Selten hat ein Fahrer schon vor seinem Formel-1-Debüt so sehr für Schlagzeilen gesorgt wie Oscar Piastri. Das australische Supertalent ließ seine Förderer von Alpine links liegen, nachdem diese ihm nicht rechtzeitig einen Platz in der Königklasse in reservierten. McLaren schlug zu und sorgte so für eine der größten Transfergeschichten der Formel 1. Doch damit einher ging auch eine große Erwartungshaltung. Wer sich so verhält, der hat doch vielleicht ein bisschen zu viel Selbstvertrauen?

Nach einem Jahr Formel 1 können wir klar festhalten: Nein, hat er nicht. Piastri wusste sich und seine Lage genau einzuschätzen und hat mit seiner Entscheidung voll ins Schwarze getroffen. Auch wenn dem McLaren MCL60 erst mit dem Österreich-Update Flügel wuchsen, so hatte er am Ende das wohl beste Auto eines Rookies, seit Lewis Hamilton 2007 auch für McLaren debütierte. Und Piastri nutze dies mit einigen Sternstunden aus. Die relativ deutliche Niederlage im Teamduell gegen Lando Norris zeigt aber auch noch den Mangel an Erfahrung auf. Motorsport-Magazin.com nimmt die Saison des aufregendsten Rookies seit Jahren unter die Lupe.

Oscar Piastris Qualifying-Statistik 2023

Qualifying / Shootout2023
Bestes Ergebnis1 (1x)
Q3-Teilnahmen19
Ø Ergebnis9,4
Ø Rückstand auf Teamkollegen+ 0,192
Siege im Quali-Duell9 von 28

Oscar Piastri im Qualifying: Auch wenn eine Quote von 9 zu 21 gegen Norris sich nicht herausragend gut liest, so sollte der Abstand auf den Briten beachtet werden. Weniger als zwei Zehntel im Schnitt auf einen Mann, der im Vorjahr noch Daniel Ricciardo um fast eine halbe Sekunde abgehängt hatte, ist für ein Rookie-Jahr stark. Dazu sollte beachtet werden, dass Piastri auf einigen ihm unbekannten Strecken aufgrund des Sprint-Formates sogar nur ein Training bekam, ehe er schon auf Zeitenjagd gehen musste. In Austin etwa brummte ihm Norris sechs Zehntel auf, was den Schnitt am Ende nur noch besser dastehen lässt.

Ausgerechnet an einem solchen Wochenende zeigte Piastri aber auch sein Highlight. Im Sprint-Shootout von Katar sicherte sich der 22-Jährige die Pole für das Kurzrennen. Das war aber bei weitem nicht die einzige Kostprobe seines Könnens. Schon im zweiten Qualifying des Jahres in Saudi-Arabien pilotierte er einen damals noch grottenschlechten McLaren ins Q3 und schlug Norris. In Belgien bewies er, dass er es auch auf angefeuchteter Piste kann und wurde im Sprint-Shootout nur von Max Verstappen geschlagen.

Demgegenüber steht wenig, dass man stark kritisieren müsste. Sein einziger grober Fehler im Qualifying datiert auf den Kanada-Grand-Prix, als er sein Auto in die Wand warf. Sein schwacher Auftritt in Österreich ist auch dem Fakt geschuldet, dass er noch das alte Auto fahren musste. In Singapur schied er in Q1 aus. Seine letzte schnelle Runde konnte er aufgrund des Crashs von Lance Stroll aber nicht mehr beenden. Die Mängelliste des Qualifiers Oscar Piastri ist für einen Rookie äußerst kurz.

Oscar Piastris Renn-Statistik 2023

Grand PrixSprint
Bestes Ergebnis2 (1x)Sieg (1x)
Ø Zielankunft9,67,3
Ausfälle30
Punkte9715
WM-Platz9

Oscar Piastri im Rennen: Blicken wir auf Piastris Rennbilanz, so erkennen wir, dass reines Talent mangelnde Erfahrung nicht immer aufwiegen kann. Insbesondere beim Reifenmanagement hat der Australier selbst seine größte Baustelle ausgemacht. Ausgerechnet sein erstes von zwei Podien in diesem Jahr ist ein gutes Beispiel. Als Teamkollege Lando Norris in Suzuka an ihm vorbeigegangen war, fuhr er ihm in nur einer halben Renndistanz um 20 Sekunden davon. Da der McLaren in Japan aber derart gut lief, reichte es als Dritter trotzdem zum ersten Podest eines Rookies seit Lance Stroll in Baku 2017.

Das Highlight des Jahres gab es erneut in Katar zu sehen, als Piastri auch unser Fahrerranking mit einer Traumnote gewann. Sieg im Sprint und im Rennen nur von Max Verstappen geschlagen. Dass dieser Erfolg bei einem Rennen mit drei Pflichtboxenstopps aufgrund der kritischen Reifenlage eingefahren wurde, ist allerdings wohl auch kein Zufall. Fehler im Rennen gab es für einen Rookie nicht zu viele zu sehen. In Belgien sorgte ein Rennunfall mit Carlos Sainz am Start für das Aus. In Austin musste er aufgrund eines Schadens nach Kontakt mit Esteban Ocon abstellen. Beide Vorfälle waren allerdings keine haarsträubenden Aufreger. Das große Defizit bei Piastri ist tatsächlich der Umgang mit den Reifen.

Der Saisonverlauf Piastris verlief zunächst parallel mit McLarens Form. Ging in Sachen Punkten zu Saisonbeginn so gut wie nichts, war er ab Silverstone immer wieder vorne dabei und holte sich die beiden erwähnten Podien. 97 Punkte sind die beste Ausbeute eines Rookies seit dem Bestehen des aktuellen Punktesystems aus dem Jahre 2010. In den letzten Saisonrennen wurde Piastri dann aber etwas der Stecker gezogen. Während Lando Norris weitere Podestplätze einfuhr, musste der Australier eine kleine Krise hinnehmen. Diese war aber teilweise auch Pech geschuldet, so wurde er bswp. in Brasilien am Start abgeschossen und verlor unverschuldet jede Chance auf Punkte.

Oscar Piastris Formel-1-Saison 2023 in Noten

MSM-RankingNote(Platz)
Gesamtnote2,64 (8.)
Redaktionsnote2,61 (10.)
Lesernote2,67 (7.)
Bestes RennenKatar (1,09 - 1.)
Schlechtestes RennenÖsterreich (4,15 - 17.)

Das sagt Oscar Piastri zu seiner Rookie-Saison: "Ich habe mein erstes Jahr in der Formel 1 sehr genossen. Es gab einige großartige Höhepunkte und einige schwierige Momente, aber das ist alles Teil der Erfahrung. Ich freue mich jetzt auf eine kleine Auszeit. Danke an das Team an der Strecke und in Woking, danke an alle Fans, die uns dieses Jahr auf unserer Achterbahnfahrt begleitet haben. Wir werden nächstes Jahr um mehr kämpfen."

Das sagt MSM: Dass McLaren den Vertrag mit Oscar Piastri bereits vor Ende der Saison bis 2026 verlängert hat, obwohl der Australier ohnehin noch bis Ende 2024 gebunden war, sagt eigentlich alles aus. Piastri ist nichts anderes als ein kommender Star der Formel 1. Der Australier hat sofort mit seinem Speed und seiner Coolness überzeugt. Gröbere Fehler gab es selten zu sehen, selbst als er mit den Großen der Zunft kämpfte. Nur das Reifenmanagement darf noch als eine große Schwäche gelten, doch hier kann der Australier in Zukunft sicherlich dazulernen. Mit Lando Norris hat er eine sehr starke Messlatte im Team, an der er sich weiterhin orientieren kann. Und nach seiner kontroversen Entscheidung, Alpine für McLaren zu verlassen, dürfte auch kein Hahn mehr krähen. Woking hat mit neuer Infrastruktur, prominenten Personalanwerbungen und einem neuem Mercedes-Deal die Weichen für einen weiteren Aufstieg im Formel-1-Feld gestellt. Es gibt so gut wie keinen Zweifel, dass es für Piastri in Zukunft nur noch weiter nach oben gehen wird.