USA

Die USA und Motorräder: Zweirad-Fans assoziieren damit unvermeidlich kraftvolle Maschinen und die schier unendliche Weite amerikanischer Highways. Aber auch im Rennsport waren diese beiden Begriffe nur allzu lange eng miteinander verbunden und vor allem eines - erfolgreich. Ältere Semester werden sich an die für die Vereinigten Staaten glorreichen Achtzigerjahre der Motorrad-WM zurückerinnern, als etwa zwischen 5. September 1982 und 5. Mai 1985 über zweieinhalb Jahre lang und 28 Rennen in Folge das oberste Treppchen bei den Siegerehrungen der 500cc-Klasse stets Fahrern aus den USA vorbehalten war. Mit 154 Siegen in der Königsklasse belegen die Amerikaner hinter Italien Rang zwei der ewigen Bestenliste, 15 WM-Titel durch sieben verschiedene Fahrer bedeuten Rang drei hinter Italien und Großbritannien unter den erfolgreichsten Motorrad-Nationen.

Kenny Roberts senior wurde als Rookie Weltmeister, Foto: Milagro
Kenny Roberts senior wurde als Rookie Weltmeister, Foto: Milagro

Die USA und die WM - das war keine Liebe auf den ersten Blick. In den 50er und 60er Jahren war der Erfolg noch in weiter Ferne. Pat Hennen machte in den 70ern den Auftakt - er war der erste US-Boy, der den europäischen Rivalen ernsthaft die Stirn bieten konnte. Im August 1976 holte Hennen im finnischen Imatra den ersten GP-Sieg für die USA in der Königsklasse. Zwei weitere Siege in der WM folgten, ehe er nach einer Rekordrunde auf der Isle of Man stürzte, gegen einen Randstein prallte und seine Karriere schwer verletzt im Alter von nur 25 Jahren beenden musste. Der sportliche Aufstieg seiner Nation hatte aber eben erst begonnen. Denn im Jahr von Hennens Unfall hatte ein um zwei Jahre älterer Kalifornier den Sprung über den Atlantik gewagt und war gerade drauf und dran, die erfolgsverwöhnten Briten und Italiener vorzuführen: Kenny Roberts. Mit markigen Sprüchen in der WM vorstellig geworden, ließ er seinen Kampfansagen auf der Strecke Taten folgen. Nach vier Saisonsiegen entthronte er in seiner Rookie-Saison den amtierenden britischen Doppelweltmeister Barry Sheene. Weltmeister im Debütjahr - ein Kunststück, das erst Marc Marquez im vergangenen Jahr wiederholen konnte. In den beiden Folgejahren verteidigte Roberts seinen Titel und fuhr bis zu seinem WM-Aus 1983 satte 22 Erfolge ein.

Das war die endgültige Initialzündung für die goldene Generation. 1982 stieg Freddie Spencer in den WM-Zirkus ein und gewann in Spa-Francorchamps im Alter von nur 21 Jahren als bis dahin jüngster Pilot ein 500cc-Rennen - ein Rekord, der 2013 erst von Marquez geknackt werden konnte. 1983 folgte Eddie Lawson Spencer in die WM, ein Jahr später Wayne Rainey und 1985 der charismatische Texaner Kevin Schwantz. Diese vier Fahrer sollten zwischen 1983 und 1993 nur einen WM-Titel verpassen. Gemeinsam mit dem vierfachen Vizeweltmeister Randy Mamola, dem vierfachen GP-Sieger John Kocinski und Doug Chandler hatte die US-Fraktion die Königsklasse der Motorrad-WM über ein Jahrzehnt lang fest im Griff. Neben der eingangs erwähnten Siegesserie von 28 Rennen in Folge fallen nicht weniger als 47 Doppel-, 21 Dreifach-, zwei Vierfach- und der bislang letzte Fünffachsieg einer Nation (beim Ungarn GP 1992) in diese Dominanzphase gegen die sogar der aktuelle Erfolgslauf der Spanier wie ein Intermezzo wirkt. Anfang der 90er Jahre verabschiedete sich aber ein Star nach dem anderen aus der 500cc-Klasse. Spencer oder Lawson gingen nach längeren Serien ohne Siege freiwillig, Rainey wurde durch seinen schlimmen Unfall in Misano aus seinen WM-Träumen gerissen und an den Rollstuhl gefesselt und Schwantz verlor trotz Erfolgen die Motivation. 1995 mussten die USA die erste Saison ohne Sieg seit fast zwei Jahrzehnten hinnehmen.

Nicky Hayden war 2006 der bislang letzte US-Champion, Foto: Repsol Honda
Nicky Hayden war 2006 der bislang letzte US-Champion, Foto: Repsol Honda

Doch es sollte noch einmal bergauf gehen. Angetrieben von den Erfolgen seines Vaters wagte sich Kenny Roberts junior ab 1995 als Stammfahrer in die 500cc-Klasse. 1999 bereits Vizeweltmeister, setzte er sich ein Jahr später die Krone auf. Bis heute ist die Familie Roberts die einzige, in der Vater und Sohn Weltmeister wurden. Seinem Titelgewinn konnte Roberts allerdings keinen einzigen Sieg mehr folgen lassen und so lag es an Nicky Hayden, den 15. und bislang letzten WM-Gewinn für die USA im Jahr 2006 einzufahren. Für den letzten GP-Sieg der USA sorgte 2011 in Assen Ben Spies. Mit Nicky Hayden stellen die USA 2015 nur noch einen Fahrer in der MotoGP.

Australien

Die australische Motorradgemeinde musste noch länger auf den ersten Titel in der Königsklasse der Weltmeisterschaft warten als ihr US-amerikanisches Pendant. 1987, also erst im 48. Jahr der 500ccm-Klasse, sicherte sich Wayne Gardner als erster Australier den Sieg in der Gesamtwertung. Mitten in der dominantesten Phase der US-Boys fuhr er den Amerikanern nur so um die Ohren und holte sich mit sieben Erfolgen in 15 Grands Prix den Titel. Für Gardner blieb es der einzige Titel, dennoch wird ihm im australischen Motorradsport eine ähnlich entscheidende Position zu Teil wie das für Kenny Roberts in den USA gilt. Er löste Down Under den ersten großen Hype um die Weltmeisterschaft aus und ebnete so den Weg für alle australischen Piloten nach ihm, der Legendenstatus in seiner Heimat sowie die Aufnahme in die Hall of Fame der MotoGP sprechen Bände.

Wayne Gardner wurde als erster Australier 500ccm-Weltmeister, Foto: Milagro
Wayne Gardner wurde als erster Australier 500ccm-Weltmeister, Foto: Milagro

Zwei seiner Landsmänner schafften es, in seine Fußstapfen zu treten. Der erste war Mick Doohan. Bereits in den Saisons 1991 und 1992 schrammte er nur ganz knapp am großen Coup vorbei und musste sich jeweils mit dem Vizeweltmeistertitel begnügen. Doch 1994 schlug seine große Stunde. Mit neun Saisonsiegen, davon sechs in Serie, fuhr er die Konkurrenz in Grund und Boden und landete in jedem einzelnen Rennen auf dem Podium. Dieser Weltmeistertitel sollte aber erst der Beginn einer Erfolgsserie sein, wie sie außer Doohan bisher nur Giacomo Agostini und Valentino Rossi gelang. Auf Honda gewann er fünf Mal in Folge die Weltmeisterschaft und ließ die Rekorde nur so purzeln. Doohans Karriere sollte allerdings 1999 ein jähes Ende nehmen. Beim Training zum Grand Prix von Spanien in Jerez stürzte er in Kurve vier bei mehr als 200 km/h schwer und brach sich sein ohnehin bereits lädiertes rechtes Bein. Zwei Platten und zwölf Schrauben mussten ihm eingesetzt werden, an einen Renneinsatz war nicht mehr zu denken. Doohan zog sich vom Profisport zurück.

Casey Stoner ist der einzige MotoGP-Champion auf Ducati, Foto: Ducati
Casey Stoner ist der einzige MotoGP-Champion auf Ducati, Foto: Ducati

Es sollte neun Jahre dauern, bis es für die Motorradfans in Australien wieder Grund zum Jubeln gab. Im Jahr 2006 wagte ein schmächtig wirkender Bursche namens Casey Stoner als 250ccm-Vizeweltmeister den Sprung in die MotoGP. Nach einem Lehrjahr im Honda-Kundenteam von Lucio Cecchinello, in dem er bereits einige Male sein Talent unter Beweis stellte, wechselte Stoner 2007 zu Ducati. Die Leistungen, die der Mann mit der Nummer 27 dort ablieferte, versetzten die gesamte Fachwelt und insbesondere seine Konkurrenten in Staunen. Auf der Desmosedici, mit der in den vier Saisons zuvor nur sieben Rennen gewonnen werden konnten, fuhr Stoner zehn Mal als Erster durchs Ziel und sicherte sich souverän den Titel. Nach drei weiteren Jahren mit den Italienern und einem Vizeweltmeistertitel sowie zwei vierten Plätzen in der Gesamtwertung ging die erfolgreiche Partnerschaft zwischen Stoner und Ducati mit Ende der Saison 2010 in die Brüche. Honda sagte artig 'Danke', sicherte sich für die folgende Saison die Dienste des Ausnahmetalents und wurde keineswegs enttäuscht. Stoner wiederholte sein Kunststück von 2007, feierte erneut zehn GP-Erfolge in einem Jahr und ließ der Konkurrenz nicht den Hauch einer Chance. Stoner war zu diesem Zeitpunkt erst 26, zahlreiche weitere Titel hätten noch folgen können. Doch 2012 beschloss der durchaus als exzentrisch geltende Mann aus New South Wales, dass die MotoGP in dieser Form keinen Reiz mehr auf ihn ausübte und beendete seine aktive Karriere.

Plötzlich stand die Motorradgroßmacht Australien, die seit dem ersten Titelgewinn durch Wayne Gardner neben den USA mit je acht Titeln die erfolgreichste Nation darstellt, für 2013 ohne einen einzigen Piloten in der Königsklasse da. Schließlich schaffte mit Bryan Staring zwar noch ein Australier den Sprung in die MotoGP, von den Erfolgen Casey Stoners hätte er aber nicht weiter entfernt sein können. Nach einer Saison kam für ihn wenig verwunderlich das Aus. 2014 hielt Broc Parkes die australischen Fahnen hoch, große Sprünge gelangen aber auch ihm nicht. Der 32-jährige Rookie musste sich sogar Vorwürfe gefallen lassen, er habe den MotoGP-Platz lediglich seiner Herkunft zu verdanken, da die Dorna dem australischen Publikum unbedingt irgendeine Identifikationsfigur bieten wollte. Ein mehr als deutliches Anzeichen für die aktuelle Krise des australischen Motorradsports.

Die Zukunft

USA 2. Australien 1. Das ist kein Fußballergebnis, sondern die diesjährige Fahrerstärke der einst so gefürchteten Motorradnationen in der diesjährigen Startaufstellung der MotoGP. Nicky Hayden und Colin Edwards bzw. Broc Parkes waren die letzten Relikte einer erfolgreichen Vergangenheit. Podiumsplätze oder Siege? Für diese drei Piloten in der abgelaufenen Saison unmöglich. Doch ist Besserung in Sicht?

Jack Miller könnte 2015 die australische Ehre retten, Foto: LCR Honda
Jack Miller könnte 2015 die australische Ehre retten, Foto: LCR Honda

In absehbarer Zeit kommt für ganz große australische Erfolge in der MotoGP eigentlich nur eine Person in Frage. Dummerweise hat diese keine Lust mehr auf die Königsklasse. Gemeint ist natürlich Casey Stoner, der die Zeit seit dem MotoGP-Ausstieg in seiner Heimat genießt. "Ich habe einfach die Liebe zu diesem Sport verloren. Es fehlte an Respekt von vielen Leuten und mir hat die Richtung, die es genommen hat, nicht gefallen", erläuterte er nach dem Rücktritt 2012 seine Beweggründe. Das bedeutet aber auch, dass ein Comeback Stoners nicht vollkommen ausgeschlossen ist, wie er selbst bestätigt: "Wenn ich sehe, dass sich der Sport dramatisch ändert und für mich wieder interessant wird, gibt es eine Chance." Sollte der zweifache Champion aber nie mehr in die MotoGP zurückkehren, lasten die Hoffnungen wohl auf Jack Miller. Nach starken Leistungen in Diensten des Racing Team Germany wechselte er 2014 in das KTM-Werksteam von Aki Ajo. Dort fuhr er den Vizeweltmeistertitel ein und wagte den direkten Sprung zu LCR Honda in die MotoGP.

Vielleicht liegt es aber auch wieder an der Familie Gardner, die australische Ehre zu retten. Waynes Sohn Remy, der im Februar erst seinen 16. Geburtstag feierte, gab in diesem Jahr sein Debüt in der Moto3-Weltmeisterschaft. In den letzten zwei Jahren fuhr er bereits in der spanischen CEV-Meisterschaft und lieferte dort einige Talentproben ab. 2015 wird er für CIP seine erste volle Saison in der Moto3-WM bestreiten.

Nicky Hayden wird 2015 der einzige US-Amerikaner in der Weltmeisterschaft sein, Foto: Aspar
Nicky Hayden wird 2015 der einzige US-Amerikaner in der Weltmeisterschaft sein, Foto: Aspar

Schlechter als in Australien sind die Aussichten für die USA. In den beiden unteren Klassen findet sich 2015 kein einziger US-Fahrer. Auch Veteran Colin Edwards zeichnet eine eher düstere Zukunft: "Es gibt ein paar Talente, spontan fällt mir da jetzt Cameron Beaubier oder Joe Roberts ein. In den nächsten zwei Jahren sehe ich zwar keinen, der es in die MotoGP schaffen könnte, aber es gibt ein paar Leute, die es in ein paar Jahren packen können." Eines eint Australier und US-Amerikaner: die Entfernung zu Europa, dem Kernkontinent der MotoGP, wo beinahe alle Teams stationiert sind, die wichtigsten Nachwuchsserien stattfinden und ein Großteil der Rennen im WM-Kalender. Strebt man eine Karriere über Europa an, heißt das für die jungen Talente der Heimat früh den Rücken zu kehren. Das ist nicht nur eine Einstellungsfrage, sondern auch eine der finanziellen Mittel. Edwards will derartige Ausreden aber nicht gelten lassen. "Es ist definitiv ein kleiner Nachteil, aber in erster Linie geht es um die richtige Einstellung. Wenn du schon so ankommst und mit eingezogenen Schultern kleinlaut meinst: 'Ich werde versuchen, das Rennen zu gewinnen', kannst du es gleich lassen", so Edwards. Genau diese nötige Mentalität machte ihn - obwohl er nie ein MotoGP-Rennen gewann - berühmt und mit genau dieser Einstellung läutete Kenny Roberts einst das glorreiche Zeitalter der US-Boys ein.

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