Beim Saisonauftakt in Katar entpuppte sich der harte Vorderreifen in der Schlussphase noch als das große Ass im Ärmel von Valentino Rossi, mithilfe dessen er sich schließlich den Sieg gegenüber Andrea Dovizioso holte. In Austin vertraute Rossi erneut auf diese Strategie und dieses Mal tat es ihm auch Marc Marquez gleich. Jorge Lorenzo, die beiden Werks-Ducatis und Bradley Smith setzten allesamt auf die Medium-Mischung am Vorderreifen.

Der weichere Medium-Slick bot in den ersten Runden wie zu erwarten mehr Performance und so war es Andrea Dovizioso, der zu Beginn des Rennens das Feld anführte. Marquez und Rossi lauerten mit ihren erst langsam ins ideale Arbeitsfenster kommenden harten Vorderreifen direkt dahinter. "Ich habe mich gut gefühlt, wollte aber Reifen für die Schlussphase sparen", verriet der Weltmeister nach dem Rennen. In der fünften Runde reichte es Marquez dann aber scheinbar mit dem Haushalten und er übernahm die Führung von Dovizioso - die entscheidende Phase des Rennens folgte.

In den ersten Runden konnte Dovizioso Marquez noch hinter sich halten, Foto: Ducati
In den ersten Runden konnte Dovizioso Marquez noch hinter sich halten, Foto: Ducati

Für alle Beobachter war klar, dass Valentino Rossi ebenfalls sofort an Dovizioso vorbeigehen musste, wollte er Marquez nicht schon frühzeitig entkommen lassen. Das gelang dem Yamaha-Piloten aber nicht, er hing drei weitere Umläufe hinter seinem Landsmann fest. Zwar wirkte Rossi in manchen Streckenabschnitten, vor allem dem kurvigen ersten und letzten Sektor, überlegen, konnte aber aufgrund der Topspeed-Schwäche seiner Yamaha die pfeilschnelle GP15 Doviziosos nicht überholen.

Ausgewählte Topspeeds der Spitzenpiloten:

FahrerMotorradTopspeed
Marc MarquezHonda337.8km/h
Andrea DoviziosoDucati337.6km/h
Andrea IannoneDucati336.8km/h
Valentino RossiYamaha332.1km/h

Marquez erkannte die Situation perfekt und nutzte die wenigen Runden, in denen Rossi und Dovizioso sich ihre Pace im Zweikampf gegenseitig zunichtemachten, um sich von den Verfolgern abzusetzen. Innerhalb von fünf Umläufe nachdem er die Führung übernommen hatte, konnte der Repsol-Honda-Pilot seinen Vorsprung auf 2,249 Sekunden schrauben. Anschließend beendete Marquez seinen Zwischenspurt und kontrollierte das Tempo an der Spitze ohne großes Risiko, aber auch ohne seine Gegner näherkommen zu lassen.

Rossi versuchte zwar alles, um seinen 14 Jahre jüngeren Widersacher noch abzufangen, doch machte ihm in der zweiten Rennhälfte wie bereits 2014 der Vorderreifen einen Strich durch die Rechnung. Zwar war er dieses Mal wie bereits erwähnt auf der harten Mischung, also dem gleichen Reifen wie Marc Marquez unterwegs und nicht wie im Vorjahr auf dem Medium, doch der Front-Slick Rossis hielt erneut nicht Stand. Während Marquez kaum Probleme mit dem Verschleiß hatte, war auf der rechten Reifenflanke an der Yamaha mit der Nummer 46 der Abrieb deutlich zu sein. Die M1 der Generation 2015 war also offensichtlich auch in Austin ein Reifenfresser. So passierte was die Wenigsten noch für möglich gehalten hatten und Dovizioso konnte Rossi Platz zwei noch einmal entreißen, vor allem Dank einer hervorragenden 16. Runde, in der er seinem großen Landsmann fast sechs Zehntel abnahm, ihn überholte und bis zur Zielflagge keinen Konter mehr zuließ.

Den zwischenzeitlichen zweiten Platz konnte Rossi nicht verteidigen, Foto: Yamaha
Den zwischenzeitlichen zweiten Platz konnte Rossi nicht verteidigen, Foto: Yamaha

Lorenzo verschläft die Startphase

Ein Mann, der in Austin nie in den Kampf um die Podiumsplätze eingreifen konnte, obwohl er offensichtlich die Pace dazu gehabt hätte, war Jorge Lorenzo. Der Mallorquiner ging in den ersten Runden des Rennens, obwohl mit dem weicheren Medium-Reifen am Vorderrad bestückt, viel zu vorsichtig ans Werk, verlor von Startplatz vier aus einen Rang an Bradley Smith und riss schon in den ersten drei Runden 2,2 Sekunden Rückstand auf. In der Folge fand er nicht nur keinen Weg vorbei am Briten auf der Kunden-Yamaha, sondern musste auch noch dem von hinten heranstürmenden Andrea Iannone Platz machen. Erst in der elften Runde konnte Lorenzo Smith überholen und hatte fortan freie Fahrt.

Die kommenden fünf Umläufe waren die einzige Phase des Rennens, in der Rossi, Dovizioso und Lorenzo ohne Überholmanöver auskamen. Die Rundenzeiten in diesem Abschnitt spiegeln also wohl am ehesten die Pace der Beteiligten wieder und da zeigte Lorenzo, was wirklich in ihm steckt. Er fuhr praktisch dieselben Zeiten wie die beiden Italiener auf Rang zwei und drei, war insgesamt sogar drei Zehntel schneller als Dovizioso und nahm Rossi fast 1,3 Sekunden ab.

Der Angriff Lorenzos kam aber wesentlich zu spät, auch weil er noch an Andrea Iannone vorbei musste, bevor er überhaupt Jagd auf Rossi und Dovizioso machen hätte können. Iannone auf der zweiten Ducati, der ähnliche Reifenprobleme wie Valentino Rossi hatte, konnte er zwar noch abfangen, mehr war für ihn aber nicht mehr drinnen. Zugutehalten muss man Lorenzo, dass er das gesamte Wochenende mit einer hartnäckigen Bronchitis kämpfte und sich deshalb vielleicht nicht stark genug für einen vollen Angriff fühlte.