Von Seiten der Formel 1 kommen zum Thema Reglement 2021 seit Monaten optimistische Stimmen. Aero-Modelle wurden präsentiert, euphorisch verkündeten Regelhüter FIA und Vermarkter Liberty Media die Fortschritte für 2021: Bessere Aerodynamik, weniger Kosten, bessere Preisgeld-Verteilung.

Abseits offizieller Verkündung ist die Stimmung bei weitem nicht so gut. Einmal schon musste die Deadline verschoben werden - die F1-Teams legten sich quer. Heute, am 16. Oktober 2019, treffen Teams und Regelhüter ein letztes Mal zusammen. Davon, dass sich alle Beteiligten einer Einigung nähern würden, war aber in den letzten Wochen nichts zu spüren.

Den Teams läuft jedoch die Zeit davon. Denn nach dem Treffen am 16. Oktober gehen die neuen sportlichen, technischen und finanziellen Regularien an den Motorsport-Weltrat der FIA, in dem nur mehr Ferrari vertreten ist. Der Weltrat soll das Reglement bestätigen, und am 31. Oktober soll die Erstfassung dann rausgehen - das ist die Deadline, die bereits einmal verschoben wurde. Eigentlich hätte es vor der Sommerpause schon erledigt sein sollen.

Japan GP 2019: Kürzeres Rennwochenende in der F1? (55:23 Min.)

Ferrari, Mercedes, Red Bull: Gegenstimmen zum Reglement 2021

"Ich glaube, es gibt noch immer viele offene Punkte, und Diskussionen laufen noch immer." Seit der Sommerpause unterstreicht Ferrari-Teamchef Mattia Binotto immer und immer wieder, dass sich Teams, FIA und Liberty nicht einig werden. In diesem Zeitrahmen fanden mehrmals Treffen zwischen ihnen statt. Erfolge gab es keine zu vermelden.

"Die Streitpunkte sind dieselben, die wir seit Monza anmerken", erklärt Binotto am Sonntagabend in Japan. Die Probleme tauchen im technischen Bereich auf. Denn die Regeln für 2021 lassen nicht viel Spielraum. Liberty Media und FIA beabsichtigen, mit einfacherer Aero und vereinheitlichten und beschränkten Teilen das Feld näher zusammenzubringen.

Das ist nicht im Sinne Ferraris. "Für uns soll es mehr Aero-Freiheit geben, die DNA muss bleiben", kritisiert Binotto. "Es muss ein leistungsorientierter Sport sein, nicht nur ein Spektakel. Es muss ein Sport sein." Laurent Mekies, seit 2019 unter Binotto Sport-Direktor, beschwört: "Wir stehen absolut hinter Kostenreduktion, finanzieller Regulierung, Budget-Deckel und so." Aber nicht hinter der Vereinheitlichung und Vereinfachung: "Die Idee, Teile zu vereinheitlichen und andere Bereiche stark zu beschränken würden wir für 2021 gerne noch verbessern."

Ferrari-Chef Mattia Binotto und Red-Bull-Chef Christian Horner, Foto: LAT Images
Ferrari-Chef Mattia Binotto und Red-Bull-Chef Christian Horner, Foto: LAT Images

Verbündete hat Ferrari bei Mercedes und Red Bull. Kaum überraschend, führen sie doch momentan das Feld klar an. "Der Sport ist, zu einem gewissen Grad, ein darwinistischer Wettkampf", sagt Mercedes-Cheftechniker James Allison. "Das ist Teil der Anziehung, und hier muss es eine gute Balance geben zwischen dem Willen der Teams, selbst um ihre besten Chancen zu kämpfen zu können, und dem [von Liberty Media], alles zu vereinheitlichen, sodass jedes Team jedes Rennen gewinnen könnte."

Aero-Entwürfe sorgen für schlechte Laune im Formel-1-Fahrerlager

Am Singapur-Wochenende waren zuletzt Aero-Entwürfe an die Teams verteilt worden. "Ich bezweifle, dass es eine Aero-Abteilung gibt, die die Regeln gelesen hat und sich besonders darüber gefreut hat", meinte Red-Bull-Teamchef Christian Horner danach im Hinblick auf die für 2021 geplanten starken Einschränkungen.

Kurz vor der Deadline wurden nun an den letzten Wochenenden von Seiten der Teams Gegenentwürfe und Abstimmungen zirkuliert. Ferrari, Mercedes und Red Bull sollen zu den Hauptbetreibern gehören, sechs von zehn Teams sollen sich am Ende vereint gegen die letzten Entwürfe von FIA und Liberty ausgesprochen haben. Öffentlich äußerten auch Mittelfeld-Teamchefs - etwa Günther Steiner - Sorgen darüber, dass die Formel 1 zu einem Einheitsbrei werden könnte.

Formel-1-Teams auch bei Einheitsteilen unglücklich

Abseits der restriktiven Aero-Regeln tun sich auch bei den Einheitsteilen Gräben auf. Ursprünglich standen hier einige Komponenten, wie Felgen, Getriebe und Bremsen auf der Liste, doch in den letzten sechs Monaten wurden sowohl das Einheitsgetriebe als auch die Einheitsbremse gestrichen. Letztere flog erst vor wenigen Wochen aus dem Programm. Die Angst ging um, dass ein Einheits-Bremssystem aufgrund des komplett neuen und unbekannten Reglements vom Hersteller nicht zu stemmen sei.

Die Felgen der neuen 18-Zoll-Reifen sollen vereinheitlicht werden, Foto: Pirelli
Die Felgen der neuen 18-Zoll-Reifen sollen vereinheitlicht werden, Foto: Pirelli

"Wir glauben, dass Standardisierung sogar ein Risiko für die Formel 1 sein könnte", sagt Mattia Binotto. "Weil du nicht weißt, wie zuverlässig das Teil zu Beginn ist. Wir hatten so eine Situation zum Beispiel in der Formel 2, mit einer Einheits-Kupplung. Bei mehreren Rennen mussten sie hinter dem Safety Car starten, weil die Kupplung nicht zuverlässig genug war."

Formel 1 spielt mit Open-Source-Idee für 2021

Auf der anderen Seite stehen hier aber Teams, die unbedingt Vereinheitlichung in der Formel 1 sehen wollen. Teams wie Williams, die nur wenig Budget zur Verfügung haben, interessiert die "DNA des Sportes" nur wenig. Sie hoffen, dass Einheitsteile und stark beschränkte Entwicklungen ihnen helfen, den Anschluss zu finden.

Als Kompromiss-Idee gibt es den Vorschlag eines Open-Source-Systems: Jedes Team baut seine Teile selbst, aber die Entwürfe sind für alle öffentlich zugänglich. "Es ist eine sehr neue Idee", meint Mercedes-Cheftechniker James Allison diesbezüglich, "und es braucht einige Gespräche, um das von einem vielversprechenden Konzept in eine machbare Realität zu verwandeln."

Die Liste der Fragen ist lang. Momentan gibt es "Listed Parts", eine Teileliste, die das Team selbst herstellen muss. Alles andere darf zugekauft werden. 2021 könnte das System hier mit Open-Source-Teilen, Standardkomponenten und so weiter deutlich komplexer werden. Auch die Frage, wie die FIA das sinnvoll zu überwachen gedenkt, ist nicht restlos geklärt.

Formel 1 braucht 2021-Regeln - jetzt

Zeit bleibt der Formel 1 eigentlich dafür keine mehr. "Bis Ende Oktober müssen wir abstimmen, und ich bin sicher, dass die Regeln bis zu dem Datum irgendwie bestimmt und akzeptiert werden", bleibt Mattia Binotto trotzdem optimistisch. Auch mit einer Notwendigkeit, von Ferraris Veto-Recht Gebrauch machen zu müssen - als einziges Team können sie F1-Regeländerungen blocken - rechnet Binotto nicht: "Es wäre schade, das nutzen zu müssen. Das ist glaube ich nicht unser Ziel."

"Es geht nur darum, von jetzt an so gut wie möglich zusammenzuarbeiten, um ein erstes Reglement zu bekommen, das so gut wie jetzt möglich ist. Dann können wir daran weiterzuarbeiten", sagt Binotto. Diese Einstellung klingt bei immer mehr Teamchefs durch: Lasst uns eine Rohfassung einmal durchbringen. Die Details können wir in Zukunft noch abstecken. Nur wie weit will - und kann - man es noch hinausschieben? Schließlich muss irgendwann mit der Entwicklung der Autos begonnen werden.

"Die Standard-Vorbereitungszeit für ein neues Auto liegt bei etwas über einem Jahr", sagt Mercedes-Mann James Allison. "Also willst du so im November, Dezember des Jahres davor - 14 Monate davor - beginnen." Die Zeit läuft also auch den Technikern davon. Sollte es sich weiter hinauszögern, so ist es zumindest in den Augen von Allison und auch von Ferraris Laurent Mekies trotzdem stemmbar: "Du wirst nur etwas Gröberes abliefern." Aber das sind Stimmen aus Top-Teams mit großen Ressourcen. Auf der Strecke bleiben dürfte wieder das Mittelfeld.