Gustl, in deiner Position als Coach im Red Bull Rookies Cup musst du 25 Piloten im Griff haben, die einerseits Gegner auf, aber Freunde abseits der Strecke sein sollen. Ist das überhaupt möglich?
Gustl Auinger:
Ich habe mir diese Frage am Anfang selbst gestellt, aber ich muss mich da glücklicherweise gar nicht groß einmischen. Wir Erwachsene sehen das viel komplizierter als die Burschen. Auch wenn im Rennen einmal etwas gerempelt wird, ist das eine absolut verschworene Gemeinschaft, die unglaublichen Spaß miteinander hat.

Was machst du, wenn sich doch einmal jemand daneben benimmt?
Mich ärgert es vor allem, wenn die Fairness vernachlässigt wird. Das merken die Burschen dann auch recht schnell, denn man sieht mir so etwas sofort im Gesicht an. Da ist es dann meistens sogar so, dass sie auf mich zukommen und fragen, was denn jetzt los ist. Ich versuche es ihnen dann so zu erklären: Jeder der 25 Fahrer hier ist mein Freund. Wenn sie einen anderen Fahrer also schlecht behandeln, dann behandeln sie einen Freund von mir schlecht. Und das gefällt mir gar nicht. Ihnen wird dann meistens recht schnell klar, was ich meine. Schimpfen muss ich eigentlich nie.

Du scheinst wirklich ein gutes Händchen für junge Fahrer zu haben. Glaubst du, dass man dich auch deswegen als Coach gewählt hat?
Ich sehe mich ja eigentlich eher als Techniker und war im Cup ursprünglich auch für diesen Bereich vorgesehen. Das wurde dann aber intern über KTM abgewickelt und so kam die Idee, dass ich Fahrer-Coach werden soll. Ich muss gestehen, dass ich davon zunächst nicht wirklich begeistert war, weil ich mir sehr wenig darunter vorstellen konnte. Jetzt bin ich aber überglücklich in meinem Job. Als Techniker - so gerne ich das auch bin - arbeitet man eben mit Carbon, Titan oder Stahl, aber hier arbeite ich mit Menschen. Noch dazu mit jungen Menschen.

Hilft es, dass du selbst erfolgreicher Rennfahrer warst?
Ich muss den Burschen das Rennfahren nicht mehr beibringen. Das können sie alle schon. Man muss sich aber immer vor Augen halten, dass sie aus der ganzen Welt nach Europa kommen, um hier Rennen zu fahren. Sie haben hier eigentlich niemanden außer mir. Wenn es dann einmal schlecht läuft, sind sie froh, wenn ich da bin. Denn ich habe nie vergessen, wie es ist, wenn man sich etwas Großes vornimmt und es dann nicht gelingt. Das ist ein niederschmetterndes Gefühl. Ich versuche auch oft, Geschichten aus meiner aktiven Zeit zu erzählen und ihnen so zu helfen.

Gustl Auinger arbeitet mit alles Fahrern des Red Bull Rookies Cup professionell zusammen, Foto: Red Bull
Gustl Auinger arbeitet mit alles Fahrern des Red Bull Rookies Cup professionell zusammen, Foto: Red Bull

Du hast natürlich eine sehr enge Bindung zu den Fahrern. Läufst du da manchmal Gefahr, einen Fahrer, der dir sympathischer ist, zu bevorzugen?
Natürlich hat man zu manchen Fahrern einen leichteren Zugang als zu anderen und dadurch wird das Arbeitsverhältnis - wenn man es überhaupt so nennen kann - etwas einfacher. Ich komme aber nie in eine Zwickmühle, dass ich jemanden bevorzugen oder benachteiligen könnte. Ich behandle jeden Fahrer so, wie ich glaube, ihm bestmöglich zu helfen und kann nur hoffen, ihn damit zu erreichen.

Du bist ja zusammen mit Harald Bartol, Dani Ribalda, Peter Clifford und Niki Ruhstorfer auch für die Sichtung verantwortlich, wählst also damit die Fahrer für den Cup aus. Wie schwierig ist es, zu erkennen, wer geeignet ist?
Es ist eigentlich irrsinnig leicht. Wir sitzen an einer Stelle der Strecke, die etwas trickreich ist. Noch dazu haben wir als Sichtungsmotorrad eine Zweitakter 125er, die zwar keine Rakete ist, aber viel Verständnis und Gefühl verlangt. Da siehst du sofort, ob jemand spürt, wie das Motorrad reagiert. Da schaue ich rein auf den fahrerischen Aspekt und weiß gar nicht, wer da eigentlich auf dem Motorrad sitzt. Ich kann sie nur an der Startnummer und deren Farbe unterscheiden. Wenn mir einer gefällt, dann notiere ich: Rot, Nummer 5. Am Ende des Tages vergleichen wir dann unsere Listen und die sind meistens ziemlich identisch. So wählen wir aus den zunächst 50 bis 60 Kandidaten 20 bis 25 Fähige aus. Wir haben aber nur zwölf Plätze pro Jahr, also muss am zweiten Tag weiter ausgesiebt werden. Da wird es dann knifflig und ich bin sehr froh, diese Entscheidung nicht alleine treffen zu müssen.

Worauf achtet ihr in der finalen Ausscheidung besonders?
Wir schauen da etwas mehr auf den Hintergrund. In dieser Saison hatten wir beispielsweise einen Fahrer dabei, der bei der Sichtung zum ersten Mal überhaupt auf Asphalt gefahren ist. Der war vorher nur im Speedway unterwegs. Den muss man natürlich schon anders betrachten als etwa einen Spanier, der schon viele Rundstreckenrennen auf höherem Niveau gefahren ist.

Passiert es auch, dass euch ein talentierter Fahrer durch die Finger geht?
Es kommt schon vor, dass jemand hier keine tollen Leistungen zeigt, aus dem Cup ausscheidet und nach ein, zwei oder drei Jahren über einen anderen Weg wieder auftaucht und ich mir nur denke: Wahnsinn, was ist denn da passiert?! Das kann in diesem Alter oft sehr schnell gehen. Wir wollten auch schon einmal einen Fahrer nicht nehmen, weil er mit 13 Jahren noch jung und auch körperlich sehr schmächtig war. Ich habe ihm gesagt, er soll es im nächsten Jahr noch einmal versuchen. Dann ist aber einer der bereits aufgenommenen Fahrer ausgefallen und er hat eine Chance bekommen. Was er dann abgeliefert hat, hätten wir ihm nie und nimmer zugetraut. Es kann also schon passieren, dass man sich von der Statur etwas täuschen lässt.

Johann Zarco: Die besondere Bedeutung seines Helm-Designs (03:04 Min.)

Der Vorzeigeabsolvent des Cups ist Johann Zarco. Er hat die erste Saison 2007 gewonnen und ist mittlerweile zweifacher Moto2-Weltmeister sowie Spitzenpilot in der MotoGP. War für dich damals schon ersichtlich, dass er ein derart großes Talent besitzt?
Das klingt jetzt vielleicht etwas vermessen, weil man im Nachhinein ja immer leicht reden kann, aber eigentlich war das schon damals zu erkennen. Wir hatten in der ersten Saison mit Cristian Trabalon einen Fahrer dabei, von dem alle geglaubt haben, dass er die Konkurrenz in Grund und Boden fährt. Das ist aber nicht passiert. Dann deutete alles auf Lorenzo Savadori hin, der Rennen teilweise in unglaublicher Manier gewonnen hat. Zarco hat sich aber Schritt für Schritt unaufhaltsam an diese Jungs herangearbeitet und sie schließlich ganz klar geschlagen. Man hat schon damals gesehen, dass er eine unglaubliche Ruhe und Konsequenz in seiner Arbeit besitzt. Er ist schon aus einem sehr besonderen Holz geschnitzt.

Mit Matthias Meggle und Kevin Orgis waren in dieser Saison auch zwei Deutsche mit dabei. Meggle wurde Sechster der Gesamtwertung, Orgis Zehnter. Was können wir von den Beiden noch erwarten?
Matthias Meggle hat uns bei der Sichtung 2016 extrem überrascht. Da war er wirklich eine Klasse für sich. Er hat in seinem ersten Jahr im Cup dann nicht das gezeigt, was man erwarten konnte, hat nun aber in Jahr zwei eine tolle Entwicklung gemacht. Er ist ein absoluter Podiumsfahrer und auf Top-5-Niveau in diesem Cup. Auch Kevin Orgis ist in dieser Saison auf das Podest gefahren und hat um Siege gekämpft. Beide Fahrer werden im Cup aber nicht an ihr Maximum kommen.

Warum nicht?
Hier teilen sich alle 25 Fahrer einen Coach und einen Fahrwerksingenieur, je vier Fahrer einen Cheftechniker. Matthias und Kevin brauchen aber eine Bezugsperson für sich alleine, die sie an die Hand nimmt und ein Team, das sie zu 100 Prozent ausreizen können. In unserem Cup haben sie alles aufgesaugt, was sie hier mitnehmen können. Ich hoffe also, dass ihre Leistungen ausreichen, um ein Team zu finden, das sie verpflichten will. Jorge Martin hat es etwa aus dem Cup in die Moto3 zu Aspar geschafft. Das ist ein sehr guter Rennstall bei dem er noch dazu seine Muttersprache reden kann. Das Gleiche ist Enea Bastianini damals bei Gresini gelungen. So etwas ist großartig für junge Fahrer. Da haben es aber leider die Deutschen schwerer als ihre spanischen oder italienischen Kollegen.

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