Der Australien-GP endete auch 2024 mit einem großen Knall. Diesmal im Kampf um die sechste Position. Bei seiner Jagd auf Fernando Alonso crashte George Russell seinen Mercedes bei hohem Tempo in die Absperrung. Ohne Auto-an-Auto-Kontakt war es augenscheinlich ein Fahrfehler - doch kurz nach dem Rennen schalteten sich die Stewards ein. Mit schweren Anschuldigungen gegen Alonso.

Stein des Anstoßes ist Alonsos unerwartetes Verzögern hin zur Unfallkurve sechs. Hier wurde der Aston Martin plötzlich viel langsamer als in den Runden zuvor. Ein überraschter Russell kam ihm zu nahe und flog in der verwirbelten Luft ab. Alonso machte erst technische Probleme dafür verantwortlich. Bei der Stewards-Anhörung klang das anders - und resultierte in einer harten Strafe.

Nachträglich brummen die Stewards Alonso eine Durchfahrtsstrafe auf. Die wird automatisch in eine 20-Sekunden-Strafe umgewandelt. Das wirft Alonso vom sechsten auf den achten Platz zurück. Lance Stroll und Yuki Tsunoda rücken auf. Obendrauf kassiert Alonso drei Strafpunkte.

Alonso nach dem Rennen erst mit Ausreden

Die Telemetriedaten wurden Alonso zum Verhängnis. Sie zeigen, dass er in Runde 57 beim Unfall die Kurve anders anfuhr. 100 Meter früher begann er vor Kurve sechs nicht nur zu verlangsamen, sondern ging sogar für 50 Meter davon leicht auf die Bremse und schaltete früher als sonst runter, nur um dann wieder raufzuschalten. Infolgedessen war seine Geschwindigkeit am Kurveneingang gut 35 km/h langsamer als auf den Runden davor.

Am Funk beschwerte sich Alonso direkt nach dem Zwischenfall über ein Problem mit dem Gaspedal, verlangsamte auch auf dem Weg hin zu Kurve neun mehrfach. "Etwas steckt", funkte er auf der letzten Runde, als bereits das Virtuelle Safety Car ausgerufen worden war. "Ich drücke mit maximaler Kraft." Die Box bestätigte: "Wir sehen es." Auf der Auslaufrunde gingen Alonsos Funksprüche weiter. Er sei sich nicht sicher, ob er es zurück in die Box schaffe: "Wir machen den Motor nicht kaputt, oder?"

In den ersten Interviews nach dem Rennen sprach Alonso nicht mehr von einem Problem mit dem Gaspedal. Ein neuer Dreh kam auf: "Ich hatte für ungefähr die letzten 15 Runden ein Problem mit der Leistungsabgabe der Batterie. Da hatte ich am Ende des Rennens Probleme. Auf die Autos hinter mir kann ich mich da nicht konzentrieren."

"Ich habe mich auch am Funk beschwert", so Alonso, der im Fight mit Russell ernste Probleme erwartete. Sowieso war die Aston-Martin-Pace im Rennen nicht berauschend. Obendrauf hatte Russell erst in Runde 45 das letzte Mal gestoppt, vier Runden nach Alonso, hatte also einen Reifenvorteil. "Ich wusste, wenn er schneller sein würde, dann würde er überholen, das ist hier mit vier DRS-Zonen durchaus möglich."

Keine Ausreden für Alonso vor den Stewards

In der gleich zweiseitigen Stewards-Entscheidung ist von technischen Problemen keine Rede mehr. Alonso wird des "potenziell gefährlichen Fahrens" schuldig gesprochen. Das Manöver sei erratisch und unberechenbar gewesen. Alonsos finale Erklärung in der Anhörung: Sein Plan sei es gewesen, früher zu verlangsamen und die Kurve anders anzufahren, um damit besser in die folgende DRS-Zone zu kommen. Dabei habe er sich verschätzt, und hätte zum erneuten Beschleunigen zusätzliche Schritte vornehmen müssen.

Die Stewards räumen Alonso das Recht ein, eine Kurve anders anzufahren, und stellen auch klar, dass er nicht für seine verwirbelten Luft verantwortlich ist: "Aber hat er entschieden, etwas zu tun, mit welcher Absicht auch immer, das außergewöhnlich war, wie das Rausnehmen, Runterschalten und alle anderen Elemente des Manövers, und das 100 Meter früher als zuvor?" Diese Frage beantwortete Alonso, so die Feststellung, mit seiner Rechtfertigung in der Anhörung selbst positiv.

"In den Augen der Stewards fuhr er dadurch zumindest auf eine Art und Weise, die 'potenziell gefährlich' auf diesem schnellen Teil der Strecke ist", lautet das Stewards-Fazit. Ob das beabsichtigt war, um Russell in Probleme zu bringen, spielt für die Stewards keine Rolle. Relevant ist nur, dass es unberechenbar und dadurch potenziell gefährlich für einen Hinterherfahrenden war. Russell bestätigte diese Sicht in der Anhörung. Alonsos aktive Entscheidung für das Manöver gilt dafür als erschwerender Umstand. Daher gibt es eine Durchfahrtsstrafe, nicht bloß nur zehn Strafsekunden.

Stroll profitiert von Alonso-Strafe

Durch Russells Abflug war die Gefahr eines Überholmanövers für Alonso gebannt und der sechste Platz vermeintlich sicher gewesen. Dass er überhaupt vor Russell lag, das hatte er dem anderen Mercedes zu verdanken. Als Lewis Hamilton in Runde 17 mit Motorschaden ausrollte und dadurch ein kurzes Virtuelles Safety Car auslöste, war der auf Hard gestartete Alonso noch nicht an der Box gewesen, seine vor ihm gestarteten direkten Gegner Russell und Sergio Perez schon.

"Die 45 Sekunden VSC waren perfekt für mich", gesteht Alonso. Er konnte seinen ersten Boxenstopp mit minimalem Zeitverlust absolvieren und sprang dadurch an Perez und Russell vorbei. Im Mittelstint lieferte er selbst dem Red Bull überraschend starke Gegenwehr, erst im Schluss-Stint begann er zurückzufallen.

Perez konnte er nicht halten, Russell schon. So landeten die Aston Martin nach dem Crash auf den Plätzen sechs und sieben. Mit der Alonso-Strafe rückt Stroll, der ein unscheinbares Rennen fuhr und sich nie von Yuki Tsunoda absetzen konnte, auf den sechsten Platz auf. Alonsos nunmehriger achter Platz kostet Aston Martin zwei Punkte und WM-P4 gegen Mercedes.