Aus der Masse der jungen Piloten in der Moto3- und Moto2-Weltmeisterschaft stechen nur wenige heraus. Ein paar durch besondere Leistungen auf der Strecke, andere durch ihre Persönlichkeit auch abseits des Renngeschehens. Doch nur einer von ihnen vereint die zwei Wesenszüge des großartigen Racers und des charakterlichen Individualisten in sich. Sein Name ist Jack Miller, er nennt sich selbst am liebsten Jackass, kommt aus Australien und ist gerade einmal 19 Jahre jung.

Dass er anders als seine Konkurrenten in der kleinsten Klasse der Motorrad-Weltmeisterschaft ist, zeigt Miller regelmäßig. Während bei vielen Piloten der PR-Sprech regiert und ihnen nicht viel mehr zu entlocken ist, als dass sie glücklich sind und das Team heute auch total super war, teilt der Australier seine Ansichten ganz offen mit Journalisten und Fans. Da werden auch Dinge deutlich kritisiert oder das ein oder andere Schimpfwort eingebaut.

Miller konnte 2014 bereits vier Rennen gewinnen, Foto: Milagro
Miller konnte 2014 bereits vier Rennen gewinnen, Foto: Milagro

Jackass gibt sich einfach genauso wie er ist. Das ist ungewöhnlich im modernen Motorsport, aber ebenso erfrischend und erfreulich. Warum sollte dieser junge Mann abseits der Norm nicht auch bei seiner Karriereplanung neue Wege beschreiten? Seit Jahren durchliefen alle Fahrer in der Weltmeisterschaft den exakt gleichen Weg. Ein paar Jahre Moto3 oder 125er, dann einige Saisons Moto2 oder 250er und dann der Sprung in die 500er oder MotoGP. Das mag vielleicht der logischste und einfachste Ablauf sein, aber muss es denn auch der erfolgreichste sein? Natürlich gibt es Piloten wie Marc Marquez, Dani Pedrosa oder Jorge Lorenzo bei denen das ausgezeichnet funktioniert hat, aber es gibt auch Fahrer wie Hector Barbera, Mike di Meglio oder Hiroshi Aoyama, die eben diesen Weg gegangen sind und nun im hinteren Bereich oder gar am Ende des MotoGP-Feldes versauern.

Da könnte ein früherer Schritt in die Königsklasse mehr Erfolg bringen. Eine Meinung, die auch jemand vertritt, der es wissen muss. Freddie Spencer war vor seinem ersten vollen 500ccm-WM-Jahr für Honda exakt zwei Rennen in irgendeiner Klasse der Weltmeisterschaft gefahren, belegte in seiner Debütsaison gleich Rang drei und krönte sich ein Jahr später zum Champion. Zwei Jahre später ließ er in einer Saison die Titel bei den 250ern und 500ern folgen. Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com hält er den Wechsel für machbar.

"Es ist definitiv ein großer Schritt, von einem Moto3-Bike auf die MotoGP-Maschine zu wechseln. Es kommt aber auf die Fähigkeit des Fahrers an, sich anzupassen und diszipliniert zu sein. Auf diesem Niveau, also in der MotoGP, braucht man mehr Disziplin. Man muss die Dynamik der Reifen verstehen, mit der Beschleunigung umgehen können, sich daran gewöhnen, dass man weniger Zeit hat und die vielen Anpassungen am Motorrad, die man machen muss, kennen lernen. Man muss sich um so viel kümmern, aber Fahrer auf diesem Niveau können das. Ich denke, dass es möglich ist", so der US-Amerikaner.

Anpassungsfähigkeit als Trumpf

Tatsächlich hat Miller bereits unter Beweis gestellt, dass es ihm nicht schwer fällt, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Neun Testtage vor der Saison 2014 reichten ihm aus, um sich von der FTR-Honda, die er noch im Vorjahr beim Racing Team Germany pilotierte, auf die Werks-KTM im Team von Aki Ajo umzustellen. Gleich das erste Saisonrennen in Katar entschied Miller für sich und führt die Gesamtwertung der Moto3 nach wie vor an.

Jackass vertraut in sein Können, Foto: Milagro
Jackass vertraut in sein Können, Foto: Milagro

Zugute kommt Miller auch die Tatsache, dass der Sprung von der Moto3-Maschine auf das rund 200 PS stärkere MotoGP-Bike zwar nach wie vor gewaltig, aber bei weitem nicht mehr so groß wie einst im Zweitakt-Zeitalter von einer 125er auf ein 500ccm-Motorrad.

Der Schritt des australischen Youngsters ist also sicher mutige, ein ungewöhnlich und ein bisschen riskant. Er ist aber nicht grundlegend falsch, dumm oder leichtsinnig. Es ist lediglich der unkonventionelle Schritt eines ebensolchen Piloten. Und eben dieser Mut zum Anderssein ist es doch, den wir uns alle in der zusehends glattgebügelten und gleichgestriegelten Welt des Motorsports wünschen.