McLaren und Daniel Ricciardo sind gescheitert. Zusammen. Das steht seit dem 24. August 2022 fest. Nach nur eineinhalb gemeinsamen Jahren in der Formel 1 einigten sich die beiden Parteien auf eine vorzeitige Trennung. Nachdem Ricciardo zwar einen Sieg feierte, aber für den Großteil dieser eineinhalb Jahre Rennen für Rennen mehrere Zehntel hinter seinem Teamkollegen Lando Norris zurücklag.

In ihren ersten Statements sind alle - ob Ricciardo, ob McLaren-Teamchef Andreas Seidl oder Motorsport-CEO Zak Brown - ernsthaft betroffen über diesen Ausgang. Hatte die Partnerschaft Anfang 2021 noch wie eine Traum-Ehe angemutet. Nun nimmt McLaren die Teilschuld für ihr Scheitern auf sich.

Ricciardo: Auch nach 18 Monaten kein Vertrauen ins Auto

"Er hat sich nie so recht in unserem Auto wohlgefühlt, letztes Jahr nicht und auch trotz der großen Regeländerungen dieses Jahr nicht", sagt Andreas Seidl, und führt das Problem genauer aus: "Besonders wenn es darum ging, das Auto am Limit zu pushen." Im Qualifying sah es für Ricciardo 2022 genauso schlimm aus wie 2021. In zwölf vergleichbaren Qualifyings unterlag er Lando Norris elf Mal.

"Wenn du dich nicht komplett eins mit dem Auto fühlst, dann kommt die Rundenzeit nicht", meint Seidl. "Und dann fährst du gegen Lando, einen Top-Fahrer im Paddock. Da kommen schnell diese Lücken zusammen." Im Schnitt fehlte Ricciardo im entscheidenden Qualifying-Segment 2022 noch immer eine halbe Sekunde. Dass er im Rennen näher dran war, half nur bedingt, denn im engen F1-Mittelfeld entscheiden ein paar Zehntel um einen Q3-Einzug.

Norris vs. Ricciardo im 2022-Duell nach Ungarn, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
Norris vs. Ricciardo im 2022-Duell nach Ungarn, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

Dadurch sieht ein großer Rückstand hier noch schlimmer aus als an der Spitze oder am Ende des Feldes. Wenn ein Mittelfeld-Pilot mehrere Zehntel auf seinen Teamkollegen verliert, kann das der Unterschied zwischen Platz sieben und Platz 14 sein, und von Platz 14 lassen sich kaum mehr Punkte holen. Daher hat Norris 2022 bislang 76 Punkte für McLaren geholt. Ricciardo 19. Nach 18 Monaten ohne Besserung war die Lage für ein Team mit Ansprüchen wie McLaren dann einfach nicht mehr tragbar.

McLaren und Ricciardo verzweifeln gemeinsam

Aber wie kann ein Fahrer wie Ricciardo, der als Top-Pilot zu McLaren ging, in so eine missliche Lage geraten? Teil der Trennungs-Entscheidung ist, dass es Team und Fahrer selbst nicht verstehen. "Es ist nicht so, dass er in den letzten 18 Monaten was komplett anders gemacht hätte als Lando", meint Andreas Seidl. "Im Gegenteil. Sie waren sich eigentlich ziemlich einig, was die Schwächen des Autos angingen."

"Wir haben teamseitig viel reingesteckt, autoseitig, um zu schauen, wie wir ihm helfen können", sagt Seidl. "Er hat viel reingesteckt, mit Ingenieursmeetings, Simulator-Sessions und so weiter. Aber wir haben es einfach nicht geschafft, die Prozente zu finden, die verglichen zu Lando gefehlt haben."

"Das war auch für mich eine Überraschung", muss Seidl gestehen, der eigentlich damit rechnete, dass ein aus einem Top-Team kommender mehrfacher Grand-Prix-Sieger sich schnell zurechtfinden würde. Er will trotzdem auf keinen Fall die Verantwortung auf Ricciardo allein abladen: "Es ist eine Teamleistung, Performance abzurufen. Ich will nur klarstellen, dass ich genauso die volle Verantwortung übernehme, da ich das Team leite, und wir die Magie, die Prozente nicht finden konnten."

McLaren trauert um gescheiterten Ricciardo

"Ich will Daniel zum Beispiel nicht die Schuld an unserem Platz in der Konstrukteurswertung geben", stellt Seidl klar. "Letztendlich sind Team und Fahrer dafür verantwortlich. So sehe ich das. Eine geteilte Verantwortung dafür, dass wir es leider nicht hinbekommen haben."

Wie genau die Trennung in der Sommerpause vonstattenging, da hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Gespräche gäbe es immer, mit beiden Fahrern, meint Seidl. Ricciardo selbst gab am Tag der offiziellen Trennung nur ein kurzes Statement per Social Media ab: "Wir haben viel versucht, es hat nur nicht so funktioniert wie wir wollten. Also hat das Team entschieden, für nächstes Jahr was zu ändern. Wir haben das oft diskutiert, und am Ende haben wir gemeinsam beschlossen, dass es das Richtige für uns ist."

McLaren tut es weh. Ricciardo schien perfekt für das Team, und auf einem persönlichen Level soll es keine Animositäten geben. Dass es nicht funktionierte, trifft auch Seidl und Motorsport-CEO Zak Brown hart. Letzterer feierte vor einem knappen Jahr noch mit Ricciardo gemeinsam auf dem Monza-Podium den ersten McLaren-Sieg seit 2012. Es sei der traurigste Tag seiner McLaren-Karriere, urteilt Brown am Ende einer langen Medien-Fragerunde.

Ricciardo mit McLarens Sportchef Zak Brown, Foto: LAT Images
Ricciardo mit McLarens Sportchef Zak Brown, Foto: LAT Images

"Seine Arbeitsmoral und seine positive Einstellung sind fantastisch", sagt Brown. "Wenn du einen schlechten Tag hast, dann bringt er schnell positive Energie." Seidl ergänzt: "Mein Respekt für die Person Daniel Ricciardo hat sich nicht geändert. Ich bin mir immer noch sicher, dass er einer der besten im Paddock ist. In den letzten eineinhalb Jahren hat er seine Erfahrung eingebracht und uns geholfen, ein besseres Team zu sein."

McLaren stellt Ricciardo für 2023 komplett frei

Teil der einvernehmlichen Trennung ist, dass es Ricciardo für 2023 komplett freisteht, andernorts zu unterschreiben. "Es wurde nie zwischen mir und Andreas überlegt, ihm zu verbieten, nächstes Jahr woanders zu fahren", stellt Brown klar. "Er ist ein Freund der Familie, er wird es immer sein."

Ricciardo äußerte vorsichtig am Mittwoch die Hoffnung, 2023 weiter in der Formel 1 anzutreten. Brown würde es freuen: "Wir hoffen, dass er in einem guten Auto landet, und dass er wieder in Form kommt." Alpine steht in den letzten Wochen ganz oben auf der Liste. Sollte Ricciardo sich abseits der Formel 1 betätigen wollen, so meint Brown, der auch IndyCar-, Formel-E- und Extreme-E-Projekte für McLaren gestartet hat: "Er ist sehr fokussiert auf die Formel 1, aber die Tür hier bei McLaren wird immer offen sein." Momentan scheint das aber eine unwahrscheinliche Option.