1. Was ging bei Leclerc kaputt?

Charles Leclercs Rennen war vorbei, ehe es überhaupt begonnen hatte: Der Ferrari-Pilot flog in der Formationsrunde ab. Es war aber kein Fahrfehler, wie man schon auf den ersten Blick erkennen konnte. Unmittelbar bevor er sich in Kurve sechs von der Strecke drehte, blockierten die Hinterräder. Das kann man durch den entstehenden Rauch auf den TV-Aufnahmen sogar erkennen. Leclerc machte dafür schnell die Hydraulik verantwortlich, weil er kurz zuvor schon die hydraulisch unterstützte Servolenkung verlor.

Tatsächlich aber war es nicht die Hydraulik: Ein Elektronik-Problem löste eine Kettenreaktion aus. Zuerst war die Hydraulik davon betroffen, dann wurde der Motor abgeschaltet. Dadurch blockierte die Hinterachse. Weil nur der Frontflügel beim Abflug beschädigt wurde, versuchte Leclerc seinen Boliden noch einmal in Gang zu setzen. Mithilfe der MGU-K konnte er den Ferrari-V6 noch einmal befeuern, doch nach wenigen Sekunden trat das gleiche Problem erneut auf. Der Monegasse stellte sein Auto schließlich am Streckenrand ab.

2. Wer war schuld am Start-Crash?

Das Rennen konnte nach dem Leclerc-Abflug ohne Verzögerung freigegeben werden - doch kurz darauf wurde es mit Rot unterbrochen. Die beiden Haas-Piloten und Alexander Albon waren miteinander kollidiert und sorgten neben einem Trümmerfeld in Kurve eins noch für einen beschädigten Reifenstapel. Die Stewards untersuchten den Fall erst gar nicht, aber wer war schuld am Unfall?

Alexander Albon und Kevin Magnussen erwischten gute Starts und gingen links (Magnussen) und rechts (Albon) an Nico Hülkenberg vorbei. Albon fuhr neben der Mauer und konnte nirgends hin. Auf der Innenseite versuchte Magnussen, Hülkenberg abzudrängen. Der Däne hatte innen genügend Platz, wollte aber seinen Position gegen Hülkenberg behaupten und auf der Ideallinie in die erste Kurve gehen.

Um Magnussen auszuweichen, ging Hülkenberg ein Stück nach rechts - wo allerdings Albon fuhr. Hülkenberg erwischte Albon am linken Hinterrad. Der Williams-Pilot verlor die Kontrolle, drehte sich nach innen weg und schoss Magnussen ab. Wenn jemand den Unfall hätte verhindern können, dann Magnussen.

3. Warum hatten Ricciardo und Piastri eine Runde Rückstand?

Als das Rennen nach der Rot-Unterbrechung wiederaufgenommen wurde, mussten Oscar Piastri und Daniel Ricciardo aus der Boxengasse hinterherfahren und durften nicht am stehenden Start aus der Startaufstellung teilnehmen. Grund dafür war, dass an beiden Autos während der Rennunterbrechung in den Garagen gearbeitet wurde. Die Mechaniker dürfen während einer Rennunterbrechung an den Autos arbeiten, dafür müssen die Boliden aber in der Fastlane stehen.

Ricciardo hatte beim Startcrash einen Reifen auf den Heckflügel bekommen, Piastri wurde vom sich wegdrehenden Magnussen im Heck getroffen. Beide Autos waren beschädigt, beide Piloten kamen sofort zur Reparatur an die Box. Das ist auch der Grund, weshalb beide mit einer Runde Rückstand den Restart aufnahmen: Rennleiter Niels Wittich unterbrach das Rennen nicht sofort nach dem Unfall, sondern ließ zunächst noch eine Runde hinter dem Safety Car fahren. An dieser Runde hatten Ricciardo und Piastri nicht teilgenommen.

4. Warum musste Russell aufgeben?

George Russell musste seinen Mercedes in Runde 57 in der Garage abstellen. Die Öltemperaturen an seiner Power Unit waren zuvor durch die Decke gegangen. Interessant: Schon früher im Rennen neigte der Antrieb im Heck von Russells Mercedes zu Überhitzen. Laut Renningenieur Marcus Dudley war die kontinuierliche Nutzung des Überhol-Modus Grund dafür. Russell befand sich lange Zeit im Zweikampf mit Teamkollege Lewis Hamilton.

Mechaniker bereiten in der Startaufstellung den Mercedes von Lewis Hamilton für den Brasilien GP 2023 vor.
War der Unterboden bei Mercedes zu hoch?, Foto: LAT Images

5. Warum war Mercedes so langsam?

Russells Ausfall war nicht Mercedes' größtes Problem. Denn vor der Aufgabe befand sich der Brite gerade so noch in den Punkten. Lewis Hamilton beendete das Rennen auf Platz acht. Trotz des großen Heckflügels rutschte der Mercedes in den Kurven und nahm die Reifen stärker her als andere Boliden. Eine Erklärung hat Mercedes noch nicht gefunden, teilweise ist die Performance aber wohl mit der Angst vor einer erneuten Disqualifikation zu erklären.

Mercedes ging in Brasilien auf Nummer Sicher und stellte die Bodenfreiheit des F1 W14 am letzten Sprintwochenende der Saison 2023 höher ein, um den Unterboden auf keinen Fall zu stark abzunutzen. In Austin war Lewis Hamilton wegen einer zu stark abgenutzten Unterbodenplanke disqualifiziert worden. "Wir sind das Auto viel zu hoch gefahren. Aber das war nicht der Hauptgrund für diese Performance", meint Toto Wolff. Eine bessere Erklärung hatte der Österreicher aber auch nicht parat.

6. Warum fuhr Alonso so komische Linien?

Fernando Alonso und Sergio Perez lieferten den Zweikampf des Rennens. In Runde 18 lag Perez erstmals hinter Alonso. Zur Rennhalbzeit war es kein Fernduell mehr, sondern ein direkter Zweikampf zwischen den beiden. Dabei konnte man beobachten, wie Fernando Alonso eigenwillige Linien fuhr. Vor allem in den beiden Linkskurven vor Start und Ziel fuhr Alonso immer wieder leicht versetzt.

Das hatte zwei Gründe: Einerseits musste der Routinier seine Reifen schonen. Um das mit wenig möglichst Zeitverlust zu erreichen, fuhr Alonso andere Linien. Aber der Aston-Martin-Pilot variierte. "Ich habe manchmal Linien gewechselt, weil ich nicht immer auf der gleichen Linie sein wollte. Dadurch hatte er [Perez] keine klare Richtung und konnte nicht von der Ideallinie fahren, um Clean Air zu bekommen. Ich wollte vor seiner Nase für Turbulenzen sorgen", erklärt Alonso selbst.

7. Warum mussten beide Sauber aufgeben?

Zhou Guanyu musste seinen Alfa-Sauber in Runde 22 in der Garage abstellen, Valtteri Bottas tat es seinem Teamkollegen in Runde 39 gleich. Xevi Pujolar, Saubers Renndirektor, erklärte die Aufgaben mit Problemen am Kühlsystem. Details konnte er nach dem Rennen noch nicht nennen. Interessant aber: Die Probleme bei Zhou und Bottas waren nicht identisch.

8. Warum gab es nach dem Rennen Ärger mit Fans?

Die Stewards mussten sich nach dem Grand Prix mit den Organisatoren auseinandersetzen. Als die letzten Fahrer die Ziellinie überquerten und in Richtung Kurve 1 einbogen, waren bereits Zuschauer auf dem Weg auf die Strecke. In den Onboard-Kameras zahlreicher Piloten ist eine Menschengruppe in der Auslaufzone klar ersichtlich. Wie bei Formel-1-Rennen üblich, dürfen die Fans am Ende des GPs auf die Strecke laufen und die Siegerehrung von der Start-Ziel-Gerade aus miterleben. Die Tore werden aber erst geöffnet, wenn alle Autos zurück in der Box sind.

Die Stewards verurteilten die 'Sao Paulo Formula 1 Organisation' dazu, der FIA bist zum 30. Januar 2024 einen Plan vorzulegen, um ähnliche Probleme in Zukunft zu verhindern. Die Entscheidung, ob diese Schritte zur Herstellung einer angemessenen Sicherheitslage als ausreichend betrachtet werden, liegt anschließend beim Motorsportweltrat. Möglicherweise spricht der auch noch eine Strafe gegen den Veranstalter aus.