Die Motorsportwelt rückt in diesen Tagen wieder einmal eng zusammen und bangt um Robert Wickens. Der Kanadier erlitt bei einem Unfall in Pocono am vergangenen Wochenende schwere Verletzungen und muss mehrfach operiert werden.

Neben Beinbrüchen und einem Armbruch zog sich Wickens Verletzungen an der Wirbelsäule sowie am Rückenmark zu. Der genaue Gesundheitszustand des IndyCar-Rookies ist zum aktuellen Zeitpunkt unklar, er soll sich in einem stabilen Zustand befinden.

Der frühere DTM-Fahrer wird derzeit im Lehigh Valley Hospital - Cedar Crest in Allentown, Pennsylvania behandelt. Demselben Krankenhaus, in dem am 24. August 2015 Justin Wilson verstarb. Der US-Amerikaner war einen Tag zuvor auf dem Pocono Raceway verunfallt. In der Schlussphase des Rennens wurde Wilson von einem umherfliegenden Autoteil am Kopf getroffen und schlug mit hoher Geschwindigkeit in der ersten Kurve ein.

Sind Oval-Rennen zu gefährlich?

Durch den Wickens-Crash, in den insgesamt fünf Autos involviert waren, wurde das IndyCar-Rennen in Pocono binnen weniger Jahre erneut von einem schweren Unfall überschattet. Und wie bei Wilson oder dem 2011 in Las Vegas verstorbenen Dan Wheldon muss sich die IndyCar-Serie wieder einmal die Frage gefallen lassen, ob Oval-Rennen nicht viel zu gefährlich sind.

Keine andere Disziplin ist unter Profi-Rennfahrern so umstritten wie die Rennen in den US-amerikanischen Highspeed-Ovalen, die in den Jahrzehnten zahlreiche Todesopfer gefordert haben. Wickens' Teamkollege und guter Freund, James Hinchcliffe, hatte noch Glück. Bei einem Unfall während des Trainings zum Indy 500 im Jahr 2015 wäre er beinahe ums Leben gekommen. Im Jahr davor wurde Hinchcliffe beim IndyCar Grand Prix von einem herumfliegenden Teil am Helm getroffen und zog sich Kopfverletzungen zu.

Paffett: Das Risiko ist zu hoch

Auch Gary Paffett ist ein langjähriger Freund von Wickens. Die beiden waren Mercedes-Teamkollegen in der DTM, bis der 29-Jährige Ende 2017 den Sprung in die IndyCar-Serie wagte. Für Paffett, dessen sportliche Zukunft ungewiss ist, wäre das keine Option gewesen.

Der Meisterschaftsführende in der DTM sagte in einem Gespräch mit Motorsport-Magazin.com im September 2017: " Ich bin sicher, dass ich keine Indycars fahren würde. Zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere interessiert mich die Serie nicht. Für mein Gefühl ist das Risiko bei den Highspeed-Rennen im Oval zu hoch. Das ist wohl die einzige Serie, bei der ich sagen würde, dass ich mir sie nicht einmal anschauen möchte."

IndyCar: Video zum Horror-Unfall von Robert Wickens in Pocono (01:48 Min.)

Montoyas Rekord: 360,285 km/h

Und das von einem Fahrer, der seit mehr als 20 Jahren professionellen Motorsport betreibt und der tausende Testkilometer in Formel-1-Autos auf dem Buckel hat. Rundstrecke: ja, Oval: nein. Eine Meinung, mit der Paffett bei weitem nicht allein dasteht und die aufgrund der bisherigen schlimmen Unfälle und Todesfälle bei Oval-Rennen nicht unbegründet erscheint.

Die Sicherheit auf Oval-Rennstrecken steht immer wieder im Fokus - auch wegen der extremen Geschwindigkeiten, die die IndyCars dort imstande zu leisten sind. Den Rekord auf dem Pocono Raceway hält Juan Pablo Montoya. Der frühere Formel-1-Pilot erreichte 2014 im Qualifying eine Höchstgeschwindigkeit von 360,285 km/h. Im anschließenden Rennen betrug die Durchschnittsgeschwindigkeit aller Fahrer 325,9 km/h.

Massa winkt ab: Habe ja auch einen Sohn...

Während Montoya den Weg in die USA nicht scheute, winkte ein anderer ehemaliger Formel-1-Fahrer bei der Vorstellung eines Oval-Rennens ab: Felipe Massa. "Ich war nicht interessiert an IndyCar", sagte der Brasilianer kurz nach seinem Einstieg in die Formel E. "Das ist eine Meisterschaft, die ein bisschen gefährlicher ist. Da muss ich nicht riskieren, in der Mauer zu landen. Meine Frau hat immer gesagt: 'Geh nicht zu den IndyCars'. Ich sagte okay und ich habe ja auch einen Sohn..."

Dabei konnte Massa den Reiz der ultraschnellen Rennautos sicherlich nachvollziehen. Der 37-Jährige: "Ich höre auf das, was ich zuhause gesagt bekomme, denn: Wenn du im Auto sitzt, denkst du nicht an Risiken. Das Risiko realisierst du erst, nachdem du einen dicken Unfall hattest. Das kenne ich ja auch. Aber beim Fahren denkst du nicht an so etwas, da willst du nur dein Bestes geben."

IndyCar-Saison 2018: Sechs Oval-Rennen

Mit dieser nachvollziehbaren Einstellung wird auch Wickens sein erstes Pocono-Rennen in Angriff genommen haben. Gleichzeitig das fünfte Oval-Rennen seiner jungen IndyCar-Karriere. Zuvor fuhr er bereits auf den Oval-Kursen in Phoenix, Indianapolis, Texas und Iowa. Zum nächsten Rennen gastiert die IndyCar-Serie im Gateway Motorsports Park, dem letzten Oval in der Saison 2018. Dort verzichtet Wickens' Team Schmidt Peterson auf den Einsatz seines Autos mit der Startnummer #6.

Wickens hatte sich im Vorfeld des Rennens vorbereitet. Eine Woche zuvor testete er erstmals auf der Strecke, auf der er später nach einem leichten Kontakt mit Ryan Hunter-Reay in Kurve 2 die Kontrolle verlor, in den Fangzaun katapultiert und mit seinem völlig zerstörten Auto auf die Strecke zurückgeschleudert wurde, wobei er so dicht an Hunter-Reays Cockpit vorbeirauschte, dass sogar die Onboard-Kamera getroffen wurde.

Wickens beim Test: Turn 2 ist ein No-Brainer

Ein No-Brainer sei diese Kurve 2, meinte Wickens noch nach seinem ersten Test, einfach mit Vollgas durch. Die Kurven 1 und 3 empfand er als kniffliger. "Mann, diese Strecke ist eine Herausforderung", stellte Wickens ebenfalls fest. "Es hat schon seinen Grund, warum man die Strecke als 'Tricky Triangle' bezeichnet. Das ist sie wirklich. Es macht Spaß, aber ich brauchte eine lange Zeit, um das Vertrauen zu finden."

Er fand es offenbar rechtzeitig zum Rennwochenende. Im Qualifying fuhr Wickens auf den sechsten Startplatz und untermauerte einmal mehr sein Standing als bester Rookie im gesamten Feld. Seine durchschnittliche Geschwindigkeit auf dem 4 Kilometer langen Kurs einen Tag vor dem folgenschweren Unfall: 350 km/h.