Francesco Bagnaia stand zuletzt stark unter Druck. Der schnellste Pilot der bisherigen MotoGP-Saison 2023 führte die WM vor dem vierten Rennen in Jerez nicht an, denn er warf mit zwei Stürzen in den Hauptrennen von Argentinien und den USA insgesamt 45 Punkte weg. Der alte Fehler von Bagnaia schien wieder hervorzutreten. Doch der Weltmeister gab beim Spanien GP eine eindrucksvolle Antwort: Sieg unter besonderen Umständen, trotz einer Strafe und gegen die bärenstarken KTMs von Brad Binder und Jack Miller.

Der Italiener strahlte nach dem Rennen: "Ich denke, das war mein bestes MotoGP-Wochenende. Silverstone [2022, Anm. d. Red.] kommt dem noch nahe, aber der Kampf hier war unglaublich. Ich habe das Rennen und das ganze Wochenende genossen, denn ich glaube, das wird uns helfen, weiter zusammenzuwachsen." Seinen dreizehnten Sieg in der Königsklasse erachtete Bagnaia also als seinen bisher größten. Und das nicht zu Unrecht, denn das Wochenende sah zunächst überhaupt nicht gut aus: "Der Start ins Wochenende war hart. Ich hatte das Gefühl vom letzten Jahr [Bagnaia gewann auch 2022, Anm. d. Red.] im Kopf, aber kämpfte mit dem Bike." Die Folge war, dass 'Pecco' sogar durch Q1 musste.

Der 26-Jährige wusste, wem er seinen Erfolg zu verdanken hatte: "Der Freitag war schwierig, aber das Team arbeitete hart. Ich verlangte die richtigen Änderungen und das Team hat gut gearbeitet. Mit kleinen Schritten haben wir wieder gewonnen. Das war nicht einfach, denn KTM war unglaublich gut. Ich habe die Reifen gut gemanagt. Ein Sieg hier in Jerez ist etwas besonders." Die Fans beim Kultrennen feierten den Weltmeister auch ohne einen spanischen Erfolg frenetisch.

Bagnaia lässt Strafe kalt, aber: In Zukunft müssen andere auch bestraft werden!

Für seinen Triumph musste Bagnaia aber nicht nur die KTMs schlagen, sondern auch die Stewards warfen ihm Steine in den Weg. Nach einem harten Manöver gegen Jack Miller, orderten sie an, dass Bagnaia die Position wieder zurückgeben musste: "Wenn du pushst und du siehst 'Eine Position hergeben' auf dem Dashboard, dann bist du natürlich aufgebracht. Du hast hart gepusht, um dir einen Vorteil zu verschaffen, und dann musst du wieder eine Lücke aufreißen. In dem Moment war ich wütend." Der Weltmeister zeigte aber seine mentale Stärke: "Ich habe es trotzdem geschafft, ruhig zu bleiben. Ich wusste, das ist noch ein langes Rennen und es gibt eine Siegchance." Diese nutze Bagnaia dann in einem sehenswerten Zweikampf mit Brad Binder und kämpfte den Südafrikaner nieder.

Was die Strafe anging, so hatte der Champion eine klare Forderung an die nach wie vor umstrittenen MotoGP-Stewards: "Ich akzeptiere es, aber ich will dieselbe Strafe auch in der Zukunft sehen. In der Vergangenheit gab es schon härteren Kontakt und keine Strafe. Also will ich sie wieder solche Strafen aussprechen sehen, sonst ist es nicht fair."

Bagnaia war zuletzt nicht mit Siegen, sondern Stürzen aufgefallen, Foto: LAT Images
Bagnaia war zuletzt nicht mit Siegen, sondern Stürzen aufgefallen, Foto: LAT Images

Sieg fürs Ego: Stürze hatten am MotoGP-Weltmeister genagt

Kritik hatten zuletzt nicht nur die Stewards, sondern auch der Ducati-Star auf sich gezogen. Er musste zugeben, dass die Stürze der vorherigen Rennen im Kopf mitfuhren: "Das Rennen war mental nicht einfach. Nach zwei Stürzen ist es nicht einfach, die Ruhe zu bewahren. Ich wollte den Sieg, um mein Team zu motivieren. Ich brauchte ihn aber auch für mich." Damit fand er auch die perfekte Antwort an seine Kritiker: "Das war für mich und mein Ego. Es ist immer leicht von außen zu kritisieren. Intern wussten wir aber nicht, was da [bei den Stürzen, Anm. d. Red.] passiert war. Nach COTA [Circuit of the Americas, Anm. d. Red.] zurückzuschlagen, ist großartig."

Viele sahen bereits parallelen zum Vorjahr, als Bagnaia zu Saisonbeginn im Kampf mit Fabio Quartararo ebenfalls viele Punkte wegschmiss und dann zu einer großen Aufholjagd ansetzen musste. Für den Ducati-Piloten ist diese Theorie kein Thema: "Das war damals anders. Jetzt gehe ich in ein Rennen, nur um zu gewinnen und nicht mit der Meisterschaft im Kopf. Ich führe jetzt ja bereits in der WM. Das ist also nicht dasselbe wie letztes Jahr. Das Bike ist außerdem deutlich besser." Mit dem Sieg im Grand Prix und Platz Zwei im Sprint hat Bagnaia nun 22 Punkte Vorsprung auf seinen ersten Verfolger, VR46-Pilot Marco Bezzecchi.