Dass Jorge Lorenzo und Valentino Rossi Ausnahmetalente sind, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten. Insgesamt 13 Weltmeistertitel sprechen eine eindeutige Sprache. Umso schwerer wird es, wenn diese beiden Giganten sich den Kampf um den WM-Titel liefern. Nachdem Rossi zu Saisonbeginn vorgelegt hat, zieht Lorenzo nun nach.

Insgesamt fünf Rennen konnte der Mallorquiner für sich entscheiden. Teamkollege Rossi ließ sich allerdings nicht abschütteln und beendete jedes der bisher elf Rennen auf dem Podium. Was für Millionen von Fans ein Grund zu feiern ist, bedeutet für Lorenzo harte Arbeit. Trotzdem bewundert er die Fähigkeiten seines Teamkollegen. "Vale hat ein Level von Konstanz erreicht, dass unglaublich ist. Wenn ich nicht aufs Podium komme, ist es schwierig, mit ihm zu kämpfen", sagt Lorenzo.

Wahre Worte, denn von etwas wie Dominanz oder Punktevorsprung kann im Moment keine Rede mehr sein. Spätestens nach Lorenzos Sieg in Brünn, der ihn auf die exakt gleiche Punktzahl wie Rossi brachte, ist in der WM wieder alles offen. Nicht zu vergessen Weltmeister Marquez, der sich von seinem Formtief am Anfang der Saison erholt zu haben scheint.

Wenn Marc Marquez nicht weiter konstant bleibt, wird der WM-Titel zwischen den Yamaha-Piloten entschieden, Foto: Yamaha
Wenn Marc Marquez nicht weiter konstant bleibt, wird der WM-Titel zwischen den Yamaha-Piloten entschieden, Foto: Yamaha

Die Strecke macht den Unterschied

Beide Yamaha-Piloten haben momentan die Spitze ihres Könnens erreicht und zeigen unfassbare Leistungen. Kaum eine Saison in der Geschichte der MotoGP war offener, was ihr Ende angeht. Oder den Fahrer, der am Schluss ganz oben steht. An den gebrachten Leistungen von Rossi und Lorenzo wird es am Ende der Saison nicht liegen. Viel mehr könnten in den folgenden Rennen die Strecken entscheiden, wer mehr Punkte sammelt als der andere.

Lorenzo sieht sich beim Silverstone-Grand-Prix im Vorteil. "Wenn es trocken bleibt, kommt die Strecke der Yamaha und meinem Fahrstil entgegen", so Lorenzo. Aber der zweifache Weltmeister hat genug Erfahrungen mit dem britischen Wetter, um sich nicht auf gute Umstände zu verlassen. "Gott sei Dank habe ich dieses Rennen gewonnen. In Silverstone wird es wahrscheinlich in einigen Trainings regnen und womöglich auch im Rennen."

Seit seinem heftigen Sturz bei regnerischen Bedingungen in Assen 2013 ist Lorenzo kein Freund von Regenrennen mehr. Zwar erkämpfte er sich nach einer Blitz-OP in Barcelona einen fünften Platz, das Vertrauen ins Motorrad bei Regen blieb dabei jedoch auf der Strecke. Und auch der Ausblick auf das Rennen in Misano bereitet Lorenzo Sorgen. Der "World Circuit Marco Simoncelli" liegt fast in Rossis Vorgarten. Das bedeutet für den italienischen Rekordweltmeister nicht nur einen psychologischen Vorteil, sondern vor allem einen ganz praktischen. Rossi kennt die Strecke in- und auswendig, konnte hier im vergangenen Jahr einen von zwei Siegen in der Saison einfahren.

Gratulation unter Teamkollegen: Inzwischen respektieren sich Lorenzo und Rossi, Foto: Yamaha
Gratulation unter Teamkollegen: Inzwischen respektieren sich Lorenzo und Rossi, Foto: Yamaha

Probleme am Horizont

Genau deshalb sieht Rossi seine Schwierigkeiten auch beim britischen Grand Prix in zwei Wochen. "Silverstone wird ein schweres Wochenende, weil wir in der Vergangenheit dort immer Probleme hatten. Zwar ging es letztes Jahr schon etwas besser, aber Jorge ist dort von seinem ersten MotoGP-Rennen an stark gewesen", äußert Rossi seine Bedenken.

Die Freude über einen Kampf unter Teamkollegen überwiegt dann aber doch. "Es ist unglaublich, dass wir nach elf Rennen nun Gleichstand haben", so der Italiener. "Es wird ein toller Kampf. Jorge ist nach der Sommerpause in großartiger Verfassung zurückgekommen. Ich hoffe, dass wir in Valencia ebenfalls kämpfen können."

Wie man schneller werden kann

Obwohl Rossi sich bewusst ist, dass er es in Silverstone schwer haben wird, bleibt sein Blick in die Zukunft positiv. "Ich denke, es gibt Strecken, wo Jorge stärker ist und es gibt welche, auf denen wir gleich gut sind. Aber so sollte man nicht denken", wiegelt der 36-Jährige ab. "Man sollte immer schauen, wie man schneller werden kann."

Wichtig ist es Rossis Ansicht nach, Schritt für Schritt zu arbeiten und sich den Bedingungen anzupassen. Für Silverstone bedeutete dies mit Regen und Kälte zu rechnen, in Misano mit heißen Temperaturen. "Wir werden es beim nächsten Rennen sehen", schließt Rossi seine Erklärung ab.

Sein Teamkollege räumt Rossi jedoch einige Vorteile ein. "Wir haben einen recht ähnlichen Fahrstil, flüssig und mit viel Kurvengeschwindigkeit. Außerdem sind wir sehr konstant und machen wenig Fehler. Er bremst vielleicht etwas härter und hat deshalb ein anderes Setting, das ihm im Kampf vielleicht ein paar Vorteile bringt", resümiert Lorenzo. "Aber ich habe mehr Kurvengeschwindigkeit und kann sehr konstant fahren. Es hängt von der Strecke und unserem Gefühl ab."