Mitch Evans (Jaguar) hat das irre Samstagsrennen der Formel E in Berlin gewonnen und seinen zweiten Saisonsieg in Folge eingetütet. In einem Rennen mit 190 (!) Überholmanövern, acht unterschiedlichen Führenden, 23 Führungswechseln und einem großen Fokus auf dem Energie-Management, überquerte Sam Bird die Ziellinie als Zweiter und machte einen Doppelsieg für Jaguar perfekt.

Der Brite kassierte in der letzten Runde des Rennens auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof Pole-Setter Sebastien Buemi (Envision-Jaguar). Ähnlich spektakulär war der Kampf um den letzten Podestplatz: Maximilian Günther (Maserati) setzte sich wenige Meter vor dem Zielstrich ebenfalls gegen Buemi durch und schnappte sich P3. Für Formel-E-Neueinsteiger Maserati war es der erste Formel-Podestplatz seit 66 Jahren.

"Ein grandioses Gefühl, zuhause wieder auf dem Podium zu stehen", jubelte Günther, der 2020 das Berlin-Rennen bereits gewinnen konnte. "Das geht runter wie Öl! Die Jaguar waren unheimlich stark vorne. Am Ende hatte ich aber eine gute Energie und habe auf eine Gelegenheit gewartet, die dann auch kam."

Verrückt: Es waren die ersten Punkte überhaupt für Günther, der vor der Saison zu Formel-E-Neueinsteiger Maserati gewechselt war - und dann gleich ein Podest vor heimischem Publikum! Hinter Buemi und Envision-Teamkollege Nick Cassidy legte WM-Spitzenreiter Pascal Wehrlein eine starke Aufholjagd hin - Platz sechs für den Porsche-Piloten nach Start von P15.

"Da war viel Chaos", sagte Wehrlein, der seinen Vorsprung in der Gesamtwertung weiter ausbauen konnte. "Viele Fahrer haben am Anfang zu viel Energie genutzt und sind dann zurückgefallen. Dann gab es noch Zeitstrafen und den einen oder anderen Fahrer mit zu wenig Energie am Ende. Es sah für mich mal richtig gut aus mit dem Podium, aber ich hatte eine falsche Energie-Anzeige auf dem Lenkrad. In den letzten zwei Runden war es dann wieder in Ordnung."

Jean-Eric Vergne (DS Penske), Andre Lotterer (Andretti), Edoardo Mortara (Maserati) und Oliver Rowland (Mahindra) komplettierten die Punkteränge in einem Rennen mit zahlreichen Kollisionen, das durch zwei Safety-Car-Phasen unterbrochen wurde.

Rene Rast (McLaren) lief nach einer Kollision mit Dan Ticktum (NIO 333) mit einer Runde Rückstand ein. Porsche-Fahrer Antonio Felix da Costa sah die Ziellinie nach einer Kollision mit WM-Anwärter Jake Dennis (Andretti, Ausfall) nicht. Auch der amtierende Weltmeister Stoffel Vandoorne (DS Penske) und Jake Hughes (McLaren) schieden vorzeitig aus. Am Sonntag folgt in Berlin das achte Rennen der Formel-E-Saison 2023.

Formel E in Berlin: So lief das Rennen am Samstag

Die Startaufstellung: Sebastien Buemi schnappte sich trotz verletzter Hand die Pole Position - seine zweite in der laufenden Saison. Sam Bird, Weltmeister Stoffel Vandoorne und Dan Ticktum folgten auf den Plätzen zwei bis vier. Maximilian Günther war auf P8 der bestplatzierte deutsche Fahrer, gefolgt von Andre Lotterer (P13), Rene Rast (P14) und Pascal Wehrlein (P15).

Der Start: Dan Ticktum gelang von P4 ein Blitzstart - der NIO-Fahrer übernahm noch in der ersten Runde die Führung. Dem Briten folgten Sebastien Buemi, Sam Bird und Stoffel Vandoorne auf den folgenden Plätzen - wollten sie vielleicht absichtlich nicht führen? Maximilian Günther verbesserte sich in der Startrunde um drei Positionen bis auf P5. In einer insgesamt sauberen Startphase gelang auch Andre Lotterer ein Positionsgewinn um drei Plätze bis auf P10. Rene Rast beendete die erste Runde auf P13, Pascal Wehrlein auf P15.

Die erste Rennhälfte: Ticktum aktivierte schon in der 3. Runde seinen ersten Attack Mode und fiel hinter Bird auf den zweiten Platz zurück. Auch Bird, Günther und Buemi holten sich den 350-kW-Zusatzboost zu einem überraschend frühen Zeitpunkt im Rennen ab. Lucas di Grassi im hinteren Feld trieb es komplett auf die Spitze und nutzte seine beiden (!) Attack Modes innerhalb der ersten 4 Runden. Ähnlich hielten es vorne die Herren Ticktum, Buemi und Bird. Ein höchst unüblicher Auftakt ins Rennen.

Nach wilden ersten Runden mit vielen Positionsveränderungen überall im Feld wegen der aggressiven Attack-Mode-Strategien, krachte es in Runde 10 erstmals: Sergio Sette Camara fuhr Vordermann Maximilian Günther ins Heck - wenig später rasselte dann Rene Rast dem lädierten NIO-Boliden ins Heck. Für den McLaren-Piloten war vorzeitig Feierabend. In Runde 11 schickte die Rennleitung das Safety Car auf die Strecke, um herumliegende Teile zu entfernen.

Bei Re-Start zur 15. Runde führte Jake Dennis das Feld vor Edo Mortara an - beide Fahrer hatten erst einen ihrer zwei Attack Modes eingesetzt. Dahinter folgten Buemi, Vandoorne, Evans und Bird. In Runde 19 crashten ausgerechnet die früheren Teamkollegen Jean-Eric Vergne und Andre Lotterer (5-Sekunden-Zeitstrafe)!

Während das wilde Überhol-Spektakel an allen Ecken und Enden des Feldes munter weiterging, krachte es in Runde 20 so richtig! Stoffel Vandoorne kollidierte mit Dan Ticktum, wobei der DS-Pilot links in die Mauer geschoben wurde. "Der fährt mich komplett in die Mauer", schimpfte Vandoorne am Funk. In den Vorfall wurden auch Jake Hughes und Norman Nato involviert - der Crash löste die zweite Safety-Car-Phase des Rennens aus.

Der weitere Rennverlauf: Beim Re-Start zur 23. Runde führte Evans vor Buemi, Günther, Mortara, Bird, Dennis, Wehrlein, Felix da Costa und Müller das Feld an. In den folgenden Runden wechselte die Spitze weiter munter hin und her, zwischenzeitlich lagen Günther und Evans in Front. Der Jaguar-Pilot hielt sich schließlich mit Teamkollege Bird etwas länger in Front - bis Buemi kam und wieder P1 übernahm...

In Runde 31 verbremste sich Jake Dennis komplett, rutschte quer über die Strecke, erwischte dabei Antonio Felix da Costas Frontflügel und schlug leicht in der Bande ein. Der Andretti-Pilot beschwerte sich über das Bremsverhalten, konnte die Fahrt aber zunächst fortsetzen. Felix da Costa musste seinen beschädigten Porsche hingegen an der Box abstellen - und war entsprechend gut gelaunt...

Die Rennleitung ordnete wegen der beiden Safety-Car-Phasen eine Rennverlängerung um drei Runden an. In Runde 40 griff Evans den Spitzenreiter Buemi an und kam am Auto mit dem gleichen Jaguar-Motor vorbei. Auch Bird mischte mit, blieb aber zunächst hinter Buemi. In der letzten Runde kassierte Bird den Schweizer dann außen in Turn 6 und übernahm P2. Günther schnappte sich wenige Meter vor dem Zielstrich ebenfalls Buemi und machte P3 perfekt! Was für ein Finish.