Neue Fahrerpaarung beim amtierenden Weltmeister in der Formel E: Das Jaguar-Kundenteam Envision wird beim Double Header in Berlin (11./12. Mai 2024) mit einer gänzlich neuen Fahrerpaarung an den Start gehen müssen. Grund dafür ist eine Terminkollision mit der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC, die am 11. Mai das 6-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps austrägt.

Da die beiden Stammfahrer von Envision, Sebastien Buemi und Robin Frijns, vertraglich ihren WEC-Arbeitgebern Toyota beziehungsweise BMW Priorität einräumen, musste Ersatz gefunden werden. Selbiges gilt für das Mahindra-Werksteam, bei dem Nyck de Vries in Berlin nicht starten wird, da er ebenso wie Buemi an Toyota gebunden ist.

Die Ersatzfahrer von Envision-Jaguar für den Berlin ePrix 2024: Joel Eriksson und Paul Aron
Die Fahrerpaarung von Envision in Berlin: Joel Eriksson und Paul Aron, Foto: Envision Racing

Zwei Formel-E-Debütanten in Berlin

Am Donnerstagmorgen kommunizierten die beiden Teams ihre Fahreraufgebote für die Rennen in Deutschlands Hauptstadt. Bei Envision werden der Schwede Joel Eriksson sowie der Este Paul Aron die Läufe neun und zehn der diesjährigen Weltmeisterschaft bestreiten, während bei Mahindra der Brite Jordan King an der Seite von Stammfahrer Edoardo Mortara fahren wird.

Für Eriksson ist es die Rückkehr in die Startaufstellung der Elektro-WM nach mehr als zwei Jahren, während Aron sein Formel-E-Debüt geben wird. Auch King wird zum ersten Mal einen ePrix in Angriff nehmen.

Der Ersatzfahrer für Nyck de Vries beim Berlin ePrix 2024: Jordan King
Jordan King ersetzt Nyck de Vries bei Mahindra in Berlin, Foto: Mahindra Racing

DTM-Sieger gibt Formel-E-Comeback

Eriksson blickt auf acht Starts in der Formel E zurück, die er allesamt im Jahr 2021 für das Hinterbänkler-Team Dragon/Penske bestritt, das mittlerweile als Werksteam des französischen Autobauers DS an den Start geht. Eriksson übernahm 2021 zur Saisonmitte das Cockpit von Nico Müller. Highlight blieb ein zehnter Platz beim Sonntagsrennen in London.

Auch danach blieb Eriksson dem Formel-E-Paddock treu und ist aktuell Simulator- und Ersatz-Fahrer des Jaguar-Werksteams, erhielt für das Berlin-Wochenende aber eine Freigabe seines Arbeitgebers für das Kundenteam. Auch Envision ist für den 25-Jährigen keine Unbekannte: 2018 testete Eriksson bereits für die Mannschaft mit Sitz im britischen Silverstone.

Darüber hinaus ging Eriksson zwischen 2018 und 2019 bei 37 DTM-Rennen für BMW an den Start und gewann 2018 das Sonntagsrennen in Misano. Auch in der VLN/NLS konnte er Erfahrung sammeln und gab 2023 mit Falken Motorsports in einem Porsche 911 GT3 R sein Debüt beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Am vergangenen Wochenende feierte Eriksson mit Falken-Porsche seinen vierten NLS-Sieg.

Ex-Mercedes-Junior bringt Envision-Pläne durcheinander

Der ehemalige Junior vom Mercedes' Formel-1-Team, Aron, hat hingegen noch überhaupt keine Erfahrung in einem Formel-E-Boliden. Der 20-Jährige ging bisher ausschließlich in Formel-Nachwuchsserien an den Start und wurde 2023 in seiner Rookie-Saison Dritter in der Formel 3. Auch in seine Debüt-Saison in der Formel 2 startete Aron furios: Nach drei Events liegt er mit drei Podestplätzen auf dem zweiten Meisterschaftsrang.

Podium: Sieger Jack Aitken mit Pokal
Eigentlich sollte DTM-Rennsieger Jack Aitken das sogenannte 0. Freie Training in Misano bestreiten, Foto: DTM

Eine erste Gelegenheit, sich auf die Anforderungen eines Gen3-Boliden einzuschießen, wird Aron bereits an diesem Wochenende bei der Premiere der Formel E in Misano (13./14. April 2024) erhalten. In Italien wird es ein sogenanntes 0. Freies Training geben, in dem ausschließlich Rookies fahren dürfen. Ursprünglich hatte Envision für diese Session bereits den Briten Jack Aitken bestätigt, der nun zugunsten von Aron weichen muss. "Das Team drückt seine Dankbarkeit für Jacks Verständnis aus", heißt es in der Pressemitteilung. In Berlin ist Aitken wegen seines Cadillac-Einsatzes in der IMSA verhindert.

Kuriose Situation bei Mahindra

Bei Mahindra kommt es währenddessen zu der kuriosen Situation, dass nur ein Fahrer ersetzt werden muss, während eigentlich sowohl Nyck de Vries als auch Edoardo Mortara in der WEC-Top-Klasse der Hypercars für zwei Hersteller an den Start gehen. Während de Vries jedoch am Berlin-Wochenende in Spa für Toyota startet, lässt Mortara das dritte WEC-Saisonrennen mit Lamborghini zugunsten der Formel E aus.

Jordan King im Mahindra beim Rookie-Test in Berlin 2023.
King bestritt 2023 bereits den Rookie-Test in Berlin für Mahindra, Foto: LAT Images

De-Vries-Ersatz Jordan King gibt zwar ebenso wie Aron sein Formel-E-Debüt, kann im Gegensatz zum Formel-2-Piloten aber schon auf langjährige Erfahrung mit den Autos zurückblicken. Seit 2021 ist er offizieller Simulator- und Ersatzfahrer von Mahindra und absolvierte im vergangenen Jahr den Rookie-Test in Berlin für den indischen Automobilhersteller.

Der 30-Jährige kann auf eine illustre Karriere im Motorsport zurückblicken. Nachdem er in den Anfängen seiner Laufbahn die klassische Formel-Nachwuchsleiter hinaufgeklettert war, absolvierte er 2015 und 2016 Formel-1-Tests mit Marussia/Manor. Für einen Start in der F1 reichte es jedoch nicht. Zwischen 2018 und 2019 ging King bei zwölf IndyCar-Rennen an den Start, unter anderem einmal beim Indy500, und nahm 2019 die 24 Stunden von Le Mans in Angriff. Danach wurde es ruhig um King: Sein bis heute letzter Rennstart ist auf den 14. Dezember 2019 beim WEC-Rennen in Bahrain datiert.

Frust bei betroffenen Teams

Nach den Bestätigungen von Envision-Jaguar und Mahindra ist somit nur noch die Situation rund um Nico Müller und Abt-Cupra unklar. Der Schweizer könnte das WEC-Rennen in Spa für Peugeot bestreiten, womit die Äbte einen Ersatzmann benötigen würden. Tim Tramnitz, der bei den Rookie-Tests weitere Einsatzmöglichkeiten bekommen wird, stünde als potenzieller Ersatz parat. Oder auch der offizielle Testfahrer Kelvin van der Linde, der allerdings ebenso in der WEC antritt. Auf Nachfrage wollten sich die Äbte zuletzt nicht konkret äußern.

Tim Tramnitz könnte in Berlin sein Formel-E-Debüt geben, Foto: LAT Images
Tim Tramnitz könnte in Berlin sein Formel-E-Debüt geben, Foto: LAT Images

Obwohl die 6 Stunden von Spa lediglich am Samstag stattfinden, werden alle Ersatzfahrer auch das Sonntagsrennen in Berlin bestreiten. Denn die FIA-Regularien bewerten beide Rennen eines Double Headers als ein Event, womit Fahrer nur aufgrund 'höherer Gewalt' (Force Majeure) für das Sonntagsrennen ausgetauscht werden dürften. Die betroffenen Teams hofften auf eine Ausnahmeregelung, die jedoch in einer Abstimmung der elf Teams im Rahmen des Sao Paulo ePrix im März wenig überraschend scheiterte.

Die Unzufriedenheit ist dementsprechend deutlich. "Das ist eine sehr ungewöhnliche Situation für uns als Teams und wir sind offensichtlich frustriert, dass die Terminkollision zwischen der FIA und der FEO (Formula E Operations Limited; d. Red.) nicht gelöst werden konnte", wurde Envision-Teamchef Sylvain Filippi in der Pressemitteilung des Teams zitiert.