Seit der Saison 2023 begleiten die MotoGP Strafen für Reifendruckvergehen. Ursprünglich war die Einführung dieser Regelung bereits am vierten Rennwochenende des Jahres geplant, wurde aber aufgrund von Problemen mit dem einheitlichen Messsystem immer wieder verschoben. Zum Start in die zweite Saisonhälfte beim Großbritannien-GP war es dann schließlich so weit: Erstmals drohten den Fahrern Strafen, auch wenn von den ursprünglich geplanten Disqualifikationen abgesehen wurde. Stattdessen entschied man sich für ein Stufensystem, das eine Verwarnung beim ersten Vergehen und zunehmende Zeitstrafen von drei, sechs und zwölf Sekunden bei weiteren Überschreitungen vorsah.

Zur Saison 2024 startete die MotoGP erneut einen Vorstoß in Richtung Disqualifikationen - und scheiterte damit nach heftigen Protesten von Fahrern und Teams erneut. Zu unberechenbar sei die Druckentwicklung im Rennen, zu schwierig daher die Einhaltung der Untergrenzen. Mit Reifenlieferant Michelin einigte man sich daher auf eine Senkung des besonders kritischen Vorderreifenlimits von 1,88 auf 1,8 bar und verzichtet erneut auf Disqualifikationen. Stattdessen werden nun verschärfte Zeitstrafen ausgesprochen: Acht Sekunden kostet jedes Vergehen im Sprint, 16 im Grand Prix.

Strafen, die im Fall einer Missachtung der Regularien das Rennen des betreffenden Fahrers völlig zerstören. Beim Saisonauftakt in Katar wäre etwa Sprintsieger Jorge Martin bei einer Bestrafung nur Neunter geworden, für Francesco Bagnaia wäre am Sonntag statt eines Sieges nur Platz zehn zu Buche gestanden. Eine Einhaltung des vorgegebenen Reifendrucks ist also extrem wichtig - und bedeutet für die Piloten neben dem eigentlichen Rennbetrieb, der Einstellung der elektronischen Fahrhilfen sowie der Bedienung der Ride-Heigth-Devices eine zusätzliche Belastung

Im Sprint müssen 30 Prozent aller Rennrunden oberhalb des Mindestdrucks abgespult werden, im Grand Prix sind es sogar 60 Prozent. Die Fahrer werden über den aktuellen Stand informiert. Das passiert mittels einer Anzeige auf dem Dashboard im Lenkerbereich. "Wir haben eine Art Countdown", erklärt VR46-Pilot Fabio Di Giannantonio. "Er zeigt dir an, wie viele Runden du brauchst, um im Reglement zu sein. Wenn du eine korrekte Runde geschafft hast, zählt der Countdown herunter. Wenn du die benötigte Anzahl erreicht hast, kannst du frei fahren, also zum Beispiel die Führung übernehmen." Der Reifendruck wird ja in erster Linie durch die Temperatur des Reifens bestimmt. Wird dieser von Frischluft angeströmt, kühlt er ab und der Druck sinkt. Bekommt der Reifen die heißen Abgase des Vordermanns ab, steigen Temperatur und Druck.

Fabio Di Giannantonio verfolgt Enea Bastianini im Katar-GP
Fabio Di Giannantonio war in Katar in viele Zweikämpfe verwickelt, Foto: Ducati

Was passiert also, wenn ein Fahrer Probleme hat, die vorgeschriebenen 1,8 bar zu erreichen? "Dann bist du gefickt", lacht Di Giannantonio. "Auf meinem Dashboard erscheint dann eine Nachricht: 'Windschatten! Windschatten! Windschatten!' Das ist zusammen mit möglichst harten Bremsmanövern die einzige Chance, den Druck am Vorderreifen zu erhöhen. Am Hinterrad ist das einfacher. Da sorgst du einfach für etwas mehr Wheelspin."