Die 'Perfect Season' ist ein Traum in jedem Sport. Ein Jahr lang ungeschlagen sein. In der Formel 1 gab es das noch nie. Red Bull, vor allem dank Max Verstappen, hat es 2023 immerhin bis zum 13. Rennen der Saison geschafft. Doch ausgerechnet bei Nummer 14 in Monza muss das Erfolgs-Duo gegen Ferrari antreten. Die haben hier schon einmal eine 'Perfect Season' ruiniert. Und 2023 stehen ihre Chancen sogar noch besser als beim berühmten Italien-GP von 1988.

Formel-1-Rückblick: Ferrari ruiniert eine Perfect Season in Monza

1988 ist bekannt als die dominanteste Saison der Formel-1-Geschichte. McLaren gewann 15 der 16 Rennen, die Siegquote von 93,75 Prozent ist bisher unerreicht. Aber die unbefleckte Weste schaffte man nicht. Beim zwölften Rennen in Monza wurde McLaren von Ferrari zu Fall gebracht.

Gerhard Berger und Ferrari schockten 1988 in Monza die Formel 1, Foto: Sutton
Gerhard Berger und Ferrari schockten 1988 in Monza die Formel 1, Foto: Sutton

Der erste McLaren, mit dem vierfachen Weltmeister Alain Prost am Steuer, fiel von Platz zwei aus gestartet nach 34 Runden mit Motorproblemen aus. Doch solche Ausfälle passieren, das wirkliche Drama kam in Runde 49 von 51. Der von der Pole losgefahrene zweite McLaren, der des dreifachen Weltmeisters Ayrton Senna, hatte den Sieg praktisch in der Tasche. Dann kollidierte er beim Überrunden in der ersten Schikane mit Jean-Louis Schlesser, der als Williams-Ersatzpilot seinen ersten und einzigen Grand Prix fuhr.

Senna fiel aus. Ein Geschenk für die dahinterliegenden Ferrari von Gerhard Berger und Michele Alboreto, die die letzten Runden im Formationsflug beendeten und Tausende Tifosi mit dem Doppelsieg zur völligen Ekstase trieben. Dass es das erste Rennen in Monza nach dem Tod von Firmengründer Enzo Ferrari war, ergänzt die Legende. Damit zurück zur Gegenwart.

Ferrari 2023: Viel gefährlicher als Ferrari 1988

1988 war Ferrari realistisch gesehen kein Siegkandidat. Senna hatte das Rennen nach Prosts Ausfall bis ins Ziel kontrollieren wollen, hatte eine teils über 20 Sekunden große Lücke ins Ziel managen wollen. 2023 sieht das anders aus. Es beginnt damit, dass Carlos Sainz seinen Ferrari auf die Pole gestellt hat. Max Verstappen unterlag um 13 Tausendstel.

Charles Leclerc lauert dahinter, auch er lag im Qualifying innerhalb der gleichen Zehntel. Das Trio war klar dem restlichen F1-Feld überlegen. Der zweite Red Bull von Sergio Perez landete mit Respektabstand von 0,394 Sekunden auf dem fünften Rang.

Im Renn-Trimm können die Ferrari diesmal nicht so einfach abgeschrieben werden. "Die Renn-Pace war okay", hält Teamchef Fred Vasseur auf 'Sky UK' fest. Tatsächlich war Leclerc am Freitag in etwa auf Augenhöhe mit Verstappen und Perez. Allerdings waren die Renn-Vorbereitungen kurz, teils nur fünf Runden lang: Eine von Perez ausgelöste rote Flagge unterbrach das zweite Training.

Monza beste Chance auf Sieg für den Ferrari?

Ferrari hat 2023 bereits mehrmals bewiesen, dass Highspeed-Strecken dem SF-23 am besten liegen. Er ist aerodynamisch sehr effizient, wenn er ein Low-Downforce-Paket aufgeschnallt bekommt. In Spa, Baku und Kanada war er solide, wenngleich nicht auf Red-Bull-Niveau.

Ferrari-Fahrer Carlos Sainz Jr.
Der Ferrari ist mit wenig Flügel in Monza schnell, Foto: LAT Images

Monza lässt Ferrari noch einmal besser dastehen, denn ist die verbrachte Zeit in den verhassten schnellen Kurven relativ zu den beliebten Traktionsbereichen und Geraden stark beschränkt. Außerdem fährt auch Red Bull nun ein Low-Downforce-Paket. Üblicherweise setzt man dort gerne mehr Abtrieb. Der Red Bull RB19 ist nämlich fundamental effizienter als alle anderen, verliert also auch mit viel Abtrieb nur wenig Zeit auf den Geraden.

In Monza braucht es aber so viel Topspeed, dass selbst Red Bull verkleinerte Flügel nehmen muss, um nicht auf den Geraden zu verhungern. Tests mit einem größeren Flügel in FP1 waren nicht von Erfolg gekrönt. Jetzt, wo beide Autos mit kleinen Flügeln fahren, schrumpft der Red-Bull-Vorteil in den Kurven. Er ist noch immer da - in den Lesmos, der Ascari-Schikane und in der Parabolica ist der RB19 schneller - aber nicht mehr so extrem.

Red Bull droht mit Renn-Setup: Nach Freitags-Chaos wieder auf Kurs

Heute Hoffnungen aus den ausgeglichenen Freitags-Longruns zu ziehen könnte sich jedoch als sehr trügerisch erweisen. Denn Red Bull war sich in Sachen Setup mehr als unsicher, als man am Freitag erstmals das Low-Downforce-Paket montierte. "Hier war es etwas schwieriger für uns, den richtigen Ausgleich beim Abtrieb zu finden", gestand Verstappen nach dem Qualifying.

Schlüsselwort: "War." Damit ist es am Samstag vorbei. Verstappen war sowohl im Qualifying-Trimm als auch im Renn-Trimm mit dem RB19 zufriedener. Im Renn-Trimm hatte Red Bull am Freitag noch mit der Balance zu kämpfen gehabt, während beide Ferrari-Fahrer den ganzen Tag über mit vollen Tanks glücklich gewesen waren.

"Unser Flügel ist besonders für die schnelle Runde nicht der beste, aber im Rennen sollte es besser laufen", prognostiziert Verstappen danach. Hat Red Bull nun das Auto im Renn-Trimm aussortiert, sind das schlechte Nachrichten für Ferrari. Dann ist das Bild nämlich nicht mehr wie am Freitag ausgeglichen. Dann könnte Red Bull schnell davonziehen.

Red Bull-Fahrer Max Verstappen
Red Bull auf Abwegen - die Wahrscheinlichkeit schrumpft, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Genau das befürchtet Carlos Sainz: "Sobald der Red Bull fünf oder sechs Runden auf dem Reifen hat, und alles sich etwas abzunutzen beginnt, dann kommt er. Das ist seine Stärke, das sehen wir das ganze Jahr."

Williams-Zug macht dem Mittelfeld in Monza Angst

Auch strategisch ist Ferraris Vorteil mit zwei Autos gegen eines nur begrenzt, denn Sergio Perez muss nur einen Konkurrenten überholen. Das ist der von P4 startende George Russell. Mercedes tut sich das ganze Wochenende schwer. Ein schneller vierter Platz von Perez würde Red Bulls Strategie immens helfen, weil Ferrari dann nicht mit gesplitteter Strategie Druck aufbauen kann. Pirelli tippt auf einen Stopp, trotz der weichstmöglichen Reifenpalette.

Hinter den Top-4 sieht sich keiner am Samstag ernsthaft im Podiumskampf. Russell hat noch Außenseiterchancen. Auf Platz sechs folgt Alex Albon, und der könnte dem Rest des Verfolgerfeldes richtig auf die Nerven gehen. Der topspeedstarke Williams wird für McLaren, Mercedes und Aston Martin - auch mit DRS am schwächeren Ende der Skala angesiedelt - kaum zu überholen sein, außer seine Reifen brechen ein. Das geschah in Spa, lag dort aber an kaputten Bremsverkleidungen. Ein Problem, das hoffentlich gelöst ist. Das ganze Rennen der Formel 1 heute in Monza gibt es hier im Liveticker.