Das Formel-1-Qualifying in Silverstone war eines der spektakuläreren Sorte. Auch wenn Max Verstappen am Ende doch ziemlich deutlich auf die Pole Position fuhr - seine fünfte übrigens in Serie - und morgen einmal mehr der Topfavorit auf den Rennsieg ist, verspricht die Ausgangslage einiges an Spannung. Einerseits ist da Sergio Perez, der zum wiederholten Male eine Aufholjagd starten muss und auf der anderen Seite McLaren, denen eine handfeste Sensation gelang. Nicht zu vergessen dazwischen noch Ferrari und Mercedes, die ebenso im Kampf um das Podium dabei sein wollen. Die Formel 1 könnte im Moment so spannend sein, wenn Max Verstappen nicht wäre. Wir haben sieben Faktoren zusammengefasst, die den Kampf um den Sieg, oder vielmehr den Kampf um Platz 2, entscheiden könnten.

S wie Startaufstellung

Max Verstappen startet wie inzwischen beinahe üblich von der Pole Position. Es ist seine siebte in diesem Jahr und seine zweite in Großbritannien. Die Erinnerungen an den ersten Pole-Start in Silverstone 2021 sind für den Niederländer wohl nicht allzu gute. Damals landete er nach einem Unfall mit Lewis Hamilton in Runde 1 im Krankenhaus.

Von Platz 2 und 3 starten mit Lando Norris und Oscar Piastri die beiden McLaren-Fahrer. Ihr Fokus wird weniger nach vorne auf Verstappen gerichtet sein, sondern vielmehr nach hinten. Auf die beiden Ferraris etwa, die das Rennen von 4 (Charles Leclerc) und 5 (Carlos Sainz) aufnehmen, aber auch auf das Mercedes-Duo auf den Rängen 6 (George Russell) und 7 (Lewis Hamilton).

Sergio Perez geht von Platz 15 ins Rennen, also genau aus derselben Position wie noch in der letzten Woche. Er muss auch am berüchtigten Albon-Zug vorbeikommen. Der Williams-Fahrer geht von P8 ins Rennen, gefolgt von Fernando Alonso und Pierre Gasly. Haas-Pilot Nico Hülkenberg startet nach einer weiteren guten Qualifying-Leistung von P11.

S wie Start

Der Weg zu Kurve 1 ist in England besonders gering. Nur 239 Meter trennen den ersten Startplatz von Turn 1. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Abbey nimmt man selbst aus voller Fahrt heraus locker mit Vollgas, beim Start also erst recht. Auch Kurve 2 (Farm) geht in einem Formel-1-Auto ohne zu lupfen. Der erste Bremspunkt ist also der harte Rechtsknick namens Village.

Nach diesem Kurven-Komplex steht auch schon die Wellington-Gerade an. Kurzum: Es gibt auf den ersten Metern ausreichend Möglichkeiten für Positionswechsel, auch wenn die Reaktionszeit und der Weg zu Kurve 1 vielleicht nicht ganz nach Plan verlaufen. An der Spitze, so realistisch muss man sein, wäre wohl auch ein Positionsverlust von Verstappen in den meisten Fällen nur temporär. Doch dahinter könnte sich in der ultra-engen Hackordnung schon die Grundlage für eine spätere Podestplatzierung gelegt werden. Etwa dann, wenn ein auf die Rennpace getrimmter Mercedes Plätze gutmacht, oder falls Leclerc schnell die beiden McLarens einkassiert…

S wie Sensation in Chrom

Das große Fragezeichen ist McLaren. Dass zwei Fahrer aus Woking im Qualifying unter die Top 3 fuhren, gab es 2023 noch nie. Aber nicht zum ersten Mal schaffte es in diesem Jahr ein Papaya-Orangener in die Pressekonferenz am Samstag. In Spanien startete Lando Norris von P3. Doch die Stimmung war damals eine andere. Der McLaren lief nur auf eine Runde wirklich gut und Norris hoffte auf nicht mehr als auf Punkte - ein Ziel, das er nicht erreichte.

Die Rennpace des MCL60 hat aber in der Zwischenzeit einen Schritt nach vorne gemacht, wie das GP-Wochenende in Österreich bewies. Aber lässt sich das automatisch auf alle Strecken ummünzen? So ganz traut niemand dem Longrun von McLaren, weder das Team selbst, noch die Konkurrenz. Die Daten aus dem Freitags-Training lassen ebenfalls nur ein schwammiges Bild zu: Norris war einer der wenigen, der seinen Longrun auf Hards absolvierte, Piastris Longrun-Pace auf dem Soft hingegen war nicht weiter berauschend. Der Podium-Traum lebt, aber die Favoriten auf P2 und P3 sind wohl andere.

S wie Silberpfeil-Speed

In Österreich performte der W14 im Rennen überraschend schwach. Aber das darf nicht über den allgemeinen Trend hinwegtäuschen: An 9 von 10 Rennwochenenden holt sich der Mercedes seine Pace über den Renntrimm. Auch wenn P6 und P7 nicht sehr eindrucksvoll wirken, die Ausgangslage für Toto Wolff und seine Truppe könnte um einiges schlechter sein.

Nach den Problemen am Freitag bekam das Team aus Brackley die Balance einigermaßen unter Kontrolle und stabilisierte auch die Qualifying-Pace, nur Hundertstelsekunden trennten Russell und Hamilton von den Ferraris. Was jedoch an diesem Wochenende nie ein Problem war, war der Longrun. Am Freitag beeindruckte die Pace von Hamilton nicht nur Carlos Sainz. McLaren und Ferrari hatten in diesem Jahr schon öfters Probleme mit dem Reifenverschleiß, außerdem ist Überholen in Silverstone nicht so schwierig wie auf manch anderen Strecken. Das ergibt vielleicht sogar mehr als nur Außenseiter-Chancen auf ein Mercedes-Podium.

S wie Strategie

Silverstone steht für extreme Reifenbelastung. Auf kaum einer anderen Strecke im Kalender werden die Pirellis so stark beansprucht wie auf der 5,891-Kilometer langen Schleife in Northamptonshire. Pirelli geht davon aus, dass eine 2-Stopp-Strategie die wahrscheinlichste Variante für das Rennen heute ist.

An diesem Wochenende debütierte eine neue Reifen-Konstruktion in der Formel 1. In den Trainings überraschte vor allem der weiche C3-Reifen, der sich im Longrun gut behauptete. Pirelli geht aber insgesamt davon aus, dass alle drei Reifenmischungen eine veritable Option querbeet durchs Feld sind. "Das bedeutet, dass wir unterschiedliche Entscheidungen zwischen den Teams erwarten können, was zu mehr Spannung und Unsicherheit führt", ist Pirelli-Motorsportchef Mario Isola überzeugt.

S wie Silverstone-Wetter

Das englische Wetter ist für so manche Kapriolen bekannt und machte das Qualifying am Samstag für die Teams zu einem Spießrutenlauf. Wird es am Sonntag nochmal zuschlagen? Die Antwort ist eher enttäuschend: Wahrscheinlich nein! Den ganzen Tag über steigt die Regenwahrscheinlichkeit nicht über 20 Prozent, zwischenzeitlich sinkt sie sogar auf ein niedrigeres Niveau.

Es wiederholt sich also aller Voraussicht nach dasselbe Spiel wie schon so oft in diesem Jahr: Regen am Samstag, dafür aber dann ein trockener Rennsonntag. Mit 22 Grad Celsius und einem bewölkten Himmel ist das Rennen auf der anderen Seite auch alles andere als prädestiniert dafür, zu einer Hitzeschlacht zu werden.

S wie Schneller Bulle

Wollen wir Max Verstappen jetzt schon zum Sieger erklären? Natürlich nicht! Im Motorsport kann viel passieren, aber bei einem normalen Rennverlauf wird Verstappen sehr schwer zu schlagen sein. Sergio Perez auf der anderen Seite wird sich gestern am Abend wohl noch einmal das Österreich-Rennen genau angeschaut haben. Dort startete er von Platz 15, am Ende landete er auf dem Podium.

Jetzt geht er - dank der Strafe gegen Valtteri Bottas - nochmal von P15 in den Grand Prix. Das nächste Podium ist mit dem überlegenen Red Bull auf einer Strecke wie Silverstone nicht außer Reichweite. Aber es ist gleichzeitig auch alles andere als ausgemachte Sache: Nicht alle Aufholjagden in Perez' Sammlung aus den letzten beiden Monaten verliefen erfolgreich: In Kanada kam er nicht über P6 hinaus und in Monaco rieb er sich im Mittelfeld auf. Das ganze Rennen der Formel 1 heute in Silverstone gibt es hier im Liveticker.