Nach seinem souveränen Sieg im ersten MotoGP-Rennen von Spielberg musste Andrea Dovizioso am Sonntag eine herbe Niederlage einstecken. Er lag beim Abbruch nur auf dem achten Rang und konnte sich nach dem Restart nur noch auf Platz fünf nach vorne kämpfen. Die Schuld für den plötzlichen Performance-Abfall sah Dovizioso in den Michelin-Reifen.

"Im ersten Teil des Rennens hat sich der Medium-Reifen wirklich schlecht angefühlt", so Dovizioso am Sonntag. "Das ist wirklich eigenartig, denn ich bin im 4. Training mit dieser Konfiguration einen sehr langen Run gefahren und alles hat super funktioniert. Ich habe mich für das Rennen gut vorbereitet gefühlt, aber von der ersten Runde an ist es nicht normal gelaufen und dann wurde es richtig schlimm. Viel mehr will ich nicht sagen, aber ich bin mir sicher, dass da etwas falsch gelaufen ist."

Kritik, die Michelin nicht auf sich sitzen lassen will. "Ich habe mir Dovizioso Daten angesehen und sie haben klar gezeigt, dass der verwendete Reifendruck zu niedrig war", sagte Michelins MotoGP-Boss Piero Taramasso bei 'GPone'. "Es war eine Fehleinschätzung ihrerseits. Der Kaltluftdruck war derselbe wie am vergangenen Sonntag, doch da war die Asphalttemperatur 15 Grad höher. Da ist es nur logisch, dass Druck und Temperatur im zweiten Rennen nicht stark genug angestiegen sind und dieser Reifen so nicht in das Arbeitsfenster gekommen ist."

Ein Blick in die offiziellen Wetterdaten der MotoGP bestätigt Taramassos Version teilweise. Bei Sonnenschein im ersten Rennen wurden 50 Grad auf der Streckenoberfläche gemessen, im zweiten Grand Prix waren es durch die dichte Wolkendecke über Spielberg tatsächlich nur 35 Grad. Allerdings wurden beim von Dovizioso angesprochenen Longrun über 16 Runden in FP4 auch nur 36 Grad gemessen.

MotoGP-Analyse: Irres Finale in Spielberg (34:02 Min.)

Andrea Dovizioso: Reifenprobleme keine Seltenheit

Dovizioso Kritik beschränkte sich aber ohnehin nicht auf den zweiten Rennsonntag in Spielberg. Er ortete generell fehlende Konstanz in den für 2020 neuen Slicks von Michelin. "Diese Reifen bereiten uns allen Probleme. Sie sorgen für die vielen Ups und Downs in dieser Saison. Die Reifen sind nicht immer gleich. Wir haben darüber in der Safety Commission gesprochen und Michelin kennt das Problem. Ich will auch nicht mit dem Finger auf sie zeigen, aber im Moment haben sie die Situation nicht unter Kontrolle."

Doch auch diese Vorwürfe will Michelin nicht auf sich sitzen lassen. "Ich kann ihm nicht rechtgeben", stellt Taramasso klar. "Dovizioso hat von Anfang an gesagt, dass der neue Hinterreifen mit seinem Fahrstil und seinem Motorrad nicht funktioniert. Andere Fahrer sind aber zufrieden damit. Er funktioniert an der KTM gut, an der Suzuki und auch Nakagami auf der Honda war vorne mit dabei. Ich bin überzeugt davon, dass dieser Reifen auch an der Ducati funktionieren kann, man muss sich nur die Ergebnisse von Miller in Jerez oder Spielberg ansehen. Es geht einfach darum, seinen Fahrstil und die Balance des Motorrads anzupassen."