Codename: Batmobil. Als die Formel E im März 2018 auf dem prestigeträchtigen Genfer Automobil Salon die Hüllen fielen ließ, machten die Umstehenden große Augen. Ist es ein Formelauto? Ein GT-Bolide? Oder vielleicht doch Manuel Neuer?

Nein, grinsten die Verantwortlichen unisono - und sie hatten mit Recht gut lachen. "Es ist halt ein Formel-E-Auto." Anders sein als der traditionelle Rennsport, das hatte sich die Formel E seit ihrem ersten Rennen 2014 im Olympiastadion von Peking auf die Fahne geschrieben. Und mit der Einführung der zweiten Fahrzeuggeneration, dem Gen2-Auto, auch optisch eindrucksvoll manifestiert.

Radabdeckungen, kein echter Heckflügel, ein mit LEDs beleuchteter Halo-Heiligenschein, ein futuristischer Look für die Instagram-Jugend der heutigen Zeit - wieder einmal war den Machern der Elektro-Rennserie ein Coup gelungen, der für Aufsehen und vor allem rege Diskussionen sorgte.

Wenn am 03. März dieses Jahres in Genf FIA-Präsident Jean Todt und der umtriebige Formel-E-Vater Alejandro Agag gemeinsam das Tuch vom Blechkleid des neuen Gen2-EVO-Modells gezogen hätten, hätte sich der Aufschrei in Grenzen gehalten. Denn da wäre es wieder gewesen, das traditionelle Formelauto. Reaktionen fielen diesmal allerdings genauso aus wie der Genfer Autosalon selbst, Coronavirus lässt grüßen.

Audi zeigt die Änderungen zum Gen2-Vorgänger, Foto: Audi Communications Motorsport
Audi zeigt die Änderungen zum Gen2-Vorgänger, Foto: Audi Communications Motorsport

Mit einem optischen Update des aktuellen Boliden startet die Serie zur kommenden Saison in eine neue Zeitrechnung: Ab 2020/21 erhält sie den offiziellen Status einer FIA-Weltmeisterschaft. Der automobile Ritterschlag direkt aus Todts Büro am Place de la Concorde in Paris. Das Gen2-EVO-Auto soll die neuerworbene Würde optisch unterstreichen.

Nach oben hin offene Räder, die Rückkehr des Heckflügels und obendrein eine Haifischflosse, die dem Facelift noch mehr Formel-1- oder Prototypen-Feeling einhaucht: Mit dem Nachfolger des Gen2-Rennwagens hat die Formel E einen kleinen Rückschritt fabriziert.

"Ich glaube, das Auto seine Einzigartigkeit der Formel E verloren", sagt Lucas di Grassi, Sprachrohr der Serie und stetiger Antreiber der Elektromobilität. "Unser Auto sollte einzigartig und die am möglichsten aggressive Version sein. Das EVO-Modell sieht ganz gut aus, aber es ähnelt wieder den Autos aus anderen Rennserien."

Der Facelift-Zyklus in der Formel E besitzt schon eine kleine Tradition. Als die Serie damals mit einem umgebauten Formel-3-Renner in ihr Abenteuer startete, hielt nach der dritten Saison ein neuer Frontflügel Einzug an den Kompromisswagen. Neuer ist immer besser? Die Flügel-Resonanz hielt sich damals in Grenzen. Doch seit 2016 hat sich einiges getan in der wohl aufstrebendsten Rennserie der Welt: Man schaut nun etwas genauer hin, nicht zuletzt die großen involvierten Hersteller.

"Es reißt mich nicht vom Stuhl", räumt Audi-Motorsportchef Dieter Gass angesichts des Gen2 EVO ein, wohlwissend, dass die Teams beim Design-Prozess nur sehr begrenztes Mitspracherecht hatten und am Ende vor vollendete Tatsachen gestellt worden sind. "Ich sehe da keine großen Probleme. Es ist aber immer ein bisschen schwierig, wenn man solch einen Halbschritt machen möchte, um damit signifikante Veränderungen zu erreichen."

So sieht die BMW-Konzeptlackierung für das Gen2-EVO-Auto aus, Foto: Twitter/BMW
So sieht die BMW-Konzeptlackierung für das Gen2-EVO-Auto aus, Foto: Twitter/BMW

Von einem Neuigkeitswert für die Fans spricht auf der Gegenseite BMW Motorsport-Direktor Jens Marquardt. Nicht bahnbrechend zwar, aber die Weiterentwicklung des Einheitschassis sei eine wichtige und richtige Botschaft nach draußen: "Und es geht ja nur um die Optik. Die ist für Alle gleich, deshalb ist es aus Sicht der Performance irrelevant."

Die meisten Fahrer nehmen die Modellpflege im dritten Jahr der Gen2-Ära mit einem Schulterzucken hin. "Ich finde es gut, aber es ist ein Stück weit konservativer", meint der Audi-Werksfahrer und Formel-E-Pionier Daniel Abt. "Man hat das Gefühl, dass man alles schon einmal gesehen hat."

Fans haben Porsches Design zum schönsten Gen2-EVO-Modell gewählt, Foto: Twitter/Porsche
Fans haben Porsches Design zum schönsten Gen2-EVO-Modell gewählt, Foto: Twitter/Porsche

Der dreifache Le-Mans-Sieger Andre Lotterer von Formel-E-Neueinsteiger Porsche sagt: "Es ist eine Mischung aus Formel und LMP, das gab es so auch noch nie. Es ist aber kein neues Auto, es ist ein Facelift. Ich finde es cool, eine Enttäuschung ist es nicht. Interessanter finde ich es aber, wenn sich an der Leistung etwas ändert, so wie zu dieser Saison, als die Power des Attack Mode gesteigert worden ist."

Darauf muss Lotterer noch eine Weile warten. Dann aber heißt es potenziell: Anschnallen, bitte! Die künftige Generation der Formel-E-Autos könnte wahre Elektro-Monster hervorbringen. Was die FIA eine Woche vor Weihnachten 2019 herausgab, ging in der besinnlichen und auffällig sommerlichen Zeit schon fast ein wenig unter: die offizielle Ausschreibung für das Gen3-Auto, das ab der neunten Formel-E-Saison 2022/23 zum Einsatz kommen wird.

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