Die Rennstrategen im Formel-1-Team von Ferrari erarbeiteten sich in den letzten Jahren einen schlechten Ruf und mussten etwa in den sozialen Netzwerken viel Kritik einstecken. Im Winter räumte der neue Teamchef Frederic Vasseur, der von Alfa-Sauber zur Scuderia wechselte, in der Strategie-Abteilung auf: Strategie-Chef Inaki Rueda wurde durch Ravin Jain ersetzt.

Ein Schritt der Früchte trägt, wie Vasseur findet. "Die Strategie hat bisher sehr gut funktioniert", bilanzierte der ehemalige Alfa-Leiter am Rande des Großbritannien-GPs seine ersten neun Rennen mit der Mannschaft aus Maranello. "Man ist nie davor gefeit, einen Fehler zu machen, aber ich denke so ist es bei jedem Team, denn sehr oft hängt die Strategie davon ab, was auf der Runde nachher passiert", erklärte er.

Vasseur lobte das professionelle Verhalten der zuständigen Abteilung wenn es um strategische Entscheidungen ging. "Wir haben keine Glaskugel in der Boxengasse, aber die Stimmung an der Boxenmauer ist sehr ruhig und das ist das allerwichtigste, wenn man gute Entscheidungen treffen will", sagte er.

Fahrer kritisieren Ferrari-Strategie: Das sagt Vasseur

Dass der Außeneindruck der Ferrari-Strategieabteilung in diesem Jahr trotzdem größtenteils negativ ist, liegt auch an den Fahrern. Vor allem Carlos Sainz motzte bei mehreren Rennen gegen die Strategie, so etwa in Österreich oder Monaco. Beide Male korrigierte ihn Vasseur nach dem Grand Prix.

"Sie (die Fahrer) haben kein umfassendes Bild vom Rennen, sie wissen nicht in welchen Positionen andere Autos sind, sie wissen nicht wann ein virtuelles Safety Car ausgegeben wurde und so weiter", erklärte der Ferrari-Teamchef. In Monaco verteidigte er einen vermeintlich zu frühen Boxenstopp im Kampf gegen Esteban Ocon um Platz 3 damit, dass der Ferrari-Pilot ansonsten eine Position an George Russell eingebüßt hätte.

In Österreich ärgerte sich Sainz über einen Nichtangriffspakt zwischen den beiden roten Boliden, da er die seiner Meinung nach bessere Pace hätte gehen können als Charles Leclerc. "Ich denke es ist mit allen Fahrern der Welt so. Wenn man ihnen sagt, dass sie hinter ihrem Teamkollegen bleiben sollen, werden sie sich beschweren", so Vasseur.

Dabei kam in Spielberg ein spezieller Effekt zu tragen, der nur auf einigen Strecken vorkommt: Das DRS ist so stark, dass man selbst bei schwächerer oder ähnlicher Pace einem Fahrer folgen kann. "Das wichtigste für uns war, von Platz 4 davonzuziehen und einen Zweikampf zu vermeiden", erklärte Vasseur diese Strategie. "Das war vor dem Rennen so abgemacht und es war eine gute Entscheidung." Auch die Entscheidung, die frühe VSC-Phase für einen Boxenstopp zu Nutzen sei richtig gewesen. Langsame Stopps und Pech beim Timing des VSC-Endes kosteten Sainz allerdings trotzdem Positionen und möglicherweise Ferrari das Doppel-Podium.

Ferrari-Strategie in Silverstone zu konservativ

In Silverstone wurden die Ferrari-Strategen aber dem Lob, das Vasseur ihnen vor dem Wochenende aussprach, nicht gerecht. Aufgrund einer Fehlkalkulation ging die Scuderia das Rennen falsch an. "Wir waren viel zu konservativ", sagte Vasseur. Sie vertrauten mangels Long-Run-Zeiten auf ihre Erfahrungswerte und gingen von einem hohen Reifenverschleiß aus, doch in der Realität war der Reifenverschleiß im Rennen deutlich geringer als vorher angenommen.

Das führte dazu, dass die Ferrari-Piloten auf dem ersten Stint nicht ausreichend angasten und sie anschließend zu früh an die Box gelotst wurden. Unterdessen verlängerte ein Großteil des Feldes den ersten Stint, Leclerc und Sainz gerieten in den Verkehr und wurden anschließend von der Safety-Car-Phase aufgrund des Defekts am Haas von Kevin Magnussen auf dem falschen Fuß erwischt.