Fünf Stunden vor Rennbeginn der Paukenschlag in Katar: Die Reifen sind nicht sicher. Der Schlachtplan von Pirelli lautete: Maximal 18 Runden, 3 Pflicht-Boxenstopps. Dazu neue Track Limits. Und das alles an einem Sprint-Wochenende. Ein Albtraum, besonders für die Strategieabteilung. Oder? So gingen die Formel-1-Teams mit der Herausforderung um.

Herausforderung Sprint: Freitag für Rennen unbrauchbar

"Erst nach dem Sprint hat man etwas Konkretes, das man für das Rennen analysieren kann. Die ganze Planung muss dann an einem Abend stattfinden", beschreibt Rosie Wait, Chefstrategin von Mercedes, die Herkules-Aufgabe. "Am Freitag lernst du nicht sehr viel Relevantes für das Rennen."

Am Freitag muss 'nur' innerhalb eines Freien Trainings das optimale Setup für das Wochenende gefunden werden. Das allein macht Sprint-Wochenenden zur Herausforderung. Auf dem Lusail International Circuit kam die Reifenproblematik hinzu. Pirellis Analysen zeigten eine Laufflächenablösung an den Pneus, auf die aus Sicherheitsgründen reagiert werden musste. Problem: Wie, oder was, war lange nicht fix.

Mercedes Schlachtplan für Katar: Nachtschicht war Pflicht

"Die möglichen Regeländerungen machten die Herausforderungen des Sprintwochenendes nur noch größer", sagt Wait. Am Freitag war noch unklar, worauf sich das Team überhaupt vorbereiten sollte. "Wir hätten Zeit zur Vorbereitung gehabt, wussten aber nicht auf was." Am Samstagabend wusste Mercedes, was geplant ist, aber noch nicht, ob es eintritt oder nicht.

McLaren-Fahrer Oscar Piastri beim Boxenstopp
Viel Betrieb herrschte in Katar in der Boxengasse, und am Kommandostand, Foto: LAT Images

"Du hast sowieso schon so viel Arbeit und wir mussten entscheiden, wie sehr wir uns von einer möglichen Regeländerung von unserer normalen Arbeit ablenken lassen wollen." Die Lösung: Eine Nachtschicht für Rosie Wait, und ihr zehnköpfiges Strategie-Team.

Am Sonntagnachmittag die Bestätigung der Regeländerungen: Zu spät für ein umfangreiches Strategie-Meeting, aber Mercedes war vorbereitet. Auch dank Nachtschicht. "Der Kern des Teams blieb bei ihren normalen Analysen für das Rennen", erzählt die Chefstrategin. "Ich habe einige zusätzliche Aufgaben übernommen."

Neue Simulator-Programme und Post-Its für den F1-Erfolg

Wait kümmerte sich vor allem um riskante, aber potenziell sehr erfolgreiche Strategien und die (vielleicht auftretenden) neuen Reifen-Regeln. Es wurde unter anderem ein neues Programm für den Simulator im Schnellverfahren entwickelt, das bereits die verkürzten Stints und Pflicht-Stopps inkludierte.

"Wir benutzten auch einige sehr primitive Werkzeuge, um die Reifensituation der anderen Teams zu überwachen", verrät die Britin. Unter anderem Excel-Sheets und Klebezettel. "Im Rennen mussten wir sehr dynamisch mit unseren Prioritäten umgehen - und viel genauer auf verfügbare Reifensätze und auf das Timing der Boxenstopps achten."

Mercedes-Fahrer George Russell nach Boxenstopp
George Russell kämpfte sich mit einer guten Performance und Strategie von P18 auf P4 zurück, Foto: LAT Images

Mercedes im Hintertreffen: Beste unter schlechten Lösungen gewählt

Besonders schwierig war, dass Mercedes strategisch durch die verfügbaren Reifen von George Russell und Lewis Hamilton sehr eingeschränkt war. "Wir hatten mehr Runden auf unseren Reifen als die meisten anderen, und hatten deswegen das Nachsehen. Besonders bei Lewis", so Wait. Der Start auf dem Soft-Reifen war dann die am wenigsten schlechte Option.

Am Ende unbelohnt, Lewis Hamilton kam nur bis zur ersten Kurve, bevor er mit seinem Teamkollegen kollidierte. George Russell zeigte mit einer Aufholjagd vom letzten zum vierten Platz, was möglich gewesen wäre. Trotzdem versucht Mercedes, das Positive zu sehen.

Fazit: Schlecht für Hamilton, gut für Mercedes-Teamdynamik

"Am Sonntag haben wir alle Hände voll zu tun gehabt, damit wir das Rennen gut abschließen. Alle verfügbaren Ressourcen wurden eingesetzt", meint Rosie Waits abschließend. Nun sei das ganze Team müde. "Aber alle haben es genossen, sich selbst herauszufordern und unter hohem Druck zu arbeiten. Es war einmal etwas anderes und hat die ganze Gruppe beflügelt."