15 Jahre Audi Sport. Für Christopher Mies und den Autobauer aus Ingolstadt endete mit dem Ablauf der vergangenen Saison eine lange und höchst erfolgreiche Ära. Seit 2009, einer im Rennsport gefühlten Ewigkeit, ging der heute 34-Jährige durchgängig mit diversen Modellvarianten des Audi R8 LMS GT3 weltweit bei Rennen an den Start.

Die Ausbeute kann sich sehen lassen: 'Miesi' begann seine Audi-Karriere gleich mit dem Gewinn der FIA GT3-Europameisterschaft. Es folgten zwei Gesamtsiege bei den 12-Stunden-Rennen im australischen Bathurst anno 2011 und 2012 sowie der Triumph in der Blancpain-GT-Meisterschaft, ebenfalls 2012. Zudem trug sich der Heiligenhauser zweimal in die Siegerlisten des 24h-Rennen Nürburgring (2015, 2017) und des ADAC GT Masters (2016, 2021) ein.

Christopher Mies: Audi-Kapitel endet nach 15 Jahren

Nach seinem letzten Rennen Ende November in Adelaide beim Saisonfinale der GT World Challenge Australien schloss sich das Kapitel Audi. Nicht nur für Mies, sondern praktisch für den gesamten Werksfahrerkader, denn: Um den vollen Fokus auf das mehrere Milliarden teure Formel-1-Projekt zu richten, hatte der Audi-Vorstand um den inzwischen abgesetzten CEO Markus Duesmann im Juli vergangenen Jahres folgenschwer entschieden, jegliche Werksunterstützung bei weiteren Motorsportprogrammen wegzurasieren.

Zu diesem Zeitpunkt hatte nicht nur Mies längst geahnt, dass sich bei Audis Kundensportprogramm einiges ändern würde. Das belgische Erfolgsteam WRT hatte sich in Folge des zugunsten der Formel 1 eingestampften LMDh-Projekts bereits in Richtung BMW verabschiedet, ebenso die DTM-Fahrer Rene Rast, Nico Müller oder Kelvin van der Linde.

Christopher Mies mit Ford Mustang GT3 bei den 24 Stunden von Daytona
Schreibt jetzt auch Autogramme für Ford-Fans: Werksfahrer Christopher Mies, Foto: Ford Performance

Mies und Ford: Erste Gespräche Anfang 2023

Ans Aufhören wollte Mies nicht denken, und für einen Fahrer seines Kalibers gepaart mit enormer Erfahrung sollte es nicht lange dauern, bis sich ein neuer Arbeitgeber in Form von Ford fand. Die US-Amerikaner hatten bereits 2021 Studien für den Bau eines GT3-Rennwagens auf Basis des ikonischen Ford Mustang in Auftrag gegeben und das Projekt konsequent mit Multimatic als technischem Partner fortgeführt.

Der Kontakt zwischen Mies und Ford Performance um Motorsportchef Mark Rushbrook entstand früher als es manche glauben würden. "Das erste Gespräch mit Ford hatte ich Anfang letzten Jahres hier in Daytona", erinnerte sich Mies an selber Stelle im Rahmen des diesjährigen 24-Stunden-Rennens im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Ich habe damals Bilder vom neuen Auto gesehen und war überzeugt vom Projekt."

Ford Mustang GT3 bei den Roar-Testfahrten zu den 24 Stunden von Daytona
Neues Pferd im GT-Stall: der Ford Mustang GT3, Foto: LAT Images

Mustang-Mies: "Haben uns gegenseitig beschnuppert"

Während Mies im weiteren Verlauf des Jahres 2023 mit Audi weitere Rennen in der GT World Challenge oder bei den 24 Stunden vom Nürburgring bestritt, intensivierte sich der Austausch mit Ford. "Wir haben uns gegenseitig beschnuppert und geschaut, was möglich sein könnte. Es wurde übers Jahr hinweg intensiver und dann kamen die Neuigkeiten von Audi, dass es nicht weitergeht. Das Interesse war ohnehin da, und dann auch der richtige Zeitpunkt gekommen."

Mies, der Audi Sport eineinhalb Jahrzehnte lang stets loyal gewesen war, hätte sich ein Karriereende bei der Marke mit den vier Ringen im Wappen sicherlich vorstellen können. Ein längerfristiger Vertrag stand im Raum, bis sich die Zeitenwende bei Audi Sport Customer Racing immer mehr andeutete.

"Da habe ich mir schon Gedanken gemacht", sagte Mies. "Und ich hatte so ein Bauchgefühl. Verlängern kann man immer noch, wenn es weitergeht. Ich hatte eher das Gefühl, dass es zu Ende geht. Dazu kam, dass ich die Gespräche mit Ford schon relativ früh geführt hatte. Es war eine bewusste Entscheidung."

Ford Mustang GT3 bei den 24 Stunden von Daytona
Die Ford-Mannschaft mit Mies und Co. bei den 24 Stunden von Daytona, Foto: Ford Performance

Im Ford Mustang GT3 wird deutsch gesprochen

Beim neuen Arbeitgeber trifft Mies auf altbekannte Gesichter: Die US-Amerikaner haben sich ebenso die Dienste des ehemaligen Audi-DTM-Champions, Le-Mans- und Daytona-Siegers Mike Rockenfeller sowie von Ex-BMW-Werksfahrer Dirk Müller gesichert. Der langjährige Audi-Werksfahrer Frederic Vervisch kam nach Empfehlung durch Mies ebenfalls mit an Bord des neuen GT3-Projekts.

Beim Renndebüt des Mustang in Daytona erreichten Mies, Rockenfeller und Teamkollege Harry Tincknell den sechsten Platz in der mit 13 Autos besetzten GTD-Pro-Klasse. Der Kontakt mit einer Corvette während einer nächtlichen Gelbphase, in die unglücklicherweise auch noch ein Mustang aus der GTD-Klasse involviert war, warf das Trio sechs Runden zurück. Das von Multimatic eingesetzte GTD-Pro-Schwesterauto mit Müller, Vervisch und Ford-Veteran bzw. Ex-BMW-Fahrer Joey Hand landete auf Platz neun.

Ford Mustang GT3 bei den Roar-Testfahrten zu den 24 Stunden von Daytona
Ford baut erstmals ein GT3-Auto auf Basis des ikonischen Mustang, Foto: LAT Images

Mies kündigt an: "Da kommt noch was"

Mies wird nach dem IMSA-Auftakt in Daytona auch bei weiteren Rennen der US-amerikanischen Sportwagenmeisterschaft an den Start gehen. Zusätzliche Einsätze in der GT World Challenge Europe sind möglich, die finalen Aufgebote für die aktuell weltweit acht rennbereiten GT3-Mustang sind öffentlich noch nicht bekannt. "Da kommt noch was", kündigte Mies in freudiger Erwartung an, ohne Details nennen zu wollen.

Im Falle von GT-World-Challenge-Rennen könnte er wieder auf die ihm wohlbekannten, jedoch nicht mehr werksunterstützten Audi R8 treffen - dann aber als Konkurrent. "Ich hoffe, dass Audi noch mal die Kehrtwende schafft und zurückkehrt", sagte er. "Ich würde es mir wünschen, auch für die Mitarbeiter. Wir hatten eine geile Zeit und der R8 ist ein wirklich gutes Auto. Es wäre echt cool, wenn ich in Zukunft mit Ford gegen Audi fahren könnte!"

Ford Mustang GT3 bei den 24 Stunden von Daytona
Auch in der Nacht gut zu erkennen: der breitgebaute Mustang von Ford, Foto: Ford Performance

Mies und Audi: Trennung im Guten

Die Trennung von Audi um Motorsportchef Rolf Michl und Kundensportleiter Chris Reinke sei im Guten verlaufen, versicherte Mies. Die Audi Race Night in Neuburg im Dezember habe er nur wegen parallel laufender Ford-Testfahrten in den USA verpasst: "Sonst wäre ich natürlich dabei gewesen und wir hätten das eine oder andere Bierchen zusammen getrunken, gar keine Frage."

Den vom Audi-Vorstand vorgegebenen Abschied vom werksunterstützten Kundensport fand Mies nach all den erfolgreichen Jahren "schon schade, auch für die Mitarbeiter". Und weiter: "Ich kann das aus meiner Sicht nicht verstehen, aber es wird sicherlich Gründe geben. Jeder ist traurig, wenn ein jeweiliges Programm zu Ende geht. Ich habe nach wie vor ein gutes Verhältnis zu Rolf Michl und Chris Reinke."