Pech für Sebastian Vettel: War Racing Point im Vorjahr mit dem 'pinken Mercedes' noch die Sensation des Jahres, stürzte das nun in Aston Martin umbenannte neue Team des viermaligen Formel-1-Weltmeisters mit dessen Ankunft 2021 deutlich ab. Insbesondere zu Saisonbeginn war Aston Martin der größte Verlierer im eng umkämpften Mittelfeld der Königsklasse. Der AMR21 setzte gegen McLaren und Ferrari keinen Stich, auch AlphaTauri und Alpine hielten ein besseres Paket in Händen.

2020 verfügte der Racing Point RP20 im Mittelfeld noch über die beste Pace, nur eine Reihe unglücklicher Faktoren - darunter Punktabzug wegen der Kopieraffäre, operative Fehler und Corona-Infektionen beider Stammfahrer - kosteten das Team den dritten WM-Rang an McLaren. Für ein besser aufgelegtes Renault reichte es dennoch.

Formel 1: Aston Martin von Mittelfeldspitze weit entfernt

2021 war davon nichts mehr übrig. Nur fünf Punkte nahm Aston Martin aus den ersten vier Saisonläufen mit - allesamt erzielt durch Lance Stroll. Vettel musste sich in dieser Phase noch an unzählige Neuerungen gewöhnen - von Team über Auto bis Mercedes-Motor. "Sebastian war zunächst im Nachteil, weil er erst nicht daran gewöhnt war, wie unser Auto funktioniert und sich anfühlt und er unter Unzuverlässigkeit beim Test in Bahrain gelitten hat", erinnert Aston Martins Performance-Direktor Tom McCullough.

Halbzeitfazit: Vettels Einstand bei Aston Martin in der Analyse (17:16 Min.)

Mit dem Großen Preis von Monaco ging es erstmals sichtlich aufwärts. Passend dazu lieferte Vettel mit Platz fünf im Fürstentum den ersten Big Point des Jahres, ein Rennen später folgte in einem chaotischen Aserbaidschan-GP das bisherige Saisonhighlight - Platz zwei. In Ungarn, erneut im Chaos, sollte Vettel dieses Ergebnis bis zu einer nachträglichen Disqualifikation wegen zu wenig Restbenzin im Tank noch einmal wiederholen.

Aston Martin macht neue Regeln verantwortlich

Dennoch hat Aston Martin insgesamt noch immer längst nicht sein Vorjahresniveau erreicht. Zum Vergleich: 2020 hatten Sergio Perez und Stroll nach elf Rennen schon 120 Punkte eingefahren, 2021 sind es mit Vettel und Stroll nur 48 - gerade einmal WM-Rang sieben, aussichtslos weit hinter Ferrari und McLaren (beide 163) und - nach der inzwischen fixierten Disqualifikation in Ungarn - zumindest ein gutes Eck hinter Alpine (77) und AlphaTauri (68).

Die Schuld für den Einbruch schrieb Aston Martin schon zu Jahresbeginn den wenigen Regeländerungen zu, die es im Winter bei sonst weitgehend homologierten Boliden gab. Insbesondere die Unterböden wurden vor den Hinterreifen stark beschnitten, auch Schlitze waren nicht länger erlaubt. "Es ist eine gut bekannte Tatsache, dass wir zu Saisonbeginn hinterherwaren - ein Resultat der Regeländerungen, welche der Aero-Performance der Autos mit geringem Anstellwinkel mehr geschadet haben als bei Autos mit hohem Anstellwinkel", meint McCullough auch jetzt im Rückblick auf die erste Jahreshälfte.

Aston Martin: Entwicklung statt Protest

Wie Mercedes verfolgt Aston Martin ein Konzept mit einem niedrigeren Anstellwinkel, also einem Fahrzeug, das gerader auf der Strecke liegt als etwa der Red Bull. "Mercedes' Auto war ähnlich benachteiligt, aber weil es 2020 die klare Nummer eins des Feldes war, ist es weniger Plätze zurückgefallen als unser Auto, mit dem wir vergangenes Jahr an der Spitze eines sehr konkurrenzfähigen Mittelfelds angetreten sind", sagt McCullough. Deshalb sei man - in direkter Folge der Regeländerungen, so behauptet der Performance-Chef - zurückgefallen.

Zunächst wog das Team deshalb sogar ab, ob es sich lohnen würde, zu prozessieren und eine erneute Anpassung zu fordern. Mercedes begrüßte das. Dazu kommen sollte es allerdings nie. Stattdessen konzentrierte Aston Martin seine Anstrengungen darauf, mit Entwicklungen die Kurve zu bekommen. Neue Flügel, neue Bargeboards und selbst neue Unterböden baute das Team an den AMR21.

Aston Martin: Haben jedes sichtbare Teil verändert

Das brauchte einen gewissen, wenngleich keinen durchschlagenden Erfolg. Der Trend jedoch stimmt zumindest. Im Saisonverlauf robbte sich Aston Martin dank der regelmäßigen Upgrades zumindest wieder in Schlagdistanz zu Alpine und AlphaTauri. Auf die schwachen ersten vier Rennen folgte so eine ordentliche Punktserie, einzig beim zweiten Lauf in Österreich ging das Team auf der Strecke leer aus. In Ungarn sorgte dafür nur die Disqualifikation.

"Es war ein mehr oder weniger niemals endender Prozess fortwährender Entwicklung", erinnert sich Performance-Chef McCullough und spricht ein großes Lob an die Mitarbeiter für ihre 'rastlosen' Mühen aus. Vom Saisonstart bis zur Sommerpause hätte Aston Martin den AMR21 unter dem Strich komplett umgebaut. McCullough: "Im Ergebnis gibt es fast keinen äußerlich sichtbaren Teil unseres Autos, der zwischen Bahrain und Silverstone nicht auf irgendeine Weise verbessert worden ist."

Vettel-Team mit großen Mühen, leidet 2022?

Deshalb könne Aston Martin nun zumindest wieder kämpfen. "Wir wissen, dass unser Auto noch immer nicht das schnellste ist, aber es ist jetzt näher an der Performance der Autos unserer Hauptrivalen als es zu Saisonbeginn war", sagt McCullough. "Das ist das Ergebnis eines gründlich gemanagten Programms von Aero-Verbesserungen, das notwendigerweise Trial und Error beinhaltet hat, aber auch echt Ergebnisse geliefert hat."

Die Quittung dafür droht Aston Martin womöglich 2022 zu bekommen. Immerhin verschlang die aufwändige Entwicklungsarbeit für das diesjährige Auto noch länger zahlreiche Ressourcen als bei so manchem Konkurrenten. Ferrari und Alpine etwa lenkten den Fokus sehr viel früher schon nahezu vollständig auf 2022.

Aston Martin erst nach Sommerpause voll auf 2022 fokussiert

Aston Martin dagegen wollte im ersten Jahr unter dem berühmten neuen Namen des Teams unbedingt noch dieses Jahr mehr anbieten und beginnt mit der Arbeit für 2022 so richtig erst nach der Sommerpause. McCullough: "Wie die meisten Teams werden wir diese Mühen und Ressourcen nach dem Sommer-Shutdown auf die Aufgabe übertragen, unser Auto für 2022 zu konkurrenzfähig wie möglich zu machen."

In der zweiten Saisonhälfte soll nun vor allem ein jetzt eingespielter Vettel helfen. "Er hat fleißig gearbeitet, ob im Simulator in der Fabrik oder an der Strecke, um uns zu helfen, unsere vorherigen Rennen zu analysieren und uns bestmöglich auf die kommenden Rennen vorzubereiten", lobt McCullough. Auch Stroll habe nicht nur dank unzähliger Sitzungen im Simulator einen signifikanten Beitrag geleistet. "Lance war verantwortlich für sechs unserer neun Ergebnisse in den Punkten", erinnert McCullough. "Das ist eine sehr konstante Performance für einen Fahrer, der erst 22 Jahre alt ist."