Es ist unmenschlich heiß, die Luft ist stickig, die Flammen lodern unkontrolliert empor und gehörnte Bestien tanzen tief unter der Erde. So stellt man sich die Hölle vor. Am kommenden Wochenende erleben die 22 F1-Piloten eine andere Form der Hölle - die grüne Hölle. Dort ist es kalt, nass, voller alter Bäume und rot-bekappte Männchen hüpfen hoch auf den Tribünen auf und ab.

Nun gut, mit der einstigen grünen Hölle, jenem legendären Kurvengeschlängel durch die Eifel, hat der heutige GP-Kurs nichts mehr gemein, aber der Ruf der Nordschleife lebt noch immer. Für Ferrari dürfte die grüne Hölle so oder so zur roten Hölle werden: Entweder weil die Konkurrenz den Pferdchen die Hufe über die Ohren zieht oder weil die Schumacher-Fans die Nacht nach einem weiteren Sieg zum Tag machen...

Renault: Die Würde der Beweislast

Renault muss seine Form bestätigen., Foto: Sutton
Renault muss seine Form bestätigen., Foto: Sutton

"Auf jeder anderen Strecke hätten wir gewonnen." Dessen war sich Fernando Alonso nach seinem chancenlosen Kampf gegen Michael Schumacher in Imola sicher. Nur die überholfeindliche Strecke habe den Spanier an seinem dritten Saisonsieg gehindert. Dann hätte Renault seine lupenreine gelb-blaue Weste wahren können. Am Nürburgring müssen die Mannen rund um Flavio Briatore nun den Beweis dafür antreten. Auch wenn Timo Glock nicht viel mehr Überholmöglichkeiten auf dem Eifelkurs ausmacht. Alonso und Fisichella zählen mit ihrem zuletzt überlegenen R26 trotzdem zu den Sieganwärtern Nummer 1 und 2.

McLaren: Alles neu macht der Mai

Schon vor einigen Wochen kündigte Ron Dennis für den Nürburgring weitere Entwicklungen und Verbesserungen an. In der Eifel müssen die Silbernen nun beweisen, was diese bringen. In Imola waren Räikkönen und Montoya entgegen den Erwartungen nicht aus eigener Kraft siegfähig. Auch wenn so mancher bei den Silbernen dies nicht öffentlich zugeben wollte und sich gegen den Begriff Schadensbegrenzung wehrte... Jetzt heißt es die Chrompfeile für den Mercedes Heim-GP zu polieren und die Konkurrenz anzugreifen. Ansonsten könnte der 2. Platz in der Meisterschaft und damit die Verfolgerrolle von Renault schnell an Ferrari wandern. Allerdings ist den Silbernen zuzutrauen, dass sie am Nürburgring wieder ganz vorne mitmischen. Dann wird sich zeigen, ob der dritte Platz von Imola Juan Pablo Montoya derart befeuert hat, dass er seinem ansonsten deutlich überlegenen Teamkollegen erneut Paroli bieten kann.

Ferrari: Nur eine Eintagsfliege?

Wirklich schneller als Renault?, Foto: Sutton
Wirklich schneller als Renault?, Foto: Sutton

Groß war der Jubel nach dem ersten Saisonsieg von Michael Schumacher. Beinahe noch größer war die Erleichterung bei allen Beteiligten aus Maranello. Erstmals seit dem Japan GP 2004 konnte sich eines roten Autos gegen die versammelte Konkurrenz durchsetzen. Den US 'Grand Prix' des letzten Jahres zählen selbst die Roten nicht als 'Sieg'. Die bange Frage vor dem zweiten Heimspiel für Michael Schumacher in Folge lautet nun: War alles nur ein roter Eintagestraum oder der Beginn einer wunderbaren roten Serie? Bei Ferrari ist man sicher, dass der zweite Fall zutrifft. Beweisen müssen sie es allerdings ab Freitag auf der Strecke. Zumindest in Imola erwiesen sich die Vorhersagen der Italiener als korrekt. Vor dem San Marino GP sprach so ziemlich jeder vom Testfahrer bis zum Präsidenten vom Sieg - und genau so sollte es auch kommen...

Honda: Keiner mag mit uns spielen...

Die ersten vier Saisonrennen verliefen für Honda enttäuschend. Das ausgegebene Ziel - der erste GP-Sieg - wurde jedes Mal weit verfehlt und das Auto entpuppte sich nur im Qualifying als konkurrenzfähig. Im Rennen fuhr Jenson Button hinterher - von Rubens Barrichello durfte man in den ersten drei Rennen gar nicht erst reden. Da kamen die Psychospielchen der Konkurrenz genau zum richtigen Zeitpunkt. Pat Symonds verstand die Taktik der Japaner partout nicht und warf ihnen sogar indirekt Arroganz vor. Teamboss Nick Fry reagierte beleidigt: "Die großen Vier mögen uns nicht", jammerte Fry, während Jenson Button schon wieder davon sprach, dass man den ersten Sieg anpacken wolle. Gehört haben es wieder einmal alle, aber wer glaubt in der Eifel daran?

BMW Sauber: Das erste Mal

Auf die BMW Arena folgt der Pit Lane Park., Foto: Sutton
Auf die BMW Arena folgt der Pit Lane Park., Foto: Sutton

Seit vier Rennen treten BMW und Sauber gemeinsam in der Königsklasse an. Jetzt steht ihr erstes echtes Heimrennen an. Die Aufmerksamkeit der Fans und Weltpresse ist den Weiß-Blauen schon gewiss: Am Ring debütiert ihr neuer Pit Lane Park - eine Art mobiler Freizeitpark für die Fans. Ob sie auf der Strecke genauso positiv auffallen können, muss sich erst noch herausstellen. Die Angst um ihre Motoren sollte Nick Heidfeld und Jacques Villeneuve zumindest verlassen haben; ab dem Nürburgring dürfen sie endlich die verbesserten Motoren verwenden, was möglicherweise auch ihre gedrosselten Drehzahlen von Imola der Vergangenheit angehören lassen sollte.

Williams: Endlich standfest?

An der Spitze der WM-Wertung liegen wie erwartet die großen Vier, die auch während der Wintertests als Sieganwärter gehandelt wurden. Dahinter kämpfen jedoch zwei alte Bekannte, man könnte fast sagen zwei geschiedene Ex-Eheleute um den fünften Rang: BMW Sauber und Williams Cosworth. Derzeit liegt die bayrisch-schweizerische Seilschaft in Front. Aber Williams konnte seinem Ruf als Geheimfavorit in den ersten Rennen mehrmals Nachdruck verleihen. Allerdings ließ die Zuverlässigkeit der mitternachtsblauen Renner noch zu wünschen übrig. Egal ob Motor oder Getriebe: Irgendwo steckte meistens der Wurm drin. Wenn alles funktionierte, war man aber top. Diese Variante peilen Mark Webber und Nico Rosberg auch für den Nürburgring an. Die Konkurrenz im Kampf um WM-Punkte ist allerdings groß.

Toyota: Endlich konstant schnell?

Toyota in der grünen Hölle., Foto: Sutton
Toyota in der grünen Hölle., Foto: Sutton

Neben BMW Sauber und Williams hofft Toyota in der Eifel punkten zu können. Der Europa GP ist nicht umsonst eines der vielen 'Heimrennen' der Köln-Marsdorfer. Welche Chancen Ralf Schumacher und Jarno Trulli auf ein gutes Ergebnis haben, lässt sich nur schwer voraussagen. Zu unbeständig und unvorhersehbar agierten die Japaner in den ersten vier Rennen. Von katastrophal bis überraschend gut war die gesamte Palette vertreten. Was wird nun am Nürburgring? Da Imola den Weiß-Roten noch nie gelegen hat, darf man wohl davon ausgehen, dass sie auf heimischem Boden etwas besser abschneiden können. Einen richtig großen Sprung erhoffen sie sich aber für den Monaco GP, dann soll der neue TF106/07 sein Debüt geben. In der letzten Woche rollte das nächste neue Auto in Le Castellet erstmals aus der Box. Wie heißt es so schön: Toyota zieht Autos aus dem Regal wie andere Reifenwärmer...

Red Bull Racing: Endlich standfest und schnell?

Wenn ein Team eine schlechte Saisonvorbereitung erlebte, war es Red Bull Racing. Es dürfte kaum einen F1-Fan geben, der nicht von den Kühlungsproblemen der roten Bullen gehört hat. Da halfen auch keine literweise eingetrichterten Dosen mit Energiegetränken. Nachdem dieses leidige Thema mittlerweile abgehakt ist, leidet der RB2 jedoch unter den Kinderkrankheiten, welche die anderen Teams in der Vorbereitung aussortieren konnten. Zudem gaben die Bullenreiter offen zu, dass es dem Auto auch am Speed mangele. Für die nächsten Rennen heißt es deshalb an allen drei Fronten Gas zu geben: Bei der Zuverlässigkeit, der Performance und natürlich auf der Strecke.

Scuderia Toro Rosso: Ein Stier in der Hölle

Ein Stier direkt aus der Hölle?, Foto: Sutton
Ein Stier direkt aus der Hölle?, Foto: Sutton

Der entflammte Stier auf den Seiten des STR1 sieht so aus, als würde er sich in der Hölle sehr wohl fühlen. Ob dies auch auf das Auto zutrifft, wird sich am kommenden Wochenende zeigen. Bislang erledigte die ehemalige Minardi-Truppe gute Arbeit. Die von der Konkurrenz befürchteten Wunder waren allerdings nicht dabei. So sollte es auch am Ring sein: Ohne Ausfälle unter den Top-Teams, werden Tonio Liuzzi und Scott Speed wohl kaum in die Punkteränge kommen.

MF1 Racing: Immer weiter machen...

Egal ob einen die Presse abschreibt, vom Titanen zum Fliegenfänger abstempelt oder ein schwäbischer Auswanderer einen zur Nummer 2 macht: Oliver Kahn hält immer an seinem Motto fest - "Immer weiter machen, niemals aufgeben." Das gleiche scheint für das Midland Team zu gelten. Renntag für Renntag beschwören sie die Fortschritte und Verbesserungen sowie die geschlossene Lücke zur Konkurrenz. Zählbare Erfolge kamen dabei bisher nicht heraus. In Form von WM-Punkten wird das auch am Nürburgring nicht anders sein. Aber zumindest am Freitag gibt es etwas Neues - oder besser gesagt jemand Neues: Adrian Sutil kommt in der Eifel zu seinem ersten Einsatz als Freitagstestfahrer. Sein Landsmann Markus Winkelhock nimmt unterdessen als Gastfahrer am Porsche Supercup teil. Sein nächster geplanter F1-Einsatz ist am Hockenheimring.

Super Aguri: Drei Engel für Aguri

Sicherlich werden sich einige Leute im Fahrerlager finden, die Takuma Sato und Yuji Ide nicht unbedingt als Engel bezeichnen würden. Dafür sind die Bilder von Ides Kollision mit Christijan Albers und der Ruf von Taku San noch zu frisch im Kopf. Manche böse Zungen werden sogar behaupten, dass der beste Fahrer des Super Aguri Trios im erstmals eingesetzten dritten Auto sitzt. Darin nimmt am Freitag der Franzose Franck Montagny Platz. Für Renault wusste er in den letzten Jahren bei den Tests immer zu überzeugen. Giancarlo Fisichella schwärmt sogar in den höchsten Tönen von ihm. Mit dem vier Jahre alten Arrows alias SA05 wird aber auch er keine Wunder vollbringen können. Was lernen wir daraus? Selbst Aguris Engel können nicht fliegen - egal wie viel Red Bull Dosen sie aus der Energy Station ausleihen...