In der Theorie war allen klar: Mercedes dominiert auch in Monaco. "Monaco hat seine eigenen Gesetze, da zählen Form und Theorie nicht", sagte Sebastian Vettel noch am Mittwoch. Am Donnerstag spricht das Zeitentableau für den Ferrari-Piloten: 0,763 Sekunden fehlten ihm als erstem Mercedes-Verfolger auf die Bestzeit von Lewis Hamilton.

Die Theorie war klar: Mercedes hat am meisten Abtrieb und ist deshalb in Monaco Topfavorit. Auch wenn die Aerodynamik teilweise nicht so entscheidend ist, weil die Kurven so langsam sind, dass sie noch nicht so stark zur Geltung kommt, Mercedes ist einmal mehr im Vorteil.

Und der Vorteil ist wie immer ein doppelter Vorteil: Wer in den Kurven schneller ist, leitet mehr Energie in die Reifen und bekommt sie besser zum Arbeiten. Ferraris Hoffnung, der kürzere Radstand und die erstmals eingesetzten C5-Reifen könnten helfen, zerschlug sich recht schnell. Ferrari bekam vor allem die Vorderreifen nicht richtig zum Funktionieren.

Vettel: Reifen machen wieder Ärger bei Ferrari

"Wir sind noch immer nicht glücklich damit, wie die Reifen arbeiten", ärgerte sich Vettel nach dem Training. "Wir haben bei der Performance Probleme. Und auch bei der Balance können wir uns noch überall verbessern. Wir müssen ein Auto haben, das mehr vorhersehbar ist."

Vergleicht man Vettels Aussage mit dem Lobgesang von Valtteri Bottas, scheint es, als würde Mercedes in einer anderen Kategorie fahren: "In den vergangenen Jahren war das Auto hier manchmal schwierig zu fahren, aber heute war es sehr fahrbar, reagierte gut und es machte Spaß, damit zu fahren."

Bei Ferrari hat man aber noch nicht aufgegeben. "Es gibt morgen einen ganzen Tag", freut sich Teamchef Mattia Binotto über die Monaco-Besonderheit. Allerdings steht auch die Konkurrenz nicht still. Mercedes-Simulatorpilot Esteban Gutierrez fliegt von Monaco nach Brackley, um am Freitag im Simulator zu fahren. Ferrari kann nicht auf die Dienste von Pascal Wehrlein zählen, weil der mit der Formel E in Berlin ist. Stattdessen muss Brendon Hartley ran

Ferraris Hoffnung: Ein Tag extra Analyse

Binotto hat noch eine weitere Hoffnung. "Eine Qualifying-Runde ist anders", erklärt er. "Du hast eine Vorbereitungsrunde, die nur auf diese eine Runde abzielt." Das Training in Monaco ist aufgrund des vielen Verkehrs immer besonders zerfahren.

Auf der anderen Seite könnte die eine Runde Mercedes etwas stören. "Unsere Hauptsorge ist es, die Soft-Reifen auf der ersten Runde zum Funktionieren zu bekommen", gesteht Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin. "Unsere schnellen Rundenzeiten waren heute gut, aber wir mussten dafür viele Runden fahren und das Qualifying ist auf dieser Strecke entscheidend."

Hamilton und Bottas fuhren ihre Bestzeit erst ganz am Ende ihres Stints nach mehreren Push-Charge-Versuchen. Allerdings waren auch die Runden davor schon gut genug, um die Konkurrenz zu schlagen. "

Die Longruns in Monaco sind zum Vergessen. Verkehr macht einen seriösen Vergleich unmöglich. "Auf den Long Runs hatten wir unheimlich viel Verkehr, sodass die Fahrer damit zu kämpfen hatten, zwei freie, zusammenhängende Runden hinzulegen", klagt Shovlin. Und trotzdem ist Mercedes auch in dieser Disziplin vorne.

Verstappen erster Mercedes-Verfolger?

Allerdings ist Pierre Gasly im Red Bull etwas näher. Red Bull ist ein gutes Stichwort: Im 1. Freien Training kam Max Verstappen auf Rang zwei Hamiltons Zeit bedrohlich nahe. Am Nachmittag war vom Niederländer wenig zu sehen. Er fing sich ein Trümmerteil ein, das den Kühler zerschlug. Deshalb konnte er keinen zweiten Versuch auf den Soft-Reifen setzen, als die Strecke mehr Grip bot.

Gaslys Zeit, die nur wenige Tausendstel langsamer als jene von Vettel war, zeigt aber, dass der Red Bull funktioniert. Wenn Gasly schon so nah dran ist, ist Verstappen im Normalfall längst vorbei. Ganz so aggressiv wollte er selbst es nicht formulieren, doch die Kernaussage ist die gleiche: "Mercedes ist noch immer sehr stark, ich glaube nicht, dass wir mit ihnen um Pole kämpfen können. Aber es gibt eine große Lücke zwischen Platz zwei und drei und wir sollten sie im Qualifying füllen können."

Müssen Vettel und Leclerc das Mittelfeld fürchten?

Für Ferrari ist das besorgniserregend. Vor allem, weil Sebastian Vettel nicht nur knapp acht Zehntelsekunden Rückstand hatte, sondern kaum Vorsprung auf die Verfolger. Teamkollege und Lokalmatador Charles Leclerc kam gar nur auf Rang zehn. Zwischen P3 und P17 lag im Training weniger als eine Sekunde. Würde Mercedes nicht mitfahren, wäre das die ideale Ausgangsposition für ein spannendes Wochenende.

Tatsächlich lag Vettel nur anderthalb Zehntel vor Alex Albon im Toro Rosso. Vor Leclerc konnte sich außerdem noch mit Kevin Magnussen ein Haas und sogar beide Alfa fahren. Droht Ferrari das Mittelfeld oder haben Vettel und Leclerc nur bei Verkehr und Monaco-Chaos ihre Runden nicht zusammenbekommen?

Hamilton18,61733,42819,0461:11,091
Bottas18,68333,53318,8791:11,0950,004
Vettel18,78633,77919,2391:11,8040,713
Gasly18,83533,71819,2721:11,8250,734
Verstappen19,02633,79619,1661:11,9880,897
Albon18,98933,89719,1451:12,0310,940
Giovinazzi18,92633,93219,2771:12,1351,044
Magnussen19,03333,87219,2361:12,1411,050
Leclerc18,86434,06519,2521:12,1811,090
Räikkönen19,04433,9619,2361:12,2401,149

Die Addition der besten Sektorzeiten bringt Ferrari zwar eine Spur näher, der große Durchbruch ist aber auch das nicht - weder bei Vettel, noch bei Leclerc. Das Mittelfeld ist somit rund zwei Zehntel hinter dem Deutschen. Für Leclerc geht es trotzdem nur einen Rang nach vorne.

Der Lokalmatador fühlte sich im 1. Training noch wohl, doch am Nachmittag hatte er mehr Probleme damit, die Reifen ins Fenster zu bekommen. "Außerdem wurde ich von Verkehr aufgehalten", beschwerte er sich.

Die - zugegeben wenig repräsentativen- Longruns verstärken den Eindruck. Alex Albon fuhr sogar deutlich schneller als Vettel und Leclerc. Allerdings fährt Toro Rosso im Trainingslongrun traditionell mit etwas weniger Benzin. Auch Haas und Alfa war im Dauerlauf nicht weit weg.

Ferrari muss sich also ernsthaft Gedanken machen, nicht ins Mittelfeld abzurutschen. Im Normalfall wird das nicht passieren, weil die Topteams im Qualifying mehr Reserven haben. Ferrari ist noch immer ein kleines Stück vor dem Rest der Welt, aber eben nur ein kleines Stück statt wie sonst ein riesiges Stück. Und im Monaco-Wahnsinn kann das kleine Stück ein Stück zu wenig sein.

Fazit: Hamilton oder Bottas? Das ist die einzige Frage an der Spitze. Die spannendste Frage dahinter scheint: Wie nah kommt Max Verstappen ran? Der Niederländer ist nach dem Freitag der heißeste Mercedes-Jäger - wobei Verfolger der vielleicht treffendere Begriff wäre. Die beiden Ferraris kämpfen höchstens um Platz drei - eher aber um die Plätze hinter Verstappen. Mit Problemen - wie bei Leclerc - droht sogar der Abstieg ins Mittelfeld.