Lewis Hamilton erlebte beim Formel-1-Rennen in Hockenheim eine regelrechte Katastrophe. Vor einem Jahr fuhr der Weltmeister beim Großen Preis von Deutschland unter ähnlichen Bedingungen noch einen der denkwürdigsten Siege seiner Karriere ein. Zwölf Monate später erlebt der Regenkünstler einen Albtraum. Souverän in Führung liegend reichte ein Fehltritt, um sein Rennen zu ruinieren.

"Ich bin auch nur ein Mensch. Viel habe ich dazu wirklich nicht zu sagen. Es war ein Fehler. Fehler passieren", so Hamilton ungewohnt wortkarg. Nachdem er das Rennen vom Start weg zunächst unter seiner Kontrolle hatte, fuhr er es gegen Rennhälfte regelrecht in die Wand. In Kurve 15 brach sein Mercedes kurz aus, woraufhin er auf den Drag-Strip des Hockenheimrings geriet, der an dieser Stelle die Auslaufzone unter nassen Bedingungen zu einer Eisbahn machte.

Eine Runde vorher war an dieser Stelle Charles Leclerc in die Streckenbegrenzung eingeschlagen. Als Hamilton abflog, war das Rennen aufgrund des Unfalls des Ferrari-Piloten per Safety Car neutralisiert. Doch selbst ohne Renntempo reichte schon ein kleiner Fehler und Hamilton landete seinerseits in der Barriere. Im Gegensatz zum Monegassen schaffte er es zurück an die Box.

"Es war wie Eis", sagt Hamilton, der die rutschige Auslaufzone durchaus kritisch sieht: "Normalerweise wäre es Kies gewesen. Eigentlich schere ich mich nicht besonders darum... Ich meine, wäre es Kies gewesen, wäre ich nicht so weit gerutscht und wieder zurückgekommen. Aber das Streckendesign ist was diesen Aspekt angeht ziemlich mies, würde ich sagen."

Strategie-Fehler setzt Kettenreaktion in Gang

Der entscheidende Moment, der überhaupt erst zu dieser Situation führte, fand jedoch bereits zuvor statt. Nachdem die Konkurrenz auf Slicks gewechselt hatte, zog Mercedes nach. "Es war schwierig. Einige der anderen hatten Slicks aufgezogen, aber ich bin draußen geblieben, weil es immer noch nass war. Also fuhr ich solange ich konnte auf Intermediates", erklärt Hamilton.

Während Sebastian Vettel bei Ferrari selbst entschied, wann er mit welchem Reifen fahren wollte, überließ Hamilton es seinen Strategen: "Als sie mich reingeholt haben, konnte ich sehen, dass es mehr regnete. Aber sie haben normalerweise mehr Hintergrundwissen als ich. Und wenn ich gesagt hätte, dass sie mir Intermediates geben sollen, und es wäre die falsche Wahl gewesen, wäre das sehr kostspielig gewesen."

Damit will der fünfmalige Champion seinem Team aber keineswegs die Schuld an dem Debakel geben. "Es kam einfach so, dass sie mir Slicks aufzogen, zur gleichen Zeit als Lelcerc abflog und es mehr zu regnen begann. Das Timing war einfach unglücklich", sagt er.

"Es war eine Entscheidung auf Messers Schneide, den Call zum Boxenstopp auf Slicks zu machen. Nur der letzte Sektor war noch sehr nass", so Mercedes-Teamchef Toto Wolff gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Rückblickend war es die falsche Wahl. Aber nach dem Rennen bist du immer klüger."

Hamilton neben der Spur: Kampf mit Toro Rosso statt mit Red Bull

Zu allem Überfluss dauerte Hamiltons Reparaturstopp nach dem Abflug auch noch 50 Sekunden. Hamilton brauchte eine neue Nase. Der Wechsel der Frontpartie war aber weniger das Problem. Das Team war mit den Reifen nicht schnell genug. Durch die Safety-Car-Phase hielt sich Hamiltons Zeitverlust aber in Grenzen. Er kam als Fünfter zurück auf die Strecke und war damit weiter im Kampf um den Sieg.

Doch nach dem Restart war von der Pace der ersten Rennhälfte nicht mehr viel zu sehen. Während Verstappen an der Spitze dem Feld enteilte, wurde Hamilton in einen Kampf mit Toro-Rosso-Rookie Alexander Albon verwickelt. In der nächsten Boxenstopp-Phase fiel er bis auf den zwölften Platz zurück, da er für das falsche Umfahren des Pollers am Boxeneingang nach seinem Unfall eine 5-Sekunden-Zeitstrafe absitzen musste.

Danach gelang es Hamilton nicht mehr, zurück in die Top-10 zu fahren. In der Nordkurve legte er einen Highspeed-Dreher hin und ruinierte sich die Reifen. In der Schlussphase kam er zwei weitere Male an die Box. Doch selbst mit der Safety-Car-Phase kurz vor dem Ende, nach der das Rennen für die letzten fünf Runden freigegeben wurde, ging es für ihn nicht mehr nach vorne.

Hamilton sieht das Positive: Haben ziemlich geilen Job gemacht

"Letztendlich war es heute eine Kombination von Dingen", so Hamilton. "Es ist für uns alle sehr enttäuschend. Ich führte den Grand Prix an, lag an einem Punkt acht Sekunden in Führung und hatte alles unter Kontrolle. Aber bei diesen Bedingungen stehst du permanent vor einer neuen Herausforderung. Und nach einem falschen Schritt fiel ein Domino nach dem anderen um."

Die Ziellinie überquerte er als Elfter, rückte durch die Strafe für das Alfa-Romeo-Duo allerdings zwei Plätze auf und nahm so noch zwei Punkte an diesem schwierigen Sonntag mit. Ein schwacher Trost für Hamilton, doch der will ohnehin lieber die positiven Aspekte mitnehmen, die es an diesem Wochenende für Mercedes durchaus gab.

"Wir haben immer noch einen ziemlich geilen Job gemacht, bis zu diesem Domino-Effekt heute. Also nehmen wir das Positive vom Wochenende mit und lassen das Negative weg. Es ist nur ein Rennen gewesen", so Hamilton, der sich nun darauf konzentrieren will, bis zum Rennen in Budapest am kommenden Wochenende seine Erkältung loszuwerden.

"Ich habe alles abgesagt für die nächsten Tage und werde nach Hause gehen und die nächsten paar Tage einfach nur schlafen, und versuchen das loszuwerden. Es hat sich nicht großartig gebessert, aber in den kommenden Tagen wird es das hoffentlich. Nicht im Auto zu sitzen hilft, zuhause zu sein wird gut sein. Gesundheit ist sehr wichtig, also werde ich versuchen, bis zum nächsten Rennen so fit wie möglich zu sein."