Weihnachten ist vorbei, wir rasen auf das neue Jahr zu. Zeit, die Formel-1-Saison 2023 endgültig zu den Akten zu legen. Die Redakteure von Motorsport-Magazin.com setzen sich dafür ein letztes Mal noch zusammen. Und sammeln ihre Meinungen zum letzten Jahr. Jeder kommt zu Wort, und Tag für Tag behandeln wir die größten Talking Points.

Heute beginnt diese Kurz-Serie mit der Frage nach der größten Überraschung. McLaren und Aston Martin mit plötzlichem Gipfelsturm, was davon war spektakulärer? Oder sollten wir doch in die USA, oder doch zu Mercedes schauen? So denkt MSM.

McLaren sticht Aston Martin aus: Die größte aller Wenden

Hoffnung in Orange
von Florian Niedermair
Dass ein Team über den Winter plötzlich so auftrumpft wie Aston Martin, ist äußerst selten und beeindruckend. Aber noch viel weniger konnte man damit rechnen, dass McLaren im Laufe des Jahres plötzlich den Stein der Weisen findet. Die Papaya-Orangen wurden praktisch über Nacht wieder zum Topteam und waren nach Österreich die zweitbeste Mannschaft der Formel 1. Die Upgrades aus Woking zeigten der Konkurrenz in Silverstone wie es geht. Während Aston Martin falsch abbog, konservierte das Team von Andrea Stella seine Position. Falls jemand Red Bull 2024 gefährden kann, dann McLaren.

McLarens Turnaround
von Christian Menath
Teamchef weg, Performance weg, Technik-Chef weg: Ich hätte nach dem Start in die Saison viel Geld darauf gewettet, dass McLaren komplett zerfällt. Zum Glück habe ich das nicht getan! Niemals hätte ich mit diesem Turnaround gerechnet. Andrea Stella ist für mich der Garant dieses Erfolgs. Er hat die nötige Ruhe bewahrt und führt das Team überlegt und bestimmt. Jetzt bin ich gespannt, ob mit der neuen Infrastruktur der nächste Schritt gelingt.

McLarens Turnaround
von Tobias Mühlbauer
Als ein Fan des Teams hätte ich niemals an das geglaubt, was nach dem Österreich GP mit McLaren passiert ist. Das Team lag am Boden. Zu lange wurden die Fans mit Prognosen vertröstet. Die Umstrukturierung, neue Infrastruktur, neue Konzepte: All das brauche Zeit. All das haben wir aber auch schon zigmal gehört. Alpines berühmte Fünfjahrespläne lassen grüßen. McLaren hingegen hat uns nicht angeflunkert. Alles, was uns Andrea Stella, Zak Brown und Co. mitteilten, war schlichtweg eine realistische Einschätzung der Lage: Über die Defizite, aber auch über die Verbesserungspotentiale. Respekt!

Team-Party bei McLaren nach Silverstone-Durchbruch, Foto: LAT Images
Team-Party bei McLaren nach Silverstone-Durchbruch, Foto: LAT Images

McLaren schlägt zurück!
von Carina Teifelhard
Neun Podiumsplätze, ein Sprintsieg und der vierte Platz in der Konstrukteurs-WM: Hätte man mir nach dem ersten Rennen gesagt, dass McLaren hinter dieser Statistik steckt, hätte ich vermutlich gelacht. In Bahrain flog der MCL60 der Papaya-Truppe noch um die Ohren, Update für Update landete das Team dann aber einen Volltreffer und jagte zwischenzeitlich sogar Max Verstappen im Red Bull. Klar, auch Mercedes machte einen eindrucksvollen Sprung nach vorne, die Silberpfeile dümpelten am Anfang des Jahres aber nicht auf den hinteren Plätzen herum.

Ein Rookie rauf, ein Rookie runter

Ein Stern ging auf: Oscar Piastri
von Samuel Marton
Dass Oscar Piastri ein unglaublich talentierter Fahrer ist, ging bereits aus den Nachwuchsserien der Formel 1 hervor. Doch natürlich stellt die Königsklasse des Motorsports ein ganz anderes Kaliber dar, das in der Vergangenheit schon viele vermeintliche kommende Weltmeister verschluckte und in den Tiefen der Motorsport-Welt wieder ausspuckte – sei es die Formel E oder andere Serien. Piastri hat sich diesem Horror-Szenario widersetzt und seinen Teamkollegen in einigen Situation sogar alt aussehen lassen. Dass auf Lando Norris immer noch ein Stück fehlt, ist keine Frage, der Sprint-Sieg in Katar war dennoch eines von vielen Ausrufezeichen.

Doch nichts mit amerikanischem Traum
von Markus Steinrisser
Ich kann mich nicht zu einer positiven Überraschung durchringen nach diesem Jahr. Tut mir leid, ehrlich. Logan Sargeant hatte ich sicher nicht als Fahrer eines Kalibers von Oscar Piastri auf der Rechnung, aber seine Juniorkarriere war doch zumindest respektabel, sowohl in F2 als auch F3. Dass er sich in der Formel 1 auf dem Niveau eines Nicholas Latifi bewegt - ein Latifi, der wohlgemerkt fünf Jahre und ein schwaches Feld brauchte, um in der Formel 2 überhaupt um einen Titel mitzufahren - ist dann schon enttäuschend. Dauerletzter mit nur einem Abstauberpunkt ist richtig, richtig schlecht.

Vegas Wunder
von Isabelle Grasser
Vor dem Las-Vegas-GP häufte sich die Kritik. Es würde zu kalt werden, die Strecke sei ungeeignet und ohnehin gehe es in der Glückspielstadt nur um die Show. Die Skepsis bei F1-Fans und -Fahrern war groß. Mit dem Schachtdeckel-Drama in FP1 galten die Bedenken schon bestätigt. Doch dann die Überraschung im Rennen! Mehrere Führungswechsel, ein Dreikampf zwischen Max Verstappen, Sergio Perez und Charles Leclerc und Spannung bis zum Schluss. Das viel bekrittelte Vegas-Comeback landete im MSM-GP-Ranking schließlich auf dem ersten Platz und ließ sogar Hauptkritiker Verstappen schwärmen.

Unwort des Jahres: Konzept
von Rebekka Bauer
Meine Überraschung des Jahres ist 2023 eine negative. Nach sieben Fahrer- und acht Konstrukteurstiteln sollte der W13 ein einmaliger Ausrutscher in einer Reihe von Mercedes-Erfolgsboliden bleiben. Die 13 als Unglückszahl - das passt. 2023 mit schwarzer Lackierung läuft alles anders. Stattdessen: Wieder ein Traktor, diesmal eben schwarz statt silber. Technik-Chef Mike Elliott musste zuerst seinen Posten räumen, dann ganz aus Brackley verschwinden. Noch immer unklar, was ein Konzept ist, aber 2024 soll damit endgültig Schluss sein. Zuletzt kein Rennen gewann Mercedes 2011. Bis zu diesem Jahr.