Mit dem Ende der dreitägigen Tests in Valencia verabschiedete sich die MotoGP am Mittwochnachmittag endgültig für das Jahr 2013. Die drei jeweils fünfstündigen Sessions auf dem Circuit Ricardo Tormo boten unmittelbar nach dem spannenden Saisonklimax am Sonntag reichlich Diskussionsstoff und lieferten erste Eindrücke der Teams und Fahrer für die kommende Saison. Bei fast durchgängig sonnigem und warmem Wetter von bis zu 25 Grad drehten die insgesamt 22 Fahrer der zwölf teilnehmenden Teams 2318 Runden, durchschnittlich also knapp dreieinhalb Renndistanzen.

Schnellster Pilot war erwartungsgemäß Weltmeister Marc Marquez, der auf einem 2014er-Honda-Prototyp mit seiner Bestzeit von 1:30.287 Minuten nur knapp hinter seinem Streckenrekord vom Qualifying am Samstag zurückblieb. Direkt hinter Marquez platzierte sich Tech 3 Yamahas Bradley Smith mit lediglich rund 0,3 Sekunden Rückstand. Besonders beeindruckend: Yamaha-Superstar Jorge Lorenzo kam auf seinem schnellsten Umlauf lediglich auf knapp eineinhalb Zehntelsekunden an den Markenkollegen heran. Als fleißigster Pilot erwies sich Pramac Ducati-Fahrer Andrea Iannone, der 186 Umläufe auf dem knapp vier Kilometer langen Kurs absolvierte. Auf den Rängen zwei und drei der Rundentabelle fanden sich Ducati-Testfahrer Michele Pirro mit 155 gedrehten Schleifen sowie Stefan Bradl mit 154 Umläufen.

In unserem großen Testrückblick präsentiert euch Motorsport-Magazin.com alle Tops und Flops der Valencia-Testtage und wagt eine erste vorsichtige Einschätzung der neuen Kräfteverhältnisse.

Tops: Marquez, Bradl, Smith, Lorenzo

Wenig überraschend ist Weltmeister Marc Marquez mit seinen beiden Tagesbestzeiten am Dienstag und am Mittwoch für uns der Topperformer der Valencia-Tests. Setzte Marquez noch am Montag nach ausgiebiger Meisterfeier komplett aus, zeigte er bereits am Dienstag weltmeisterlichen Einsatz und Arbeitseifer und testete auf insgesamt drei verschiedenen Maschinen für nicht weniger als 77(!) Runden. Am letzten Testtag drehte Marquez auf seinem besten Motorrad, einem Honda-Werksprototyp für 2014, noch einmal 13 Runs mit insgesamt 56 Runden und scheiterte nur knapp am eigenen Rundenrekord.

Stefan Bradl zeigte an allen drei Testtagen eine konstant starke Leistung, Foto: Milagro
Stefan Bradl zeigte an allen drei Testtagen eine konstant starke Leistung, Foto: Milagro

Stefan Bradl beeindruckte an allen drei Testtagen mit schnellen Zeiten und konstanten Longruns und ist somit nicht aus den Tops des Tests wegzudenken. Nach Tagesrang vier und drei auf der LCR-Honda der Saison 2013 kam Bradl am Mittag des letzten Testtages gar in den Genuss, die neue Honda-Werksmaschine für 2014 testen zu dürfen. Als drittfleißigster aller Fahrer erzielte er am Mittwoch zudem nicht nur erneut die drittschnellste Tageszeit, sondern ebenfalls die viertschnellste des gesamten Tests. Kommentar Bradl: "Ich habe mich im Laufe der Valencia-Woche fahrerisch noch einmal deutlich verbessert."

Zu Beginn der Saison 2013 stand Rookie Bradley Smith klar im Schatten des Tech 3-Teamkollegen Cal Crutchlow. Spätestens ab Mitte der Saison schloss er die Lücke zum etablierten Mitstreiter jedoch stetig und zeigte mit der zweitschnellsten Testzeit von 1:30.598 Minuten sowie konstant schnellen Longruns, dass er nach Crutchlows Weggang die Rolle der Nummer 1 im 'Monster-Team' mehr als nur annehmen will.

Nach seiner knappen Niederlage im WM-Kampf mit lediglich vier Punkten Rückstand auf Marquez zeigte Yamaha-Superstar Jorge Lorenzo den Charakter eines Champions. Bereits am Tag nach dem Rennen testete er verbissen auf dem Prototyp für die kommende Saison, absolvierte 48 Runden und erzielte mit 1:31.257 Minuten die erste Tagesbestzeit der Tests. Mit einer deutlichen Steigerung auf 1:30.768 Minuten an Tag zwei reihte sich Lorenzo knapp 0,2 Sekunden hinter Erzrivale Marquez ein, beendete nach weiteren 60 Runden den Test jedoch vorzeitig. "Wir haben bereits alle relevanten Daten gesammelt und können diese extrem lange Saison nun positiv beenden", ließ Lorenzo am Dienstagabend verlauten. Das fast perfekte Ende einer fast perfekten Saison für den achtmaligen Rennsieger 2013...

Flops: Crutchlow, Hayden, Bautista

Cal Crutchlow folgte seinem Wunsch nach einer Werksmaschine zu Ducati, könnte diesen Schritt aber bitter bereuen. Trotz Neuzugang des Aprilia-Masterminds Gigi Dall'Igna scheint die Ducati Konkurrenz und eigenen Ansprüchen weit hinterherzuhängen, wie die lediglich zwölftbeste Gesamtzeit Crutchlows von 1:31.875 Minuten schonungslos offenbart. Sowohl bei der Topzeit als auch den Longruns hängt 'Crutch' somit nicht nur Ex-Teamkollege Smith weit hinterher, sondern sogar auch Nachfolger und MotoGP-Rookie Pol Espargaro, der bei seinem ersten Auftritt in der Königsklasse einigen etablierten Fahrern eine lange Nase zeigte. "Es war mir klar, dass wir viel Arbeit vor uns haben und wohl auch beim Saisonstart 2014 noch Defizite haben werden", ließ Crutchlow zwar im Anschluss an die Tests verlauten. Die Frage, was seinen Wechsel motoviert hat, wenn der sportliche Rückschritt offensichtlich war, kann somit jedoch sicher nicht beantwortet werden.

Ducati-Pilot Cal Crutchlow hing mit seinem neuen Team im Niemandsland der Zeitentabellen fest, Foto: Ducati
Ducati-Pilot Cal Crutchlow hing mit seinem neuen Team im Niemandsland der Zeitentabellen fest, Foto: Ducati

Der Ex-Weltmeister der MotoGP 2006 Nicky Hayden dürfte mit seinem ersten Auftritt bei Aspar ebenfalls alles andere als zufrieden sein. So lag er mit Tagesbestzeiten von 1:32.576 Minuten am Dienstag sowie 1:32.123 Minuten am Mittwoch jeweils hinter seinem vorigen Arbeitgeber Ducati zurück, zudem jeweils deutlich außerhalb der ersten Zehn. Auch auf den Longruns erwies sich Haydens Paket gegenüber den direkten Kontrahenten nicht als konkurrenzfähig, weswegen bis zur nächsten Saison einige Überstunden fällig sein dürften. Ansonsten könnte wohl auch Nicky seinen Wechsel schon nach kurzer Zeit bereuen...

Viele Fahrer im Feld würden wohl gerne mit Alvaro Bautista tauschen, jedoch hat sich seine Position in der Honda-Familie durch die Tests sicherlich nicht verbessert. An den von der vierköpfigen Honda-Armada dominierten Sessions in Valencia belegte Bautista mit zwei fünften Tagesrängen jeweils den letzten Platz im Honda-Quartett. Zudem stürzte er am Mittwochmorgen mit der neuen Werksmaschine 2014 und bekam anschließend ein Testverbot für die neue Wunderwaffe auferlegt, die an Bradl überging. Nachdem Bautista bereits in der abgelaufenen Saison nur durch Bradls Verletzung kurz vor Saisonende als drittbester Honda-Fahrer abschloss, wird er 2014 nicht nur seinem Arbeitgeber einiges zu beweisen haben.

Hersteller-Ranking: Honda, Yamaha, Ducati

Trotz der Glanzlichter von Lorenzo und Smith gingen die Tests in Valencia klar an Honda. Nachdem am Montag lediglich Bradl auf einer der Top-Hondas testete, sicherte sich Yamaha mit Lorenzo und Valentino Rossi zwar die Doppelspitze, jedoch verging diese Momentaufnahme mit Rückkehr der "Big Guns" Marquez und Dani Pedrosa nahezu augenblicklich. Zusammen mit Bautista platzierten sich alle vier Honda-Piloten an Dienstag und Mittwoch bereits früh unter den ersten fünf. Zudem fuhr Marquez bei äußert Honda-affinen Bedingungen mit bis zu 25 Grad Luft- und Maximalwerten von 33 Grad Asphalt-Temperatur zu zwei überlegenen Bestzeiten.

Ob das Kräfteverhältnis zwischen Konstrukteurs-Weltmeister Honda und Vize Yamaha auf sämtlichen Strecken ähnlich ausfallen würde, bleibt bis zur kommenden Saison wohl ein Geheimnis. Hervorgehend aus dem Bild der vergangenen Weltmeisterschaft sowie auch der Tests drängt sich jedoch das Gefühl auf, dass lediglich das Ausnahmekönnen von Lorenzo dazu in der Lage sein wird, das Yamaha-Level über längere Zeit neben oder sogar knapp über das des Klassenprimus Honda zu heben.

Als klare Nummer drei in Valencia präsentierte sich Ducati, die mit den beiden Werksfahrern Andrea Dovizioso und Crutchlow, den Pramac-Piloten Andrea Ianone und Yonny Hernandez sowie Testfahrer Michele Pirro zwar fünf Motorräder im Einsatz hatten, jedoch sowohl bei den Bestzeiten als auch auf den Longruns weiter einem Rückstand auf die Spitzenteams hinterherlaufen. Zwar spulten die Ducati-Fahrer mit Abstand die meisten Testrunden ab, um Daten für die Entwicklung einer konkurrenzfähigeren Maschine zu sammeln, jedoch darf angesichts der Qualität des Personals bei Honda und Yamaha auf und abseits der Strecke bezweifelt werden, dass die Lücke für die nächste Saison signifikant geschlossen werden kann.

Bester Neuling: Espargaro, Redding, Bauer

Wie bereits in der abgelaufenen Moto2-Saison triumphierte Pol Espargaro über seinen härtesten Widersacher Scott Redding und sicherte sich somit unseren Titel des besten Neulings. Trotz großer Umstellung auf eine Elektronik-unterstützte MotoGP-Maschine, die ein gänzlich anderes Fahrverhalten und eine Anpassung der Rennlinie verlangt, zeigte Espargaro von Beginn an sein großes Talent und fand mit einer Bestzeit von 1:33.187 Minuten bereits an Tag eins Anschluss an Mittelfeld-Fahrer der Zweirad-Königsklasse. Nach einer immensen Steigerung von rund 1,3 Sekunden am Dienstag schob sich Espargaro als Neunter in die Top-10 und lag am Mittwoch mit seiner Test-Bestzeit von 1:31.533 Minuten bereits auf Tagesrang sechs.

Neuling Pol Espargaro bestach durch starke Leistungen und stetige Steigerung., Foto: Tech 3
Neuling Pol Espargaro bestach durch starke Leistungen und stetige Steigerung., Foto: Tech 3

Scott Redding, der immer noch an den Folgen seiner schweren Stürze in Australien und Japan leidet, quälte sich mehr schlecht als recht durch die Tests und musste bereits am Montag aufgrund starker Schmerzen vorzeitig vom Bike steigen. Als er nach Erholungsphase auch am Dienstag nicht an seine Bestzeit des Vortages von 1:34.195 Minuten herankam, brach Redding erneut frühzeitig ab. Der Vergleich mit Espargaro ist angesichts des deutlichen Handicaps zwar nicht ganz fair, jedoch reichte alleine die mehr als überzeugende Leistung des Spaniers insgesamt dafür aus, ihn in diesem Ranking auf Platz eins zu setzen.

Zusätzlich zu den bereits 2013 in der MotoGP aktiven Teams gesellte sich für die Tests noch der österreichische Rennstall Remus Racing mit dem dreifachen IDM-Champion Martin Bauer, der allerdings nur am Montag testete und in seinen 27 Runden mit einer Bestzeit von 1:35.115 Minuten deutlich den letzten Platz belegte. Remus Racing und Bauer erhoffen sich für 2014 zumindest einige Wildcard-Starts in der MotoGP, scheinen aber nach aktuellem Stand der Dinge nicht annähernd konkurrenzfähig.

Redaktions-Kommentar:

Zwar war es so kurz nach der abgelaufenen Saison 2013 unwahrscheinlich, große Verschiebungen innerhalb der Kräfteverhältnisse zu beobachten, jedoch bewies Honda bereits in der frühen Entwicklungsphase der Rennmaschine für 2014, dass der Weg zum Titel in sämtlichen Wertungen erneut nur über sie laufen wird. Yamaha kann mit seinem Superstar Lorenzo wie immer alles erreichen, jedoch ist von Weltmeister Marc Marquez nichts anderes als eine erneute Steigerung zur kommenden Saison zu erwarten. Da Pedrosa zudem deutlich stärker als Rossi einzuschätzen ist, dürfte sich das Bild an der Spitze der Fahrer-, Team- und Kontrukteurswertung nicht groß ändern.

Tech 3 Yamaha hat in Crutchlow zwar einen gestandenen und fertigen Piloten verloren, in Pol Espargaro jedoch womöglich einen Rohdiamanten der ganz besonderen Art dazugewonnen. Sollte sich der frischgebackene Moto2-Weltmeister im kommenden Jahr ähnlich rasant entwickeln wie Smith in dieser Saison, sollte Tech 3 über ein schlagkräftiges Duo verfügen, das auf sämtlichen Strecken konkurrenzfähig ist und mit etwas Glück die ganz Großen ärgern könnte.

Weniger rosig scheint die nähere Zukunft hingegen für Ducati auszusehen, die ohne ein größeres Wunder weiter nur die dritte Geige im größten Zweirad-Konzert spielen dürften. Cal Crutchlow sieht bereits früh wie der Verlierer des Transfer-Karussels aus und auch Nicky Hayden könnte seinen Wechsel von Ducati zu Aspar noch einmal bereuen. ( Samy Abdel Aal )