lilou Wadoux zählt zu Ferraris Werksfahrerkader, Foto: Ferrari
Lilou Wadoux zählt zu Ferraris Werksfahrerkader, Foto: Ferrari

Wadoux testete schon zwei Hypercars

Wadoux ist Ferraris erste Werksfahrerin und die erste Frau, die bereits in einem WEC-Hypercar Platz nehmen durfte. 2022 stieg sie beim offiziellen Rookie-Test in den Toyota GR 0101, dieses Jahr durfte sie den in Le Mans siegreichen Ferrari 499 P testen. "Beim Fahren gibt es nicht so viele Unterschiede zwischen einem LMP2 und einem Hypercar, die Abstände sind nicht so groß", sagte Wadoux zu Motorsport-Magazin.com. "Das Hypercar hat einfach mehr Funktionen. Ein GTE-Auto ist aber ganz anders, da musste ich meinen Fahrstil im Hypercar komplett anpassen."

Ferrari hat mit Alessandro Pier Guidi und Antonio Fuoco bislang nur zwei seiner sechs WEC-Fahrer für die beiden Hypercars genannt. Ob sich für Wadoux schon jetzt eine Gelegenheit ergibt, womöglich auch im neuen, dritten Ferrari 499 P, den das Werksteam AF Corse als Kundenauto einsetzen wird? Neben Stammpilot Robert Kubica werden für dieses Auto aktuell Robert Shwartzman und Yifei Ye die besten Chancen ausgerechnet. Wadoux erwartet vermutlich eine Saison vor allem im GT3-Ferrari, um noch mehr Erfahrungen sammeln zu können.

Rennfahrerin Doriane Pin in der WEC 2023 mit dem Team Iron Dames
Junges Nachwuchstalent: Doriane Pin aus Frankreich, Foto: LAT Images

Doriane Pin: Mit Prema auf dem LMP2-Podium

Zu den weiteren aufstrebenden Talenten zählt die erst 19-jährige Doriane Pin. Die Französin startete dieses Jahr in der LMP2-Klasse der WEC an der Seite der Top-Fahrer Daniil Kvyat und Mirko Bortolotti. Beim Saisonauftakt in Sebring fuhr das Prema-Trio auf den zweiten Platz, konnte im weiteren Verlauf der Saison aber kein weiteres Podest erringen. Wie es 2024 für die hoffnungsvolle Nachwuchspilotin weitergeht, ist noch nicht bekannt. Ob sich schon nächstes Jahr das Hypercar-Tor für eine der schnellen Damen öffnet?