Die große Regelrevolutuion der Formel 1 aus dem Jahr 2022 sollte alles besser machen. Das Feld sollte enger zusammenrücken und die Fahrer sich durch die Ground-Effect-Boliden gegenseitig besser folgen können. Die Überholmanöver sollten in der neuen/alten Ära eine neue Hochkonjunktur feiern. Im dritten Jahr seit dem Regel-Umbruch lässt sich festhalten: Zumindest in Teilen ist die Revolution geglückt. Wäre da nicht dieses eine Zünglein an der Waage aus Milton Keynes.

Denn die Red-Bull-Dominanz lässt die Konkurrenz auch im Jahr 2024 teilweise wie Schulbuben aussehen und führt die Idee hinter der Ground-Effekt-Ära beinahe ad absurdum. Sie sogar als Fehler zu bezeichnen, so weit würde Mercedes' Technischer Direktor James Allison allerdings nicht gehen. Er sieht die Teams, auch Mercedes, in der Verantwortung. "Ich glaube nicht unbedingt, dass sie [die Regeln] in diesem Sinne [der Dominanz eines Teams] versagt haben, denn es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass wir einen guten Kampf liefern können", zeigte sich der Ingenieur selbstkritisch.

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Allison kritisiert Ground-Effect-Regeln: Kein besseres Racing

Zufrieden ist Allison, der im Mai 2023 nach einer Auszeit wieder zurück in die Position als Technischer Direktor kehrte, mit den Ground-Effekt-Regeln dennoch nicht. "Aber es gibt Dinge im Reglement, die für keinen von uns gut sind. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, Autos zu haben, die sich so an den Boden ansaugen, wie diese Autos es tun", fuhr der 56-jährige fort.

"Ich glaube nicht, dass an Ground-Effect-Unterböden grundsätzlich etwas auszusetzen ist", erklärte er. "Aber die besondere Anordnung der Unterböden, die eine Reaktion auf die hintere Fahrwerkhöhe haben, die nicht besonders gut für die Autos ist, ist nicht etwas, das wir ins Jahr 2026 übertragen sollten."

Allison ist der Meinung, dass sich die Formel 1 bei der Erstellung des Reglements zu sehr auf die reifenschädigende 'Dirty-Air' fokussiert hätte. Ein anderer elementarer Bestandteil sei dadurch vernachlässigt worden. "Die Idee, dass man gutes Racing bekommt, indem man den Sog kontrolliert, während man die Reifen ignoriert, ist so, als würde man gegen Windmühlen kämpfen. Diese Seite der Dinge wurde offensichtlich bis zur Zerstörung getestet", so Allison.

Technischer Direktor von Mercedes James Allison
Seit Mai 2023 ist James Allison wieder in alter Funktion unterwegs, Foto: Mercedes

"Die FIA ist immer noch sehr darauf bedacht, das Management des Sogs an die Spitze von allem zu stellen und diese Dinge zu opfern. Es wäre hilfreich, wenn es dort einen ausgewogeneren Ansatz gäbe", fuhr der Ingenieur seine Kritik fort und deutete schlussendlich an, mit dieser Meinung im Formel-1-Fahrerlager nicht alleinstehen zu würden. "Unter den Teams wäre das eine pragmatisch akzeptierte Antwort."

Andrea Stella: F1-Reglement ist kein Fehler, aber ...

Auf Allisons Hinweis hin ging die Formel-1-Medienwelt prompt auf Stimmensuche und wurde bei in Saudi-Arabien beim Mercedes-Kunden McLaren fündig. Teamchef Andrea Stella stimmte seinem Kollegen zumindest in Teilen zu, sieht darin allerdings eine Chance.

"Ich bin mir nicht sicher, ob ich es [das Reglement] als Fehler bezeichnen würde", so der Italiener. "Ich denke, das war definitiv eine Herausforderung, denn wir haben gesehen, dass diese Ground-Effekt-Fahrzeuge zunächst einmal so ziemlich alle mit dem 'Porpoising' überrascht haben."

Andrea Stella
Andrea Stella sieht in dem Reglement Chancen, Foto: LAT Images

Für den 53-jährigen ist gerade die von Allison monierte Nähe der Boliden zur Straße der Bereich, in dem sich in der Formel 1 die Spreu vom Weizen trennt. "Aus technischer Sicht ist dieser Bereich zu einem Kampf um die Differenzierung der Wettbewerbsfähigkeit geworden. Wer da einen besseren Job gemacht hat, hat mehr gewonnen als andere, weil sie innerhalb der gleichen technischen Vorschriften und der gleichen Herausforderungen gearbeitet haben", analysierte der McLaren-Teamchef.

"Die Regelungen sind alles andere als offensichtlich. Ich würde also definitiv nicht sagen, dass es sich um fehlerhafte Regeln handelt. Ich denke, dass sie unbeabsichtigte Herausforderungen mit sich gebracht haben, aber auch ein großes Spektrum an Möglichkeiten, um Unterschiede für diejenigen zu schaffen, die bessere Arbeit leisten konnten als andere. Und es wäre, denke ich, unfair, dies nicht anzuerkennen", beendete Stella eine seiner gewohnt gehaltvollen Erklärungen.