Nach einer starken Vorsaison, in der Aleix Espargaro lange Zeit um den WM-Titel gekämpft hatte, ging Aprilia mit großen Ambitionen und Hoffnungen in das MotoGP-Jahr 2023. Auf einen guten Eindruck bei den Testfahrten und ein Podium beim Saisonauftakt in Portimao durch Maverick Vinales folgte dann aber die Enttäuschung. Über weite Strecken der bisherigen Saison hinkte der Hersteller aus Noale den Erwartungen hinterher und war hinter KTM sogar nur dritte Kraft.

Erst beim letzten Rennen vor der Sommerpause in Assen kehrte Aprilia mit Espargaro auf das Podest zurück, nachdem Brad Binder für ein Tracklimits-Vergehen in der letzten Runde bestraft wurde. In Silverstone gelang dem Duo nun der langersehnte zweite MotoGP-Sieg - und zwar aus eigener Kraft. Sämtliche Aprilia-Fahrer erlebten ein positives Wochenende und fuhren am Sonntag im Grand Prix erstmals in der Geschichte des Herstellers in die Top Ten. Miguel Oliveira und Vinales verpassten das Podium auf den Plätzen vier und fünf nur knapp, Raul Fernandez wurde Zehnter.

Gelang Aprilia während der Sommerpause also ein Durchbruch? Zumindest ein Update der RS-GP brachte den erhofften Fortschritt in Sachen Traktion. "Am Freitag habe ich eine neue Verkleidung getestet und hatte sofort das Gefühl, dass ich die Kurve besser schließen kann. Dadurch kann ich das Bike früher aufrichten, wir haben uns ich der Beschleunigungsphase verbessert", verriet Espargaro am Sonntag. "Maverick war da immer besser, aber mit diesem neuen Rahmen habe ich mich während dieses Wochenendes viel gesteigert, das war der Schlüssel. Ich hatte viel Traktion, es ist ein sehr wichtiges Update."

Auch sein Teamkollege zeigte sich am Sonntag angetan, obwohl er das Podium als Fünfter verpasst hatte: "Ich habe am Anfang zu hart gepusht, um die Lücke zur Spitze zu schließen. In den letzten Runden hatte ich dann keine Reifen mehr übrig. Ich bin aber zufrieden mit unserer Arbeit, die Richtung stimmt." Gleichzeitig war Vinales allerdings auch bemüht, nicht in Freudentaumel zu verfallen. "Wir wussten, dass unser Bike für diese Strecke gut geeignet sein würde", warnt er und auch Teamchef Massimo Rivola glaubt: "Das ist unsere Strecke, wir sind hier verdammt schnell und haben das beste Bike."

Erstes MotoGP-Podest 2021: Aprilia in Silverstone historisch gut

Tatsächlich schnitt Aprilia auf dem Silverstone Circuit bislang immer gut ab. 2021 gelang Espargaro dort das erste Aprilia-Podest in der MotoGP, im Vorjahr verpasste Vinales den Rennsieg als Zweiter nur knapp. "Das ist eine Strecke, auf der du beim Beschleunigen nicht sofort das Gewicht hochziehst. Es geht mehr um Traktion und Grip. Deine Motorleistung ist auf dieser Strecke durch den Grip limitiert. Die Aprilia hat viel Grip. Auf Strecken wie Katar, Argentinien oder Silverstone funktioniert das Bike sehr gut", erklärt Espargaro.

Aleix Espargaro und Maverick Vinales kämpften in Silverstone um den Sieg, Foto: LAT Images
Aleix Espargaro und Maverick Vinales kämpften in Silverstone um den Sieg, Foto: LAT Images

Es gilt also, das historisch beste Aprilia-Ergebnis der MotoGP-Geschichte mit Vorsicht zu genießen. Ob die Italiener auch in den kommenden Rennen ganz oben angreifen können, wird sich erst noch zeigen. Teamchef Rivola ist jedoch optimistisch: "Wir haben im letzten Monat hart gearbeitet. Wir sind jetzt auf einem Level angekommen, wo wir hier und da kleine Details finden müssen, um uns zu verbessern. Wir wissen, dass es nur ein kleiner Schritt ist, aber der kann in der modernen MotoGP den Unterschied machen. Das Niveau ist hoch so, da helfen schon Millisekunden."

Aprilia: Fortschritte beim Rennstart und im Nassen

Nicht zu verneinen sind ohnehin Fortschritte in zwei anderen Bereichen, die dem Hersteller aus Noale sicher auch auf anderen Strecken helfen werden. Am Samstag waren die Aprilia-Werkspiloten nämlich erstmals auch auf nassem Asphalt konkurrenzfähig. "Wir haben hart daran gearbeitet", bestätigt Espargaro, nachdem er uns seine Markenkollegen im Regen von Argentinien noch untergegangen waren. "Wir haben versucht ein Setup zu finden, dass im Nassen funktioniert, auch wenn es komplett unterschiedlich zum Trocken-Setup ist. Wir haben das Bike etwas verkürzt. Es ist noch nicht perfekt, aber die Ergebnisse am Samstag waren gut. Das ist eine große Verbesserung, was sehr wichtig für uns ist."

Zudem scheint es Aprilia gelungen zu sein, die eklatante Startschwäche der RS-GP zu eliminieren. Gerade in den ersten Saisonrennen verloren Espargaro und Vinales zu Beginn der Rennen immer wieder viele Positionen, weil sie nicht gut von der Linie wegkamen. Das änderte sich bereits in Assen, in Silverstone folgte die Bestätigung. "Wir haben in den letzten Rennen alle Starts gut hinbekommen, ich überhole viel", lobt Vinales. "So müssen wir in Österreich weitermachen."

Auf dem Red Bull Ring könnte dann direkt der nächste Schritt Richtung MotoGP-Spitze erfolgen. Denn in Spielberg will Aprilia weitere neue Teile testen, wie Espargaro am Sonntag verriet. Der zweifache Grand-Prix-Sieger ist hoffnungsvoll: "Unser Bike ist sehr schnell, aber noch nicht das schnellste. Aber es könnte schon bald das schnellste Motorrad sein."