Silverstone wurde für McLaren zur Wiederauferstehung. Das in Österreich am MCL60 von Lando Norris eingeführte Update-Paket entfachte beim Heimrennen des Traditionsrennstalls bei beiden Autos volle Wirkung. Norris holte sensationell Platz 2, Teamkollege Oscar Piastri verlor aufgrund eines ungünstigen Safety-Cars das Podest. Am Ende wurde er trotzdem starker Vierter. 30 Punkte waren einer mehr als in den gesamten neun Rennwochenenden zuvor.

Ist McLaren jetzt also, von Red Bull einmal abgesehen, ganz vorne dabei oder waren Strecke und Bedingungen ausschlaggebend? Teamchef Andrea Stella attestierte seinem Team einen überraschenden Fortschritt: "Natürlich war das Rennen sehr ermutigend. Wir haben uns selbst mit dem ersten Stint überrascht, als wir unsere Konkurrenten von Ferrari und Mercedes hinter uns ließen. Wir dachten, ihre Pace wäre ein Problem für uns. Ich denke, wir dürfen davon ausgehen, dass die Verbesserung der Rennpace echt ist."

McLaren feierte in Silverstone einen riesigen Erfolg, Foto: LAT Images
McLaren feierte in Silverstone einen riesigen Erfolg, Foto: LAT Images

Strecke und Temperaturen in Silverstone hoher Anteil am McLaren-Erfolg

Trotzdem drückt der Italiener auf die Euphoriebremse. Der Anteil der Strecke am Erfolg darf nicht unterschätzt werden: "Dennoch muss ich daran erinnern, dass wir uns auf einer Strecke mit schnellen Kurven befinden. Hier in Silverstone entstehen auch erst ein paar dieser Kurven im Rennen, weil sie im Qualifying noch mit Vollgas gehen. Das gibt dir im Rennen auch noch einen Vorteil, wenn du stark in schnellen Kurven bist. Außerdem waren es kalte Bedingungen, also bleibe ich vorsichtig. Die Bedingungen waren also etwas schmeichelhaft, aber es fair zu sagen, dass das Auto auch im Rennen konkurrenzfähiger scheint."

Auch Lando Norris mahnte den Streckenfaktor an: "Solche Strecken erlauben uns, auf die Reifen aufzupassen. Wir sind sehr konkurrenzfähig in Highspeed-Passagen, da sind wir fast auf Augenhöhe mit Red Bull. In mittelschnellen Kurven wie Stowe waren wir auch nah dran, das beste Auto im Feld zu sein." Bereits in Österreich zeigte sich Norris im Rennen deutlich verbessert und fuhr zu Platz vier. Stella wies aber darauf hin, dass sich der Red-Bull-Ring und die Traditionstrecke in Silverstone in vielerlei Hinsicht ähneln: "Dort gibt es jeweils viele Kurven, von denen wir wissen, dass unser Auto dort gut ist."

Norris warnt: McLaren in langsamen Kurven schwach

Schnelle Kurven und Highspeed, da fährt der McLaren vorne mit. Das beobachteten auch die Konkurrenten von Mercedes mit Sorge. Doch wie sieht es auf anderen Layouts aus? Norris ahnt nichts Gutes: "Wir haben ein schwaches, ich möchte nicht sagen fürchterliches, Auto in den langsamen Kurven. Dort ist es extrem schwer zu fahren. Wir sind jetzt euphorisch, das ist ja klar. Aber wir kommen jetzt auf ein paar Strecken, wo ich mir sicher bin, dass die Leute fragen werden: Wie habt ihr das gemacht? Warum seid ihr auf einmal wieder so schlecht?" Für weitere McLaren-Erfolge braucht es den richtigen Kurs: "Es ist Streckenspezifisch, ich möchte also nicht zu optimistisch sein. Es gibt noch Bereiche, wo wir meilenweit davon entfernt sind, mit dem Mercedes und als ganzes Paket mit dem Red Bull zu kämpfen. Es gibt also noch eine Menge Arbeit."

Lando Norris glaubt nicht auf allen Strecken Podestkandidat zu sein, Foto: LAT Images
Lando Norris glaubt nicht auf allen Strecken Podestkandidat zu sein, Foto: LAT Images

Schon in zwei Wochen steht ein solcher Problemkurs für McLaren an. Der Hungaroring ist die engste und langsamste permanente Rennstrecke im Formel-1-Kalender. Nur im Mittelsektor gibt es dort ein paar mittelschnelle bis schnelle Kurven, aber auch nicht auf Silverstone-Niveau. Außerdem ist der Kurs für größere Hitze bekannt und auch das schmeckt den Papaya-Rennern normalerweise nicht. Stella kündigt an, dass McLaren daher nochmal nachlegt: "In Ungarn werden wir ein paar weitere Updates haben, mit dem Versuch die Rennpace zu verbessern. Das wird beiden Fahrern zur Verfügung stehen. In Ungarn erwarten wir nicht mehr, dass die Spezifikation des Autos zwischen Oscar und Lando unterschiedlich ist." Norris hatte bei seinem Heimrennen exklusiv einen neuen Frontflügel mit neuer Nase am Auto gehabt.

McLaren mit langfristigem Entwicklungsplan: 2025 sollen Siege her

Doch auch wenn das Team damit in Ungarn nicht auftrumpfen kann, so ist der Nachfolger von Andreas Seidl davon überzeugt, dass McLaren sich weiterhin gut entwickeln kann: "Jetzt wo wir das Auto neu designt haben, können wir Leistung durch Modifikationen freisetzen. Wir haben gesehen, dass die aerodynamische Entwicklung recht effektiv war." Nach Ungarn kommt vor der Sommerpause mit Spa auch noch ein Highspeedkurs, der dem McLaren dann wieder in die Karten spielen könnte.

Andrea Stella verfolgt einen langfristigen Plan mit McLaren, Foto: LAT Images
Andrea Stella verfolgt einen langfristigen Plan mit McLaren, Foto: LAT Images

Trotz der Sorge in langsamen Kurven hat McLaren die eigenen Erwartungen mit dem Silverstone-Erfolg deutlich übertroffen. Ein Podestplatz in der ersten Saisonhälfte konnte laut Stella nicht erwartet werden: "Als wir die Weiterentwicklung begannen, sahen wir, dass die Entwicklungsrate als realistische Erwartungshaltung vermuten ließ, zum Ende der Saison mit den vier schnellsten Teams zu kämpfen. Das hielten wir für möglich. Es ist also eine Überraschung, dass uns das unter diesen Bedingungen schon jetzt gelungen ist. Wir werden sehen, wie das jetzt weitergeht." Auch wenn der momentane Erfolg für große Euphorie sorgte, denkt der Teamchef in größeren Zeitdimensionen. Die Ambitionen des Teams sind beachtlich: "Natürlich ist unsere Erwartung, dass McLaren in der nächsten Saison um Podestplätze und in der Saison darauf um Siege kämpft. Das ist das langfristige Ziel." Kurzfristig werden am Hungaroring aber vielleicht erstmal wieder kleinere Brötchen gebacken.

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Fahrer-Tabelle

  • 1. Max Verstappen (255 Punkte)
  • 2. Sergio Perez (156 Punkte)
  • 3. Fernando Alonso (137 Punkte)
  • 4. Lewis Hamilton (121 Punkte)
  • 5. Carlos Sainz (83 Punkte)
  • 6. George Russell (82 Punkte)
  • 7. Charles Leclerc (74 Punkte)
  • 8. Lance Stroll (44 Punkte)
  • 9. Lando Norris (42 Punkte)
  • 10. Esteban Ocon (31 Punkte)
  • 11. Oscar Piastri (17 Punkte)
  • 12. Pierre Gasly (16 Punkte)
  • 13. Alexander Albon (11 Punkte)
  • 14. Nico Hülkenberg (9 Punkte)
  • 15. Valtteri Bottas (5 Punkte)
  • 16. Zhou Guanyu (4 Punkte)
  • 17. Yuki Tsunoda (2 Punkte)
  • 18. Kevin Magnussen (2 Punkte)
  • 19. Logan Sargeant (0 Punkte)
  • 20. Nyck de Vries (0 Punkte)

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (411 Punkte)
  • 2. Mercedes (203 Punkte)
  • 3. Aston Martin (181 Punkte)
  • 4. Ferrari (157 Punkte)
  • 5. McLaren (59 Punkte)
  • 6. Alpine (47 Punkte)
  • 7. Williams (11 Punkte)
  • 8. Haas (11 Punkte)
  • 9. Alfa Romeo (9 Punkte)
  • 10. AlphaTauri (2 Punkte)