Der Grand Prix von Italien 2020 nimmt ohne jeden Zweifel seinen Platz in einer Reihe unglaublicher Formel-1-Rennen ein. Pierre Gaslys sensationeller Sieg für AlphaTauri versetzte die F1-Fans in eine längst vergangene Zeit zurück. Schwer zu beherrschende Autos, am Limit operierende Technik und Wetterchaos sorgten einst fast regelmäßig für überraschende Triumphe von Underdogs. In der modernen Königsklasse sind diese Momente rar geworden. Wir blicken zurück auf fünf der denkwürdigsten Außenseiter-Sieg

1. Olivier Panis - Monaco 1996

Olivier Panis gewann 1996 in Monaco eines de chaotischsten Rennen der Formel-1-Geschichte, Foto: LAT Images
Olivier Panis gewann 1996 in Monaco eines de chaotischsten Rennen der Formel-1-Geschichte, Foto: LAT Images

Der Grand Prix von Monaco 1996 hätte bei seinem Rennverlauf viele Sieger haben können. Im Grunde genommen eigentlich jeden, denn Olivier Panis hatte im Ligier-Mugen-Honda vom 14. Startplatz aus wohl kaum bessere Chancen auf einen Sieg als die restliche Konkurrenz aus dem Mittelfeld.

Nachdem das gesamte Rennwochenende die Sonne schien, erwartete die Fahrer am Rennsonntag starker Regen. Durch die unbekannten Verhältnisse begann das Rennen mit Chaos. Zunächst krachte es in Kurve eins, als der auf Slicks gestartete Jos Verstappen in die Mauer rutschte. Ebenfalls noch in der ersten Runde setzte mit Michael Schumacher auch einer der Favoriten sein Auto vor der Portier-Kurve in die Leitplanken.

Nach gerade einmal fünf Runden waren nur noch 13 der 22 gestarteten Autos im Rennen. Schumachers Teamkollege Eddie Irvine hatte auf Platz vier bereits einen signifikanten Rückstand auf das Führungstrio, als Panis in Runde 31 endlich einen Weg vorbei am Iren fand. Inzwischen trocknete die Strecke wieder ab und einige Fahrer wechselten zurück auf Slicks.

Panis' Sieg im Fürstentum war für 24 Jahre Frankreichs letzter Erfolg in der F1, Foto: Sutton
Panis' Sieg im Fürstentum war für 24 Jahre Frankreichs letzter Erfolg in der F1, Foto: Sutton

In der 40. der 78 Runden Renndistanz schied erst Williams-Pilot Damon Hill und kurz darauf Jean Alesi im Benetton in Führung liegend aus. Damit übernahm Panis im Ligier die Führung, die er gegen die noch sechs verbliebenen Konkurrenten verteidigen musste. Nach 75 Runden und zwei Stunden wurde das Rennen frühzeitig abgewunken. Am Ende sahen nur drei Autos die Zielflagge, insgesamt sieben kamen in die Wertung.

Neben Panis stiegen David Coulthard (McLaren) und Johnny Herbert (Sauber) aufs Treppchen. "Ich werde die Schiffssirenen und die Feuerwerke auf meiner Ehrenrunde niemals vergessen. Und als mir die französische Flagge gereicht wurde, konnte ich einfach nicht widerstehen", so der glückliche Sieger nach dem Rennen.

Für Panis sollte dieser größte Tag seiner Formel-1-Laufbahn auch der einzige Sieg in der Königsklasse bleiben. In der darauffolgenden Saison befand sich der Franzose auf der Höhe seines Könnens, als ein schwerer Unfall beim Grand Prix von Kanada seiner Karriere den Schwung nahm. Frankreich wartete bis zu Pierre Gaslys Triumph in Monza auf seinen nächsten Grand-Prix-Sieg.

2. Johnny Herbert - Nürburgring 1999

Nach zwei Siegen mit Benetton 1995 war der Triumph auf dem Nürburgring Herberts letzter in der F1, Foto: Sutton
Nach zwei Siegen mit Benetton 1995 war der Triumph auf dem Nürburgring Herberts letzter in der F1, Foto: Sutton

Der Stewart-Ford von Johnny Herbert und Rubens Barrichello war in der Saison 1999 nicht gerade als Waffe im Kampf um Top-Platzierungen bekannt. Eher machte der SF3 durch die mangelhafte Zuverlässigkeit der Cosworth-Aggregate auf sich aufmerksam. An einen Grand-Prix-Sieg war mit diesen Voraussetzungen nicht zu denken. Petrus meinte es beim 14. Rennen der Saison auf dem Nürburgring jedoch gut mit dem Team von F1-Legende Jackie Stewart.

Auf trockener Strecke ging Herbert von Startplatz 14 in den Grand Prix von Europa, der gleich in der ersten Kurve nach einem schweren Unfall von Pedro Diniz im Sauber neutralisiert werden musste. Nach wenigen Runden schlug das Eifelwetter zu. Im Regen blieben bis auf den in Führung liegenden Mika Häkkinen alle Fahrer an der Spitze draußen, was sich schnell als die richtige Entscheidung erwies, als die dunklen Wolken weiterzogen.

Kurz danach ereignete sich in der Ferrari-Box eine besonders kuriose Szene. Eddie Irvine kam zum Reifenwechsel an die Box, und wurde von seiner Crew mit nur drei Rädern empfangen. Inzwischen lag Heinz-Harald-Frentzen (Jordan) vor David Coulthard (McLaren) und Ralf Schumacher (Williams) an der Spitze. Frentzen musste das Rennen jedoch in Runde 32 mit einem Defekt aufgeben.

Johnny Herbert bescherte F1-Legende Jackie Stewart den einzigen Sieg als Teambesitzer, Foto: Sutton
Johnny Herbert bescherte F1-Legende Jackie Stewart den einzigen Sieg als Teambesitzer, Foto: Sutton

Coulthard konnte sich anschließend nicht lange über die geerbte Führung freuen. Er rutschte bei einem weiteren Regenschauer von der Strecke. Herbert hatte derweil im richtigen Moment auf Regenreifen gewechselt und lag auf Position drei. Für die anderen Piloten ging die Achterbahn weiter. Zunächst drehte sich Giancarlo Fisichella in Führung ins Aus, danach erlitt Ralf Schumacher einen Plattfuß, der ihn um die nächste große Chance auf den ersten Grand-Prix-Sieg brachte.

Herbert lag damit in Führung, hinter ihm Jarno Trulli im Prost und Teamkollege Barrichello. Der Brite brachte den Rest des chaotischen Rennens ohne Fehler über die Bühne und schnappte sich völlig unerwartet seinen dritten Grand-Prix-Sieg. "Ich bin total aus dem Häuschen. Und besonders freue ich mich für Jackie (Stewart), denn es ist das letzte Jahr, in dem das Team seinen Namen tragen wird", freute sich Herbert.

Es war der einzige Sieg für Jackie Stewart als Teamchef. Ende der Saison veräußerte er den Rennstall an an Jaguar. Die wiederum verkauften ihn nach der Saison 2004 an niemand geringeren als Dietrich Mateschitz und seinen Red-Bull-Konzern.

3. Giancarlo Fisichella - Brasilien 2003

Im Regen von Interlagos gewann Giancarlo Fisichella mit viel Glück, Foto: Sutton
Im Regen von Interlagos gewann Giancarlo Fisichella mit viel Glück, Foto: Sutton

Für Giancarlo Fisichella stand die Saison 2003 unter schlechten Vorzeichen: Sein Arbeitgeber Jordan hatte Honda als Motorenpartner verloren und der EJ13 stellte mangels Budget lediglich eine Evolution des Vorjahresauto dar, was ohnehin keine Offenbarung war. Unter kuriosesten Umständen gelang dem Italiener beim Grand Prix von Brasilien dennoch sein erster Sieg.

Vor dem Rennen auf dem Autódromo Carlos Pace in São Paulo fiel heftiger Regen, weshalb das Rennen nach einer Safety-Car-Phase fliegend gestartet wurde. Einige Teams aus dem Mittelfeld entschieden in dieser Phase bereits dazu, ihre Autos in Erwartung weiterer Neutralisierung an die Box zu holen und randvoll zu tanken, um ohne weitere Stopps durch das Rennen zu kommen.

Einer dieser Piloten war Fisichella, der mit wenig Sprit ins Rennen gestartet war, um sich sich im Qualifying mit einem leichten Auto auf Platz acht zu qualifizieren. In Runde 18 brach bei Fischellas Teamkollegen Ralph Firman die Vorderradaufhängung beim Anbremsen auf Kurve eins. Der Ire verfehlte Fisichella nur knapp, räumte dafür aber Olivier Panis im Toyota ab. Dieser Zwischenfall löste die zweite zweite Safety-Car-Phase aus.

Viel Chaos in der 'Curva do Sol' und zwei Gelbphasen später lag Fisichella in Runde 35 eher unauffällig auf dem sechsten Platz der noch elf verbliebenen Fahrzeuge. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört und die Strecke begann abzutrocknen, so dass die Regenreifen und Intermediates der Fahrer sich immer mehr auflösten. Es folgten erneut Boxenstopps. Fisichella profitierte davon und lag plötzlich hinter Kimi Räikkönen auf dem zweiten Platz. Doch dabei blieb es nicht.

Den Pokal erhielten Fisichella und Teamchef Eddie Jordan kurioserweise erst in Imola, Foto: Sutton
Den Pokal erhielten Fisichella und Teamchef Eddie Jordan kurioserweise erst in Imola, Foto: Sutton

In Runde 53 ging der Italiener tatsächlich am McLaren des Finnen vorbei und übernahm die Führung. Die rennentscheidende Szene ereignete sich eine Runde später, als Mark Webber im Jaguar kurz vor der Boxeneinfahrt hart in die Mauer einschlug und Renault-Pilot Fernando Alonso über die Wrackteile des Australiers fuhr, woraufhin er ebenfalls schwer verunfallte. Die Rennleitung kam 17 Runden vor Rennende zur Vernunft und brach das Rennen ab. Fisichella schien für alle der rechtmäßige Sieger zu sein, doch die Kuriositäten gingen weiter.

Erst fing sein Auto im Parc Ferme Feuer, dann entschied die Rennleitung das Rennen mit dem Ende der 53. Runde zu werten, als Räikkönen in Führung lag. Fisichella war damit den Sieg an Ort und Stelle zunächst wieder los. "Ich dachte, ich hätte das Rennen gewonnen, und das glaube ich auch immer noch. Aber Regeln sind Regeln", sagte der niedergeschlagene Römer in seiner ersten Reaktion.

Einige Tage später revidierte die FIA das Ergebnis jedoch und entschied, das Rennen mit Ende der 54. Runde zu werten. Der Sieg wurde nun doch Fisichella zugesprochen. Der Italiener durfte am nächsten Rennwochenende in Imola mit Räikkönen in einer kuriosen Zeremonie auf der Start-und-Zielgeraden die Pokale tauschen.

4. Jenson Button - Ungarn 2006

Jenson Button gelang im 113. Anlauf der erste Sieg, Foto: Sutton
Jenson Button gelang im 113. Anlauf der erste Sieg, Foto: Sutton

Jenson Button beendete seine Karriere nach dem One-off-Comeback 2017 in Monaco mit einem WM-Titel und 15 Grand-Prix-Siegen auf dem Konto. In der Saison 2006, die immerhin schon die siebte des Engländers war, stand er allerdings noch ohne Formel-1-Triumph da. Der unberechenbare Große Preis von Ungarn brachte ihm im 113. Anlauf die Erlösung.

Das Wochenende begann zunächst etwas seltsam. Aufgrund diverser Fehlverhalten in den Trainings wurden noch vor dem Qualifying Strafen ausgesprochen. Von diesen waren auch die WM-Favoriten Michael Schumacher und Fernando Alonso betroffen, die dadurch die Teilnahme am Q3 verpassten. Button profitierte und eroberte Startplatz vier. Freuen konnte sich der Brite darüber allerdings nicht, denn aufgrund eines Motorwechsels am Freitag wurde er in der Startaufstellung um zehn Plätze nach hinten versetzt.

Pünktlich zum Start des Rennens war die Strecke nass - etwas, das man in Ungarn so nicht kannte. Nie zuvor war ein GP auf dem Hungaroring unter nassen Bedingungen worden. Kimi Räkkönen übernahm im McLaren zunächst die Führung, während Schumacher und Alonso sich durch das Feld kämpften. Mit dem Rennverlauf wurde deutlich, dass die Regenreifen von Bridgestone mit den Bedingungen ihre Schwierigkeiten hatten. Nach einer Kollision zwischen Räikkönen und Vitantonio Liuzzi im Toro Rosso gab es in Runde 26 die erste Safety-Car-Phase.

Paddock-Liebling John Button feierte den Durchbruch des Sohnemanns überschwänglich, Foto: Sutton
Paddock-Liebling John Button feierte den Durchbruch des Sohnemanns überschwänglich, Foto: Sutton

Button entschied sich, die Neutralisierung nicht für einen Boxenstopp zu nutzen und rückte dadurch auf den zweiten Platz vor. Nach dem Restart befand sich der Brite im direkten Kampf gegen den Führenden Alonso. Kurz darauf musste Button zum Nachtanken an die Box, hielt den zweiten Platz jedoch.

Die rennentscheidende Szene ereignete sich in der 51. Runde, als die Renault-Crew beim Boxenstopp Alonsos rechtes Hinterrad nicht richtig fixierte und er dieses wenige Kurven nach der Boxenausfahrt verlor. Für den Spanier war das Rennen beendet, Button übernahm erstmals die Führung.

Auf abtrocknender Strecke brachte der Honda-Pilot das Auto sicher ins Ziel und seinen ersten Formel-1-Sieg damit in trockene Tücher. "Die meisten Leute sagen immer, dass sich der Führende wünscht, dass das Rennen zu Ende geht. Doch bei mir war es nicht so. Ich habe mir gewünscht, dass es ewig weiterläuft, da ich wusste, dass ich mit meinem Auto so schnell nicht nochmal auf seinen Sieg zusteuern würde", sagte Button rückblickend.

5. Max Verstappen - Spanien 2016

Max Verstappens erster Sieg machte das Red-Bull-Märchen schon im ersten Rennen perfekt, Foto: Sutton
Max Verstappens erster Sieg machte das Red-Bull-Märchen schon im ersten Rennen perfekt, Foto: Sutton

Bereits im Toro Rosso war Max Verstappen als Youngster mit Weltmeister-Potential auf dem Radar sämtlicher Top-Teams. Um das Supertalent bei Red Bull zu halten, traf das Management rund um Teamchef Christian Horner und Berater Dr. Helmut Marko eine knallharte Entscheidung. Ein Fahrer musste für das Wunderkind Platz machen, und das Opfer hieß Daniil Kvyat.

Der Russe flog kurzerhand raus, nachdem er in Sochi Ferrari-Pilot Sebastian Vettel am Start mit einem ungestümen Manöver abgeschossen hatte. Kvyat Russen nach nur einem Fehltritt den Laufpass zu geben, hinterließ zunächst einen faden Beigeschmack, hatte er Teamleader Daniel Ricciardo im Vorjahr doch auf Anhieb nach Punkten besiegt.

Gleichzeitig stellten sich vielen die Frage, ob der erst 18-jährige Verstappen nach 23 Rennen bei Toro Rosso der Aufgabe mit Red Bull überhaupt gewachsen sein konnte. Beim fünften Saisonrennen in Barcelona nahm er erstmals im RB12 Platz. Der Wechsel auf das ihm unbekannte Auto bereitete Verstappen vom ersten Moment an nicht die geringsten Schwierigkeiten.

Im Qualifying landete er zwar vier Zehntel hinter Ricciardo, dennoch blieb er ihm im Grid auf den Fersen. Als Vierter ging er gleich neben dem Australier ins Rennen. Die Dominanz der Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg ließ den Verfolgern einmal mehr nur die Aussicht auf Platz drei. Alles lief auf einen Kampf zwischen Red Bull und Ferrari um den Titel des Best of the Rest hinaus, doch schon in der vierten Kurve des Grand Prix änderte sich alles.

Der Sieg des Teenagers war die Bestätigung für Dr. Helmut Markos mutige Entscheidung , Foto: Red Bull
Der Sieg des Teenagers war die Bestätigung für Dr. Helmut Markos mutige Entscheidung , Foto: Red Bull

Hamilton und Rosberg kollidierten in einem ungestümen Zweikampf. Das Aus der Favoriten brachte Red Bull an die Spitze. Dahinter lag zunächst Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz, der mit einem sensationellen Start an beiden Ferrari vorbeigezogen war. Der Spanier leistete bis zur achten Runde Rückendeckung, dann ging Sebastian Vettel vorbei. Zwei Runden später knackte auch Kimi Räikkönen den Lokalmatador.

Red Bull und Ferrari splitteten im Kampf um den Sieg ihre Strategien. Ricciardo fuhr im direkten Duell gegen Vettel auf einer Dreistopp-Taktik. Der Fahrplan von Verstappen und dem Iceman sah ein Zweistopp-Rennen vor. Als hätten Horner und Marko das Schicksal bestochen, zog der Red-Bull-Neuling bei der Lotterie die bessere Strategie.

In Runde 44 übernahm Verstappen vor Räikkönen die Führung. Der Teenager behielt unter Druck die Nerven. Eiskalt hielt er den Weltmeister von 2007 für 22 Runden auf Abstand und machte damit die Sensation perfekt. Mit 18 Jahren und 228 kürte er sich dank der kompromisslosen Entscheidung Red Bulls zum jüngsten Sieger in der Geschichte der Formel 1. Der in den Niederlanden an diesem Tag ausgelöste F1-Boom nimmt auch vier Jahre später noch kein Ende.