Alpines Formel-1-Nachwuchskader ist 2021 endlich auf Gold gestoßen. Oscar Piastri dominierte in der Formel 2 die zweite Saisonhälfte und setzte sich nicht nur gegen die kader-interne Konkurrenz, sondern auch gegen den Top-Nachwuchs von Ferrari und Red Bull schon in seinem ersten Jahr deutlich durch. Doch trotz Titel steht Piastri für 2022 ohne Formel-1-Platz da.

Alpine befindet sich in einer unangenehmen Situation: Mit nur einem F1-Team und keinen Motorkunden hat man keinen Platz, um Piastri 2022 auf dem Grid unterzubringen. Piastri muss aufs Abstellgleis, wird Test- und Entwicklungsfahrer: "Es würde mich ziemlich ärgern, wenn ich 2023 nicht auf dem Grid stehen würde. Viel mehr kann ich nicht beweisen." Denn bewiesen hat der 20-jährige Australier schon eine Menge - und wird aus gutem Grund als potenzieller Weltmeister gehandelt.

Piastri: F2-Durchmarsch wie Leclerc und Russell

Spät erst hatte Piastri eigentlich mit dem Kartsport begonnen. Nachdem er in Australien mit ferngesteuerten Autos um Meisterschaften gekämpft hatte und sogar den nationalen Titel in der zweithöchsten Klasse geholt hatte: "Eine grundsätzliche Idee zu Setup-Änderungen und so, das begann da. Die Idee von einer Rennlinie. Wie man ungefähr überholt." Als Elfjähriger wechselte Piastri dann ins Kart, ehe er 2017 zum Start der Formel-Karriere nach Europa kam.

Piastri in Saudi-Arabien - bei dritten von vier Hauptrennsiegen in Folge, Foto: LAT Images
Piastri in Saudi-Arabien - bei dritten von vier Hauptrennsiegen in Folge, Foto: LAT Images

Die Erfolge kamen schnell. Britischer F4-Vizemeister im ersten Jahr. 2019 dann der Titel im Formel Renault Eurocup. Alpine, damals noch Renault, beförderte ihn ins Formel-3-Topteam Prema, wo er 2020 auf Anhieb die Erwartungen erfüllte, den Titel holte, und sich den F2-Aufstieg sicherte. Alpine kündigte an, 2021 werde man bei ihm als Lernjahr sehen. Piastri brauchte nur die Hälfte davon.

Ab dem Silverstone-Wochenende hatte er Auto und Setup verstanden, und in den letzten fünf Qualifyings blieb er ungeschlagen. Von den fünf Poles wandelte er die letzten vier außerdem in Siege in den Hauptrennen um. Den Titelgegnern enteilte er bis Abu Dhabi. So ein Durchmarsch im ersten Jahr gilt als Zeichen der Qualität. Charles Leclerc war der letzte Fahrer mit solchen Serien, er holte 2017 in seinem ersten Jahr sechs Poles und drei Hauptrenn-Siege in Serie.

Kein Platz bei Alpine: Abstellgleis Test und Entwicklung

Leclerc erhielt von seinen Förderern bei Ferrari dafür sofort ein F1-Cockpit bei Alfa-Sauber, und stieg nur ein Jahr später ins Hauptteam auf. Auch George Russell, der 2018 den Titel holte, wurde nach nur einem Jahr von Mercedes befördert. Piastri hingegen bekam kein Angebot. Er wurde Opfer des Erfolges: Alpine hat kein freies F1-Cockpit, kein Kundenteam, aber schätzt ihn so hoch, dass man ihn sicher nicht aus seinem Vertrag lösen würde. Der Job des Test- und Entwicklungsfahrers war die einzige Option.

Mit dem Young Driver Test in Abu Dhabi begann Piastris Testfahrer-Leben, Foto: LAT Images
Mit dem Young Driver Test in Abu Dhabi begann Piastris Testfahrer-Leben, Foto: LAT Images

"Wir werden ein volles Testprogramm mit ihm in Formel-1-Autos machen", verspricht Alpines Team-Direktor Marcin Budkowski. "Um sicherzugehen, dass er richtig gut reinkommt. Wir werden Oscar stark weiterentwickeln, und ihn nicht nur als dritten Fahrer zu den Rennen mitnehmen."

Piastri weiß sehr wohl, dass in der Fügung seine beste F1-Chance liegt. Ein Vollzeit-Engagement in einer anderen Rennserie zur Überbrückung lehnt er ab: "So seltsam es ist, das zu sagen - ich fahre lieber keine Rennen, um mich voll auf die Ersatzrolle zu fokussieren, mit dem Ziel, in naher Zukunft in die Formel 1 zu kommen, anstatt überall reinzuschnuppern."

Alpine will Piastri 2023 in der Formel 1

Nur wann kann er kommen? In der ersten Jahreshälfte - bevor Piastris F2-Saison richtig in Fahrt kam - zog Alpine die 2022-Option bei Fernando Alonso, und verlängerte Esteban Ocons Vertrag bis 2024. Und ein zu Saisonschluss motivierter, gar aufs Podium fahrender, Alonso könnte durchaus noch länger bleiben. Team-Direktor Budkowski kann sich eine Verlängerung vorstellen: "Wenn das Auto schnell und Fernando glücklich ist." Dann wäre die Tür für Piastri weiter zu.

Der gibt sich öffentlich trotzdem treu: "Alpine war in den letzten Jahren sehr gut zu mir, hat viel zu meiner Rennkarriere beigesteuert, und ich wollte loyal zu ihnen bleiben." Er sieht 2022 einmal nicht als verschwendet an: "Es ist schätze ich ganz gut. Diese Schritte ohne den Druck des Fahrens zu machen. Und mit dem neuen Auto kann ich Esteban und Fernando zuhören, wie sich das Auto entwickelt, und mit meiner Arbeit im Simulator dazu beisteuern." In Katar verbrachte er erstmals das ganze Wochenende in der F1-Garage, und war danach beeindruckt von dem viel größeren Umfang, in dem ein F1-Fahrer zu arbeiten hat.

Alpine wiederum weiß, was man mit Piastri hat. Solche Fahrer findet man nicht alle Jahre, das weiß man aus Erfahrung. Piastris Hoffen auf einen 2023er-Sitz nährt Team-Direktor Budkowski daher: "Und wenn bei Alpine kein Platz verfügbar ist, dann bin ich sicher, dass wir eine Lösung für ihn finden werden, dass er ein Formel-1-Auto fahren wird und zugleich in der Alpine-Familie bleibt." Wenngleich keine Garantien abgegeben werden.