Die Formel-1-Fans dürfen sich freuen, denn am Wochenende steht zur besten Sendezeit der Klassiker in Interlagos in Haus. Beim Brasilien-GP, der offiziell São Paulo Grand Prix heißt, gehören Action, Wetterkapriolen und Überraschungen zur Tagesordnung. Im Vorjahr erlebten wir eine Sensationspole von Kevin Magnussen, eine Kollision zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton sowie den ersten Karrieresieg von George Russell. 2023 wird das Rennen auf dem Autodromo Jose Carlos Pace zum dritten Mal in Folge im Spint-Format abgehalten und könnte wieder einiges zu bieten haben. Unsere Brennpunkte zur großen Samba-Party der Formel 1.

Brennpunkt 1: Stoppt das Brasilien-Chaos Verstappen?

In der Saison 2023 müssen wir uns nicht die Frage nach dem Favoriten stellen, denn er heißt stets Max Verstappen. Interessant ist vielmehr die Frage: Wann und wo kann der Dominator gestoppt werden? In den letzten 15 Rennen war dies nur einmal der Fall: In Singapur gewann Carlos Sainz. Die Formel-1-Fans sehnen sich nach etwas Abwechslung und da könnte Brasilien gerade recht kommen. Schon im Vorjahr war Interlagos neben Singapur das einzige der letzten 11 Saisonrennen, das der Weltmeister nicht gewinnen konnte. Auch 2023 gibt es wieder Unwägbarkeiten, über die Verstappen stolpern könnte.

2022 kollidierten Verstappen und Hamilton am Start, Foto: LAT Images
2022 kollidierten Verstappen und Hamilton am Start, Foto: LAT Images

Beim Sprint-Format gibt es nur ein Training und dann geht es in Parc Ferme. Dies wurde Red Bull bereits 2022 zum Verhängnis. Das Setup fraß die Vorderreifen zu stark. Mercedes war im Longrun stärker und gewann. Dazu kommt auch noch das Wetter, das immer wieder für Chaos sorgen und auch einen ausgewiesenen Regenspezialisten wie Verstappen zum falschen Zeitpunkt treffen kann. 2022 ging so etwa die Pole an Magnussen. Vor allem freitags und samstags soll es laut den Vorhersagen zu Regen kommen können, aber zumeist hält sich das Wetter in São Paulo ohnehin nicht an Prognosen. Dazu kommt auch noch das berüchtigte Senna-S. Schon im Vorjahr hatte Verstappen dort am Start eine krachende Begegnung mit Erzrivale Lewis Hamilton. 2019 wurde er beim Überrunden von Esteban Ocon abgeschossen und verlor den Sieg an Hamilton. Der Niederländer ist sicherlich wieder der klare Favorit, aber ein Spaziergang muss es deswegen nicht werden. Mercedes, Ferrari und McLaren werden alle auf ihre Chance lauern.

Brennpunkt 2: Hamilton beim 'Heimspiel' mit nächstem Schlag gegen kriselnden Perez?

2008 war Lewis Hamilton noch der Gegner der Brasilianer, entriss der Brite doch in der letzten Kurve Felipe Massa den Weltmeistertitel. Doch die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile feiern sie den Rekordweltmeister wie einen der ihren, was nicht zuletzt an dessen Verehrung für Brasilien-Ikone Ayrton Senna liegt. 2022 wurde Hamilton sogar die Ehrenbürgerschaft des Landes verliehen. Es ist also nicht übertrieben, von einem Heimspiel für Hamilton zu sprechen.

Lewis Hamilton liebt Brasilien, Brasilien liebt Lewis Hamilton, Foto: Daimler AG
Lewis Hamilton liebt Brasilien, Brasilien liebt Lewis Hamilton, Foto: Daimler AG

Die Unterstützung der Tribünen ist Hamilton sicher und diese wird er auch brauchen, wenn er Sergio Perez tatsächlich noch den zweiten Platz in der Weltmeisterschaft streitig machen will. Sein zweiter Platz in Mexiko hat den Rückstand auf 20 Punkte reduziert. Der Red-Bull-Pilot hingegen sorgte beim Heimrennen mit einer Startkollision gegen Charles Leclerc für den nächsten Tiefpunkt seiner andauernden Formkrise und schrieb den wohl bittersten Nuller seiner Karriere. Längst wird sein Cockpit für 2024 trotz Vertrages von vielen Seiten in Frage gestellt. Eine Niederlage gegen Hamilton in der WM-Wertung könnte sein Ende besiegeln. In Brasilien muss er dagegenhalten.

Brennpunkt 3: Ricciardo und AlphaTauri im Angriffsmodus

Apropos Perez' Cockpit bei Red Bull. Für dieses gibt es einen Bewerber, der diese Ambition bereits vor seinem ersten Rennen 2023 öffentlich gemacht hat: Daniel Ricciardo. Bei seinem vierten Saisonrennen in Mexiko hat der Australier im AlphaTauri seiner Ankündigung auch erstmals Taten folgen lassen, zuvor war er durch den in Zandvoort erlittenen Handbruch zurückgeworfen worden. In der Höhenluft von Mexiko City zeigte der 'Honeybadger' gewaltig auf. Platz Vier im Qualifying war eine Sensation und auch der siebte Rang im Rennen, bei dem er mit Oscar Piastri sogar einen McLaren hinter sich lassen konnte, machte mächtig Eindruck.

Damit hat sich AlphaTauri auf Rang acht der Konstrukteurswertung nach vorne geschoben und darf vielleicht sogar auf Rang sieben schielen, den aktuell Williams hält. Der AT04 ist nach seinen letzten Updates das wohl beste Auto aus der Mittelfeldgruppe ab WM-Rang sieben abwärts. Auch Yuki Tsunoda war in Mexiko klar auf Punktekurs, ehe er sie in einer Kollision mit Piastri wegwarf. Williams hat allerdings noch 12 Punkte Vorsprung und mit Alex Albon dürfte auf den langen Vollgas-Passagen in Brasilien durchaus zu rechnen sein. Dazu könnten im Brasilien-Chaos Big Points möglich sein, es wird also auch spannend im Tabellenkeller.

AlphaTauri-Fahrer Daniel Ricciardo
Daniel Ricciardo beeindruckte in Mexiko, Foto: LAT Images

Brennpunkt 4: Aston Martin im freien Fall

Aston Martin steht komplett im Wald. Den Kampf gegen McLaren um Rang vier der Konstrukteurswertung konnten sie nicht einmal annehmen, Woking ist einfach wie ein D-Zug vorbeigerauscht. Selbst ein Garant wie Fernando Alonso scheint mittlerweile von der Rolle und baute zuletzt unnötige Fehler ein. Das Team versteht sein Auto nicht mehr, hat sich mit unterschiedlichen Updates und Unterböden verrannt. Zweimal in Folge wurden die Autos zuletzt während eines Wochenendes umgebaut bzw. Vergleichstests gefahren. Nur im Rennen in Austin fruchtete die Maßnahme, sonst war Aston Martin auf Q1-Niveau unterwegs. Das Team braucht dringend ein Licht am Ende des Tunnels, doch ein Sprint-Wochenende mit nur einem Training, noch dazu auf der schwierigen Strecke in São Paulo, macht nur wenig Hoffnung auf einen Durchbruch mit dem AMR23.