Vor wenigen Tagen sorgte Pat Symonds mit seinen Aussagen über die Zukunft des Formel-1-Motors für Aufsehen. Bei einer Konferenz der Motorsport Industry Association nahm der Brite das Wort 'Zweitaktmotor' in den Mund.

"Ich wäre begeistert, wenn es ein Zweitaktmotor wäre", wird Symonds von den britischen Kollegen des motorsport magazine zitiert. Symonds weiter: "Er ist viel effizienter, hat einen großartigen Auspuffsound und viele Probleme der alten Zweitakter sind heute nicht mehr relevant."

Aussagen, die auf den ersten Blick verstörend wirken. Symonds ist immerhin die Rechte Hand von Ross Brawn. Brawn ist seit der Übernahme von Liberty Media Chef für die sportlichen Belange der Formel 1 und hat für die zukünftige Ausrichtung der Königsklasse ein eigenes Team an Spezialisten zusammengetsellt.

Wie konkret sind die Zweitaktmotorenpläne der Formel 1?

Das Ingenieursteam, das gemeinsam mit den FIA-Experten maßgeblich für das Technische Reglement 2021 verantwortlich ist, wird von Pat Symonds geleitet. Insofern wurden viele in der Formel 1 hellhörig, als ausgerechnet Symonds von Zweitaktmotoren sprach.

Wie Motorsport-Magazin.com aber aus gut informierten Kreisen erfuhr, gibt es noch keine konkreten Pläne der Formel-1-Bosse, tatsächlich auf Zweitaktmotoren zu setzen. "Was Symonds vielmehr damit ausdrücken will, ist, dass es beim Finden eines neuen Konzepts keine Tabus gibt. Die Formel 1 ist offen für alles. Ein Turbo-aufgeladener Viertakt-Ottomotor muss nicht mehr das Nonplus-Ultra sein", erklärt ein Insider.

Pat Symonds ist bei der Formel 1 für die Ausrichtung der Technik-Zukunft zuständig, Foto: LAT
Pat Symonds ist bei der Formel 1 für die Ausrichtung der Technik-Zukunft zuständig, Foto: LAT

Nachdem das Gerüst für das 2021er Reglement steht, rückt Symonds Fokus offenbar zunehmend Richtung Antrieb. Der ehemalige Renningenieur von Michael Schumacher lässt sich dabei vor allem von Forschungsarbeit an Universitäten inspirieren. Und dort rückt der Zweitaktmotor tatsächlich wieder in den Fokus.

Dabei sind Zweitakter seit Jahrzehnten als laute Dreckschleudern verschrien. Knatternder Lärm in Verbindung mit dreckigen und stinkenden Abgasen haben den Zweitaktmotor im Alltag uninteressant gemacht. In kleineren Rollern, Rasenmähern oder schnelleren Karts begegnet man heute noch Zweitaktmotoren.

In der Automobilindustrie und auf höheren Ebenen des Motorsports spielt der Zweitakter längst keine Rolle mehr. Selbst die MotoGP fährt seit den frühen 2000er Jahren mit Viertakt-Motoren. Doch warum kommt es derzeit zu einer kleinen Renaissance der scheinbar veralteten Technik?

Die Technik: So funktioniert ein Zweitaktmotor

"Es ist offensichtlich: Wenn man den Kolben hoch und runterdrückt, könnte man jedes Mal Arbeit daraus ziehen, statt nur bei jedem zweiten Vorgang", erklärt Symonds ganz pragmatisch. Damit unterstreicht er den grundlegenden Unterschied zwischen Zwei- und Viertaktmotoren.

Ein Viertaktmotor benötigt für einen vollständigen Arbeitsvorgang zwei Kurbelwellenumdrehungen. Bei der ersten Umdrehung wandert der Kolben im Zylinder zunächst nach unten und saugt das Benzin/Luftgemisch an. Im zweiten Takt, der zweiten Hälfte der ersten Kurbelwellenumdrehung, wandert der Kolben wieder nach oben und verdichtet das Gemisch.

Erst im dritten Takt wird Arbeit verrichtet. Nachdem am oberen Totpunkt gezündet wurde, verbrennt die Gemischladung und dehnt sich dabei aus. Der Kolben schießt im Zylinder nach unten. Im vierten Takt wird muss der Kolben vom unteren Totpunkt wieder nach oben, um die Abgase auszustoßen.

Beim Zweitaktmotor laufen diese Prozesse innerhalb einer Kurbelwellenumdrehung ab. Ansaugen und Verdichten geschehen zeitgleich, wenn sich der Kolben nach oben bewegt. Schon im zweiten Takt kommt es zum Zünden des Gemisches, der Kolben wird wieder nach unten gedrückt. Dabei kommt es zur Vorverdichtung. Der Ladungswechsel erfolgt in einem Schritt.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Ein Zweitaktmotor ist nicht nur deutlich simpler in seiner Ausführung, sondern holt zumindest in der Theorie die gleiche Leistung aus dem halben Hubraum. Deshalb ist der Motorsport seit jeher ein interessantes Einsatzgebiet. In der Formel 1 ist der Einsatz allerdings seit 1984 verboten.

In der Praxis gibt es aber zahlreiche Nachteile. Der Ladungswechsel ist eines der größten Probleme. Technisch ist es schwierig sicherzustellen, dass sich Ab- und Frischgas nicht vermischen. Man spricht von sogenannten Spülverlusten, die auch für den Geruch der Abgase verantwortlich sind.

Gleichzeitig gelangt auch Öl in den Brennraum, das eigentlich nicht zur Verbrennung, sondern zur Schmierung gedacht ist. Das Öl verunreinigt das Gemisch, verbrennt schlecht und muss dem Kraftstoff beim Tanken wieder beigemischt werden. Zu einem höheren Benzinverbrauch kommt somit auch ein signifikanter Ölverbrauch und dreckigere Abgase.

Die Renaissance der Technologien: Erst E-Autos, jetzt Zweitakter?

Diese scheinbar veraltete Technik soll nun plötzlich wieder en vogue sein? Gerade in Zeiten, in denen Effizienz und Umweltschutz mehr denn je Beachtung finden? "Es ist wie bei der Elektromobilität", erklärt unser Insider. "Die gibt es auch schon seit einem Jahrhundert. Aber bislang hatte man die technischen Möglichkeiten nicht, sie sinnvoll einzusetzen."

Den Vorteil eines effizienten Elektromotors gibt es schon ewig, das Speichermedium ist das Problem. Weil die Batterietechnik erst in der jüngeren Vergangenheit signifikante Sprünge gemacht hat, kommen Elektroautos erst jetzt in Mode - von politischen Rahmenbedingungen einmal abgesehen.

Die Direkteinspritzung ist heute bei Viertakt-Ottomotoren nicht mehr wegzudenken, Foto: Mercedes-Benz
Die Direkteinspritzung ist heute bei Viertakt-Ottomotoren nicht mehr wegzudenken, Foto: Mercedes-Benz

"Direkteinspritzung, Aufladung und neue Zündsysteme ermöglichen es neuen Zweitaktmotoren, sehr effizient und emissionsfreundlich zu sein. Ich glaube, sie haben Zukunft", so Symonds. Der Ingenieur sieht sogar schon Einsatzgebiete: "Der Gegenkolbenmotor kommt zurück und schafft es in Straßenfahrzeugen schon auf Effizienzwerte von 50 Prozent."

50 Prozent - ein magischer Wert für die Formel 1. Die aktuellen Hybridmonster kommen nur mit größtem technischen Einsatz und zwei Energierückgewinnungssystemen auf Werte in dieser Region. Das aktuelle Motorenreglement gilt aber ohnehin noch bis 2025. Nachdem bei den 2021er-Regeln ursprünglich lange um das Motorenkonzept gerungen wurde, war der Antrieb zuletzt überhaupt kein Thema mehr.

2026 sind umfassende Änderungen denkbar. "Es könnte die letzte Power Unit mit flüssigem Kohlenwasserstoff sein", glaubt Symonds. Den Ende den Verbrenners sieht er damit aber noch nicht: "Die Chancen, dass es weiterhin einen Verbrennungsmotor geben wird, sind hoch. Aber vielleicht läuft er dann mit Wasserstoff."

Zweitakter als Range Extender für die Formel 1?

An eine rein elektrische Zukunft glaubt Symonds nicht: "Ich glaube, dass der Verbrennungsmotor noch eine lange Zukunft hat - länger, als viele Politiker wohl glauben, denn die Politiker setzen alles auf Elektromobilität. Es ist nichts falsch an Elektroautos, aber es gibt Gründe, warum sie nicht die Lösung für jeden sind."

Trotzdem könnte der Hybrid-Anteil 2026 in der Formel 1 größer werden. Möglicherweise kommt hier auch der Zweitaktmotor wieder ins Spiel. Sollte sich das Verhältnis zwischen Elektro- und Verbrenner-Leistung weiter in Richtung der E-Motoren verschieben, würde ein Zweitakter aufgrund seiner kompakten Bauweise gegebenenfalls Sinn machen. Er könnte sozusagen als Luxus-Range-Extender herhalten, der nebenbei auch noch für guten Sound sorgt.

Doch zunächst gilt es für die Formel 1, das 2021er Reglement zu finalisieren und mögliche Lücken zu stopfen, bevor sie die Teams finden. Erst dann stehen die Motoren der Zukunft auf dem Plan. Dafür soll ein ähnliches Expertenteam aufgebaut werden, wie das bei der Aerodynamik für 2021 der Fall war.