Valentino Rossi holte beim MotoGP-Rennen am Sonntag seinen 113. Sieg in der Motorrad-WM. Zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere führte er ein Rennen aus Pole Position über die volle Distanz an. 27 Runden lang gab es in Jerez kein Vorbeikommen am Doktor - wenige Meter nach einer kurze Attacke von Lorenzo in Runde 2 ausgenommen.

Lorenzo beklagte sich nach dem Rennen, dass ihm ein rutschendes Hinterrad einen möglichen finalen Angriff auf Rossi unmöglich gemacht hatte. Motorsport-Magazin.com überprüft Lorenzos Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt.

Rossi mit klarem Topspeed-Nachteil

Zunächst zu den nackten Tatsachen, die Lorenzo nicht gut aussehen lassen. Denn der Mallorquiner saß an diesem Tag eindeutig auf der schnelleren Yamaha bzw. hatte sein Bike mehr darauf abgestimmt. In 27 Runden war Rossi bei der Topspeed-Messung auf Start/Ziel nur ein einziges Mal (Runde 20) schneller als Lorenzo. Teilweise fehlten dem Dottore bis zu vier km/h. Auf Marquez, der in der Anfangsphase auch von Lorenzos Windschatten profitierte, sogar noch mehr. Seinen Topspeed-Vorteil konnte der Weltmeister allerdings nicht nutzen, denn auf dem langsamen und kurvenreichen Kurs in Jerez erwies sich an diesem Tag Rossi als der Meister des Umlegens.

Dass die Bedingungen aufgrund der durchdrehenden Reifen nicht einfach waren, zeigt ein Blick auf die Rennzeit. Mit einer Siegerzeit 45:28,834 war Rossi um 31,588 Sekunden langsamer als Lorenzo bei seinem Erfolg im Vorjahr. Es war überhaupt das langsamste Jerez-Rennen seit 2012. Rossi kam mit den Umständen besser zurecht, denn im Vergleich zum Vorjahr war seine schnellste Rennrunde nur 0,904 Sekunden langsamer. Lorenzo hingegen war 2016 auf seiner schnellsten Rennrunde um 1,582 Sekunden langsamer als 2015.

Lorenzos Märchen vom Reifen

"Ich hatte in der Reifenmitte zu viel Wheelspin und war nur noch zu 80% am Gas in jedem Gang. Deshalb konnte ich Rossi nicht mehr einholen und um den Sieg kämpfen. Ich bin frustriert über dieses Problem mit dem Hinterreifen auf der Geraden", lauteten Lorenzos Worte nach Rennende. Für seine Argumentation gibt es aber keinerlei Indizien in den Statistikbögen der Sektor- und Rundenzeiten.

Großer Leistungsabfall ab Rennmitte war bei Lorenzo im Vergleich zu Rossi nämlich keiner zu bemerken. Die Rundenzeiten wurden bei beiden Yamaha-Fahrern gegen Ende deutlich schlechter. Der Unterschied zwischen Lorenzos schnellster und seiner langsamsten Rennrunde (erste und letzte außen vor gelassen) betrug nur 1,710 Sekunden. Der Vergleichswert von Rossi liegt bei 1,922 Sekunden. Auch bei der zweitschnellsten und zweitlangsamsten Runde ist Lorenzos Fenster mit 1,388 Sekunden geringer als jenes von Rossi mit 1,672 Sekunden.

Das bedeutet, dass Rossi deutlich unkonstantere Rundenzeiten gefahren hat bzw. durch abbauenden Reifen vielleicht sogar mehr Zeit verloren hat. Allerdings bewegte sich Rossi von Beginn an auf einem anderen Zeiten-Niveau als der Weltmeister. Lorenzos "Aufholjagd" dauerte lediglich drei Runden. In den 26 Runden (Schlussrunde ausgenommen) war Lorenzo nur in Lap 17 bis 19 schneller als Rossi.

0,523 Sekunden in der 17., 0,174 Sekunden in der 18. und 0,163 Sekunden in der 19. Runde holte Lorenzo auf. Wobei das Diagramm der Rundenzeiten klar zeigt, dass Rossi in Runde 17 ein Fehler unterlief und Lorenzos aufgeholte halbe Sekunde darin begründet war. Am Ende von Runde 19 lag Lorenzo immer noch knapp über zwei Sekunden hinter Rossi. Bei einer weiteren Aufholjagd von 0,17 Sekunden pro Runde (wie in den beiden Umläufen davor) hätten die verbliebenen acht Runden nicht mehr gereicht, um Rossi einzuholen. Da Rossi ab Lap 20 aber ohnehin wieder zulegen konnte, erübrigen sich weitere Zahlenspielchen.

Fazit: Der stärkste Fahrer hat gewonnen

Es war ein klarer Sieg des an diesem Tag stärksten Fahrers. Lorenzo hatte sowohl einen Topspeed-Vorteil, als auch einen geringeren Abfall der Rundenzeiten durch den Reifenabbau. Das von ihm angeführte Problem des durchdrehenden Hinterreifens samt dadurch notwendiger Gasdosierung betraf Rossi ebenso. Der Dottore konnte das Problem aber besser lösen, agierte von den Rundenzeiten generell auf einem anderen Niveau und deshalb hatte Lorenzo am Sonntag schlicht und einfach keine Chance gegen ihn. Auch wenn er sich das in dieser Deutlichkeit nach dem Rennen nicht eingestehen wollte.