Das Formel-1-Rennen in Mexiko bestand aus zwei Halbzeiten. Durch den Unfall von Kevin Magnussen in Runde 32 und die rote Flagge zwei Umläufe später wurde es ziemlich genau in die Hälfte geteilt. Einen Kampf um den Sieg gab es allerdings nicht: Max Verstappen führte zu diesem Zeitpunkt schon souverän und gewann auch den Restart.

Obwohl er auf einer 2-Stopp-Strategie war, hätte wohl auch ohne die rote Flagge niemand an seinem Sieg rütteln können. Dahinter brachte die Unterbrechung einiges an Bewegung in ein etwas eingeschlafenes Rennen. Strategisch profitierten vor allem jene Fahrer von der Unterbrechung, die einen kürzeren ersten Stint fuhren oder überhaupt noch gar nicht die Boxengasse angesteuert hatten.

Ferrari wird kalt erwischt: Rote Flagge direkt nach Boxenstopp

Für Ferrari kam die Unterbrechung zum ungünstigsten Zeitpunkt. Die Scuderia wurde von der guten Performance der Medium-Reifen überrascht und fuhr einen längeren ersten Stint. Lewis Hamilton zog in der 24. Runde einen Undercut durch. Die Antwort der Roten darauf war ein Reifendelta zu erzeugen: Leclerc wartete bis Runde 31 und konnte dann locker gegen den Mercedes-Piloten abdecken. Mit frischeren Reifen hielt er alle Trümpfe in der Hand.

Carlos Sainz hatte diesen Luxus nicht. Er wurde direkt vom Hamilton-Undercut erwischt, stoppte in Runde 30 und kalkulierte dank Reifen-Vorteil mit einem möglichen Angriff auf den Mercedes-Fahrer gegen Ende des Rennens. Spätestens mit der Unterbrechung nach dem Magnussen-Unfall und dem gratis Boxenstopp war dieser Zweikampf gegessen: Hamilton war vorbei.

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc
Ohne die Rotphase wäre Charles Leclerc wohl auf P2 gelandet, Foto: LAT Images

Leclerc verlor dadurch auch seinen Reifen-Vorteil der sieben Runden jüngeren Hards. Der Zeitpunkt der roten Flagge gab Ferrari zwei Optionen: Entweder man setzte auf angefahrene Medium-Reifen, mit dem Risiko dass die Pneus gegen Rennende komplett einbrechen würden, oder man wählte die Sicherheitsvariante mit den harten Gummis. Diese versprachen auf den ersten Runden nach dem Restart allerdings eine schlechtere Performance.

Den Italienern stellte sich diese Frage erst gar nicht. "Wir erwarteten nicht, dass wir 35 Runden mit den Medium-Reifen fahren könnten", stellte Teamchef Frederic Vasseur klar. Der weiß markierte Reifen blieb oben. Mercedes wurde aus der Not heraus zur goldrichtigen Entscheidung getrieben und wechselte auf die mittlere Mischung. "Wir konnten den Hard nicht nehmen, da er sieben oder acht Runden älter war, als jener bei unserer Konkurrenz", so Teamchef Toto Wolff.

Hamilton schlägt Leclerc mit den eigenen Waffen

Die Erkenntnis, dass der gelb markierte Pneus das Rennen durchhalten könnte, hatte man sich ausgerechnet bei Ferrari abgeschaut. "Charles hat 31 Runden auf dem Reifen gefahren und er ließ nicht wirklich nach. Deshalb trafen wir die Entscheidung", so Wolff. Der gebrauchte Medium bei Hamilton hatte zu diesem Zeitpunkt eineinhalb Runden auf dem Buckel, war also auch so gut wie neu.

Womit Ferrari aber nicht kalkuliert hatte: Der harte Reifen funktionierte am SF-23 deutlich schlechter als noch das etwas weichere Pendant. Leclerc befand sich direkt ab dem Restart in einem letztendlich chancenlosen Verteidigungskampf gegen Hamilton. In Runde 40 war der siebenfache Weltmeister vorbei auf P2.

Norris stolpert über Safety-Car-Stopp

Auf dem Papier war die rote Flagge auch perfekt auf die Strategie von Lando Norris abgestimmt. McLaren ließ ihn mit den Soft-Reifen starten und plante einen extrem frühen Boxenstopp ein, um ihn in die saubere Luft zu bekommen. Dadurch erlangte er einen im Vergleich zur direkten Konkurrenz bis zu 20 Runden andauernden Undercut-Vorteil beinahe zum Nulltarif, was ihn bis auf P8 nach vorne spülte. Der Preis dafür wäre ein weiterer Boxenstopp in der zweiten Rennhälfte gewesen.

Die Unterbrechung nullte sein Strategie-Defizit für den restlichen Nachmittag. Doch das perfekte Timing brachte alles nicht, da McLaren zu schnell auf den Unfall von Kevin Magnussen reagierte. Norris wurde nach dem Ausrufen das Safety Cars zum Reifenwechsel reingeholt und gab damit zwei Positionen her. Er rehabilitierte sich durch einen starken Schlussspurt bis auf P5.

Yuki Tsunoda war im ersten Rennabschnitt strategisch so etwas wie der Norris-Klon. Auch AlphaTauri entschied sich für einen frühen Stopp, um in die frische Luft zu kommen und genauso wie der Brite plante man einen langen zweiten Stint ein. Doch im Gegensatz zu Norris wechselte Tsunoda erst mit der roten Flagge seine Pneus und übernahm so P8.

Norris war nicht der einzige Fahrer, der in die Safety-Car-Falle tappte. Alex Albon, der bis dahin keinen einzigen Reifenwechsel absolvierte hatte, wurde von Williams umgehend an die Box beordert und fiel dadurch von Position 9 auf P12 zurück. Max Verstappen war der dritte Fahrer, der unter dem Safety Car stoppte, bei seinem Vorsprung machte dieser Stopp aber positionell keinen Unterschied. Unter dem Strich war er aber dennoch ein Sieger der Renn-Neutralisation, denn ansonsten wäre Red Bull auf einer 2-Stopp-Strategie unterwegs gewesen.

Esteban Ocon zockt und gewinnt

Alpine traf mit der Strategie von Esteban Ocon genau ins Schwarze. Der Franzose war im Rennen eigentlich fernab der Punkte unterwegs. Auch ohne Stopp lag er in Runde 32 gerade einmal auf der 14. Position. Zu verlieren hatte das Team aus Enstone eigentlich nichts und so reagierte man erst gar nicht auf das Safety Car.

Der erste und einzige Reifenwechsel des Rennens erfolgte mit der roten Flagge. Einen guten Restart später befand er sich im Kampf um die letzten Punkte. Da am Haas im Gegensatz zum Alpine die Medium-Reifen nicht bis ins Ziel durchhielten, reichte es zu P10. Ocon war der einzige Fahrer, der das Rennen ohne einen echten Boxenstopp durchfahren konnte.