Wie stark ist Ferrari wirklich? Nach drei Siegen in Folge, der letzte davon völlig überraschend im engen Singapur, beschäftigt kaum eine Frage die Formel 1 gegenwärtig mehr. Ganz besonders gilt das natürlich für Mercedes. Lewis Hamilton & Co. mussten zuletzt eine völlig ungewohnte Serie an Niederlagen einstecken. In Spa und Monza waren die vielleicht noch kalkuliert, in Singapur ganz sicher nicht, schon gar nicht gegen Ferrari.

Hat die Scuderia nun endlich das Patentrezept für den SF90 gefunden und kann überall auftrumpfen? Sebastian Vettel hält das für viel zu verfrüht. "Es geht auf jeden Fall überall in die richtige Richtung, aber es wäre falsch zu denken, dass wir jetzt, weil wir auf zwei verschiedenen Arten von Strecken gewonnen haben, überall gewinnen können", sagt der Singapur-Sieger am Donnerstag in Sotschi.

Mercedes für Vettel weiter Messlatte, Hamilton widerspricht

"Mercedes war auf gewisse Art in jedem Rennen dieses Jahr in einer Position, gewinnen zu können. Also sind sie diejenigen, die es zu schlagen gilt. Sie sind die Messlatte", ergänzt Vettel. Völlig gegensätzlich sieht das WM-Leader Lewis Hamilton. Schon in Singapur hatte er angesichts der jüngsten Ferrari-Erfolge Alarm geschlagen, seinen WM-Titel trotz Vorsprungs für gefährdet erklärt.

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In Sotschi macht der Brite genau da weiter. "Ich denke nicht, dass wir bei irgendeinem der kommenden sechs Rennen die Favoriten sein werden", sagt der Mercedes-Fahrer. Das ist schon eine Ansage. Doch heißt das für Hamilton gleichzeitig längst nicht, dass er seinen Vorsprung nun nur noch managen können wird. "Das bedeutet nicht, dass wir nicht gewinnen können", stellt Hamilton gleich klar.

Lewis Hamilton: Qualifying ist jetzt einfach alles

Doch dafür müsse vor allem ein Aspekt des Rennwochenendes sitzen. "Wenn wir das Auto im Qualifying in die richtige Position gebracht haben, waren wir auch in den meisten der Rennen stärker. Die Position ist einfach alles. Ich denke nicht, dass wir in diesen Rennen die Favoriten sein werden, aber ich denke, dass wir noch immer Beachtung finden werden", so Hamilton.

"In Führung zu bleiben ist eben keine leichte Aufgabe. Es ist nur verständlich, dass du an einem gewissen Punkt Durchhänger haben wirst, aber ich habe noch immer 100 Prozent Vertrauen in meine Jungs. Wir sind noch immer das stärkste Team. Die letzten paar Rennen waren nicht spektakulär, aber wir waren die meiste Zeit gleich da", sagt der Mercedes-Pilot.

Hamilton: Mercedes noch ohne Mittel gegen Ferrari-Topspeed

Das Thema Ausgangslage ist für Hamilton das alles entscheidende. In Singapur war es so, weil Überholen nach dem verloren Qualifying unmöglich war. In Monza, weil Überholen gegen den überlegenen Ferrari-Topspeed genauso außer Frage stand. In Russland ist es wieder letzterer Aspekt, weshalb Hamilton und Mercedes alle Register werden ziehen müssen. Von Sorgen will Hamilton allerdings nicht sprechen."

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"Wir sind uns der Lage bewusst. Wir haben hier zwei lange Geraden und wissen, wie schnell sie auf den Geraden sind. Wenn du dir dann die letzten Rennen ansiehst, dann hingen wir da einfach dahinter fest und konnten nicht vorbei", schildert Hamilton. "Das versuchen wir hinzubekommen, geht aber nicht kurzfristig. Wir können es aber in anderen Bereichen besser machen, die unsere Position dann ändern könnten. Darauf versuchen wir uns jetzt zu konzentrieren."

Hamilton trotzdem unbesorgt: Müssen einfach alles rausquetschen

Deshalb auch keine Sorgen. Mercedes könne sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Wie es dem Team schon zuvor bei kleineren Rückschlägen mehrfach gelungen war. Darauf hatte zuletzt schon Toto Wolff verwiesen. "Ehrlich gesagt gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen wenn wir uns wirklich zusammennehmen", bestätigt nun auch Hamilton.

"Wir müssen zurück dazu finden, das Maximum herauszuquetschen. Das könnte den kleinen Unterschied ausmachen, gerade vorne zu sein oder in ein besseres Fenster zu kommen, um vorbeizukommen. Das ist unser Ziel."

Mr. Hammertime nimmt sich auch selbst in die Pflicht

Dabei nimmt sich der Weltmeister auch selbst in die Pflicht. Im Qualifying. Anders könne Mercedes dem Ferrari-Vorteil auf den Geraden sonst kaum Herr werden. "Der Weg bis Kurve eins ist hier lang. Wenn Ferrari aber vorne ist, könnte es wie in Monza sein. Dass wir ihnen einfach nur folgen können. Ich denke, dass das Qualifying deshalb wichtig sein wird. Da werden wir versuchen, uns zu verbessern. Ich kann auch selbst auf jeden Fall helfen, etwas mehr aus dem Auto und mir selbst zu quetschen", schildert Mr. Hammertime und Mr. Polerekord der Formel 1 in Personalunion.

Das Problem: Reicht selbst ein nochmal neuer Hamilton-Level, so denn überhaupt möglich, gegen Ferrari? Hamilton: "Mit einer perfekteren Runde im Qualifying könnte es vielleicht schon den Unterschied machen. Die Sache ist nur, dass es beim letzten Rennen schon eine ziemlich gute Qualifying-Runde war …"

Hamilton will keine Bottas-Hilfe: Habe es 2018 gehasst

Mit Blick auf die WM will Hamilton trotz alldem dennoch keine Hilfe. Nicht nach dem Teamorder-Erlebnis in Russland vor genau einem Jahr. Damals hatte Bottas einen Sieg an den Briten abtreten müssen. "Das ist nicht mein Ansatz, ich will selbst einen guten Job machen. Darum habe ich nie gebeten. Schaut euch nur letztes Jahr an. Diese Erfahrung habe ich gehasst und mir gewünscht, nicht in dieser Lage zu sein. Ich brauche niemanden, um den Job zu erledigen, abgesehen von meinem Team wenn es darum geht, am Wochenende einen besseren Job zu machen", betont der fünffache Weltmeister.