Suzuka, 27. September 2015. Es läuft die fünfte Runde des Großen Preises von Japan. Das Heimspiel von Honda auf einer Strecke, die sich im Besitz des japanischen Automobilherstellers befindet. Zum ersten Mal seit 1992 tritt die legendäre Partnerschaft von McLaren-Honda wieder auf der legendären 'Acht' in Suzuka an. Die Vorzeichen könnten auf dem Papier nicht besser sein. "Es fühlt sich an wie in der GP2! Peinlich. Sehr, sehr peinlich", schallt es aus dem Boxenfunk von Fernando Alonso. Der Asturier war gerade von Sauber-Pilot Marcus Ericsson vor Kurve 1 überholt worden. Ein Stich ins Herz des stolzen Spaniers.

Nur 24 Runden später schießt Max Verstappen im Toro Rosso an der gleichen Stelle am zweimaligen Weltmeister vorbei. "GP2 Motor! GP2 Motor! Arrggg!" Alonsos Worte werden zum Meme. Und der nicht minder stolze japanische Hersteller Honda versinkt vor Scham im Boden jener Rennstrecke, die er 1962 - ausgerechnet von einem weiteren Niederländer, dem Streckenarchitekten Hans Hugenholtz - hat errichten lassen. Es sollte exakt 6 Jahre und 76 Tage dauern, bis sich Honda von diesem Moment erholen und endgültig rehabilitieren sollte - und auch diesmal sollten ein gewisser Max Verstappen und erboste Funksprüche eine entscheidende Rolle spielen.

Hondas erster Bolide: Eine Feuertaufe

Honda RA271: Formel-1-Debüt der Japaner, Foto: Sutton
Honda RA271: Formel-1-Debüt der Japaner, Foto: Sutton

Als Soichiro Honda sein Unternehmen im Jahr 1949 gründete, stellte es zunächst Motorräder her. Nach einigen Erfolgen im Motorradrennsport präsentierte Honda im Jahr 1960 seinen ersten PKW. Nur vier Jahre später entschloss sich das Unternehmen dazu, in die Königsklasse des Motorsports einzusteigen. Seitdem hat der japanische Automobilhersteller einige Höhen und Tiefen erlebt. Zunächst wollte Honda in der Saison 1964 als Motorenlieferant in die Formel 1 einsteigen. Doch nach Absagen einiger Teams entwickelten sie letztendlich ihren eigenen Boliden.

Rechtzeitig zum Grand Prix von Deutschland stellten die Japaner ihren Honda RA271 fertig. Nur ein Jahr später gewannen sie mit Fahrer Richie Ginther ihr erstes Rennen. Trotz weiteren Erfolgen stellte Honda sein Formel-1-Engagement 1968 wieder ein, um sich voll und ganz auf die Entwicklung von Straßenautos zu konzentrieren.

1983-1992: Hondas goldene Formel-1-Ära

1989: McLaren-Honda mit Ayrton Senna und Alain Prost, Foto: LAT Images
1989: McLaren-Honda mit Ayrton Senna und Alain Prost, Foto: LAT Images

1983 kehrte Honda in die Formel 1 zurück. Die ersten sieben Jahre lieferten die Japaner Motoren an das britische Traditionsteam Williams. 1986 und 1987 gewann Williams-Honda die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Nelson Piquet gelang es 1987 außerdem noch, die Fahrer-Weltweltmeisterschaft zu gewinnen.

Nach einem unerfolgreichen Jahr mit Lotus versuchte Honda 1988 sein Glück mit McLaren. Wie sich später herausstellte, die richtige Entscheidung. Die rot-weißen McLaren-Hondas mit dem ikonischen Marlboro Design dominierten die Formel 1. Mit den Fahrern Ayrton Senna und Alain Prost war das Team unschlagbar. Die Zahlen sprechen für sich, vier Konstrukteurstitel und vier Fahrertitel in vier Jahren.

1992 verblasste die Honda-Magie mit McLaren und Tyrrell. Doch das Resümee der zweiten Honda Ära in der Formel 1 ist dadurch nicht weniger beeindruckend. 71 Grand-Prix-Siege, sechs Kostrukteurstitel und fünf Fahrer-Titel mit Honda-Motor im Heck.

Formel 1: Das Honda-Team

2006: Honda F1 Bolide, Foto: BAT
2006: Honda F1 Bolide, Foto: BAT

Im Jahr 2000 kehrte Honda erneut als Motorenlieferant in die Formel 1 zurück. Zunächst belieferten die Japaner BAR (British American Racing) und Jordan. Nachdem BAR die Saison 2004 nur knapp hinter Michael Schumacher und Ferrari beendete, kaufte Honda 45 Prozent der Anteile am BAR-Team von Britisch American Tobacco. Ein Jahr später war das BAR-Team im alleinigen Besitz von Honda und 2006 traten sie als Honda Racing F1 Team an.

Obwohl der große Erfolg mit dem eigenen Team ausblieb, konnten sie einige Siege feiern. Unter der Leitung von Teamchef Ross Brawn baute das Team ein solides Fundament für die Saison 2009 auf. Doch in Folge der Weltfinanzkrise 2008 zog sich Honda aus der Formel 1 zurück. Teamchef Brawn rettete das Team kurzerhand und ging unter dem eigenen Namen als Brawn GP an den Start. Dank des sogenannten Doppeldiffusors gewann das ehemalige Honda-Team in der Saison 2019 den Fahrer- und Konstrukteurstitel.

2015-2021: Von der Lachnummer zum Weltmeistertitel

Mexico GP: Fernando Alonso, Foto: Sutton
Mexico GP: Fernando Alonso, Foto: Sutton

Auf dem Papier sah 2015 nach einer absoluten Traumsaison aus: McLaren-Honda - das Dreamteam wurde wieder vereint. Das Team selbst kündigte bei der Präsentation der wiederbelebten Partnerschaft mit großen Tönen an, das Fundament für "zukünftige Dominanz" legen zu wollen. Der Plan scheiterte fuliminant.

Die neue Hybrid Power Unit der Japaner versagte auf allen Ebenen. Honda baute einen langsamen und unzuverlässigen Motor, die strikten Vorgaben seitens Partner McLaren und die Designphilosophie des Autos verkomplizierten die Situation zusätzlich. Ausgerechnet beim Heimspiel von Honda, dem Japan Grand Prix in Suzuka, bezeichnete Fernando Alonso den Formel-1-Motor als "GP2-Enginge".

Später scherzte Alonso in einer Pressekonferenz, dass er sich Einheitsmotoren in der Formel 1 wünsche. Lewis Hamilton antwortete auf den Vorschlag des Spaniers: "Aber nicht Honda." Der stolze Hersteller war zum Running Gag verkommen.

Für die Saison 2018 schloss sich Honda mit Toro Rosso zusammen. Das Red-Bull B-Team sollte für eine Saison den neuen Motor der Japaner testen. Der Probelauf verlief vielversprechend, sodass ein Jahr später auch Red Bull Racing auf Honda umsattelte und sich endgültig vom mittlerweile ungeliebten Partner Renault trennte.

Honda: Abschied als Formel-1-Weltmeister

Abu Dhabi 2021: Max Verstappen wird mit Honda-Power Weltmeister, Foto: LAT Images
Abu Dhabi 2021: Max Verstappen wird mit Honda-Power Weltmeister, Foto: LAT Images

Nur zwei Jahre später wurde Max Verstappen mit dem japanischen Motor im Heck Weltmeister. Ausgerechnet gegen Honda-Scherzbold Lewis Hamilton konnte sich Verstappen am Ende durchsetzen.

Max Verstappen reiht sich somit als vierter Honda-Weltmeister der Geschichte in die Liste mit Senna, Prost und Piquet ein. Es war ein passender Schlusspunkt unter dieses Kapitel in der Honda-Geschichte. Zum Ende der Saison 2021 verabschiedeten sich die Japaner aus der Königsklasse des Motorsports und stiegen werksseitig aus der Formel 1 aus. In diesem Jahr stellen sie Red Bull weiterhin Motoren zur Verfügung, die das Team jedoch teuer bezahlen muss. In Zukunft möchte das Team seine Power Units mit Red Bull Powertrains in Milton Keynes selbst entwickeln und bauen.

Honda möchte seine Zukunft derweil nachhaltig gestalten und seine Engineering-Ressourcen auf andere Herausforderungen konzentrieren. Wenn uns die Beziehung zwischen Honda und der Formel 1 jedoch eins gelehrt hat, dann ist es dies: Kein Hersteller-Abschied ist für die Ewigkeit. Oder wie es der ehemalige F1-Zampano Bernie Ecclestone stets zu sagen pflegte: "Die Hersteller kommen und gehen wie es ihnen passt." Die Frage ist: Gibt es beim nächsten Anlauf wieder einen Weltmeistermotor oder doch eher einen GP2-Engine?