Lewis Hamiltons Sieg beim Großen Preis von Italien 2018 war an Dramatik kaum zu überbieten. Dem epischen Kampf gegen Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen ging in Monza eine Kollision mit Sebastian Vettel voraus. Viel mehr als sein Überholmanöver gegen den Iceman war für den Mercedes-Piloten die Szene mit Vettel für den Rennausgang entscheidend.

"Es war sicherlich ein Schlüsselmoment, als ich an ihm vorbeiging", so Hamilton. Der Rennsieger hatte sich bei der Anfahrt auf die zweite Schikane in der Startrunde außen an Vettel vorbeigepresst. Der Ferrari-Pilot drehte sich bei der Aktion und fiel ans Ende des Feldes zurück. "Als er sich drehte nahm mir das viel Druck von hinten und ich konnte mich das gesamte Rennen auf Kimi fokussieren."

Hamilton hatte am Samstag nach dem Qualifying angekündigt, nach der ersten Runde zumindest einen der beiden Ferrari kassiert haben zu wollen. "Ich habe mir gestern Gedanken darüber gemacht, wie aggressiv ich sein kann", so der 33-Jährige, der seinen Fokus dabei klar auf den für seine WM-Ambitionen entscheidenden Ferrari gelegt hatte. "Mein Rennen war eigentlich nicht gegen Kimi, sondern gegen Seb."

Hamilton vs. Vettel: Erste Chance wahrgenommen

Die erste Chance für eine Attacke nahm Hamilton beim Anflug auf die Variante della Roggia wahr. "Es war sehr nervenaufreibend. Wir hatten alle ähnliche Starts. Bei der Anfahrt auf Kurve eins war ich überrascht, dass Sebastian nach links ging. In der ersten Kurve war es zwischen uns sehr eng, dann fuhren wir in Richtung Turn 4 und ich war wieder überrascht, dass Seb sich für die Innenseite und nicht für die Außenlinie neben Kimi entschied", schilder Hamilton die Szene.

"Das war meine Chance. Ich hielt außen drauf und stellte sicher, dass ich weit genug vorne bin", erklärt er weiter. "Zwischen uns war nicht viel Platz und es kam zu einer kleinen Berührung. Mein Auto wurde dabei nur leicht beschädigt, aber ich konnte weiterfahren. Das Heck hat sich danach etwas mehr bewegt, aber es war nicht unmöglich", so Hamilton.

Der Moment bevor Hamilton und Vettel in Monza kollidierten, Foto: Sutton
Der Moment bevor Hamilton und Vettel in Monza kollidierten, Foto: Sutton

Hamilton versteht Vettels Kritik: War sicher nicht so gemeint

Vettel reklamierte Hamiltons Manöver im Boxenfunk als dumme Aktion. Die Rennleitung deklarierte die Szene als Rennzwischenfall. "Ich denke, es war eine Rennaktion, und das ist es, wofür ich hier bin. Ich habe ihm Platz gelassen und war immer noch auf der Strecke", geht Hamilton mit den Stewards d'accord. Vettels Reaktion ist für ihn nachvollziehbar.

"Ich bin mir sicher, dass er diesen Kommentar in der Hitze des Gefechts von sich gegeben hat. Es ist einfach nie ein tolles Gefühl, wenn du dich drehst und dir die anderen Autos entgegenkommen und du das Feld von hinten aufrollen musst. Ich mache mir nichts daraus, ich weiß selbst wie es ist wenn solche Emotionen im Spiel sind. Ich bin mir sicher, er hat es nicht so gemeint", so Hamilton.

Gleich nach der durch den Hartley-Unfall ausgelösten Safety-Car-Phase ritt Hamilton die erste Attacke auf Räikkönen. "Der Kampf war der Wahnsinn", so Hamilton, der fast eine ganze Renndistanz inklusive etwas Hilfe von Teamkollege Valtteri Bottas brauchte, um den Finnen zu erwischen. "Der Restart war besonders gut. Aber Kimi kam danach gleich zurück und überholte mich", so Hamilton, der in der ersten Schikane zunächst vorbeigegangen war und daraufhin sofort ausgekontert wurde.

Hamiltons erste Attacke gegen Räikkönen fruchtet nicht

Danach war Hamilton zunächst nicht mehr in Schlagdistanz für eine Attacke. Er hielt jedoch den Druck aufrecht und bewegte sich stets in einem Fenster von rund einer Sekunde. "Sein Move war super, er hat mir viel Platz gelassen. Aber ich war danach zuversichtlich, dass wir weiter kämpfen können. Ich hoffte auf eine Chance zu einem späteren Zeitpunkt. Aber heranzufahren war nicht einfach. Ich kämpfte sehr mit der Dirty Air."

Seine Zwickmühle: er musste an Räikkönen dranbleiben, um den in Monza so wichtigen Windschatten auf den Geraden und damit den Anschluss nicht zu verlieren. "Kimi war vor mir alleine und hatte einen Nachteil. Dafür fuhr er aber in sauberer Luft und ich in verwirbelter. Er zog mich mit sich. Wir haben schon im Qualifying gesehen, dass der Windschatten bis zu drei Zehntel auf jeder Geraden bringt", so Hamilton.

"Es ging nur darum, ihm in den Kurven zu folgen und mein Auto so zu positionieren, dass ich einen guten Ausgang erwische." Ohne Aussicht auf den entscheidenden Stich wurde aus der Hetzjagd ein Strategie-Thriller zwischen Mercedes und Ferrari. Räikkönen stoppte in der 20. Runde, Hamiltons Strategen reagierten jedoch nicht. "Ich war etwas überrascht, dass wir nicht vor Kimi stoppten", sagt Hamilton.

Hamilton eröffnete die Jagd auf Räikkönen mit dem Restart, Foto: Sutton
Hamilton eröffnete die Jagd auf Räikkönen mit dem Restart, Foto: Sutton

Hamilton von Strategie überrascht: Rechnete mit Undercut

"Ich dachte, wir würden einen Undercut versuchen. Aber dann kam Kimi rein und ich konnte in den darauffolgenden Runden die Pace steigern. Die nächsten Runden waren ziemlich stark und ich baute den Vorsprung aus, um einen Overcut zu versuchen", so Hamilton, der jedoch kurz darauf von Räikkönen auf dem frischeren Reifen entzaubert wurde. "Er kam zurück ins Fenster, denn der Reifenunterschied war so groß. Also versuchte ich, so lange wie möglich weiterzufahren."

Als der Mercedes-Kommandostand in der 28. Runde den Call machte, war Hamilton dennoch überrascht. "Meine Reifen waren immer noch gut", so Hamilton. Doch seine Strategen hatten andere Pläne und brachten Bottas ins Spiel. Hamilton fiel nach seinem Boxenstopp zwar über fünf Sekunden hinter Räikkönen zurück, doch nun waren beide hinter Bottas. Der ließ erst seinen Landsmann aufschließen, dann folgte Hamilton.

Räikkönens Reifen am Ende: Hamilton im Vorteil

Einige Runden fuhr das Dreierpaket zusammen, dann kam auch Bottas zum Reifenwechsel. "Valtteri machte einen tollen Job, seinen Stint derart auszuweiten. Das brachte mich wieder an Kimi heran. Das war tolles Teamwork", so Hamilton, der den Job nach dem Stopp des Stallgefährten alleine zu Ende bringen musste. "Im zweiten Stint sah ich Blasenbildung an Kimis Hinterreifen", erklärt er.

"Ich passte auf meine Reifen auf, damit sie keine Blasen warfen. Bei ihm wurde es schlimmer, sein Heck bewegte sich in einigen Kurven mehr als meins. Als Valtteri weg war, war es etwas schwieriger dranzubleiben, denn auch meine Reifen waren dann nicht mehr in Topform", sagt Hamilton, der sich dennoch nicht mehr aus dem DRS-Fenster schubsen ließ und immer weiter zu Räikkönen aufschloss.

Bottas stellte sich in Monza in Hamiltons Dienst, Foto: Sutton
Bottas stellte sich in Monza in Hamiltons Dienst, Foto: Sutton

Hamilton: Sieg in Monza kein Wunder

In der 45. Runde kam letztendlich der Moment, in dem er auf der Start- und Zielgerade nah genug am Ferrari dran war. "Das letzte Manöver außenherum entschied es. Er ging erst nach rechts, dann ein bisschen nach links. Aber das bereitete mir keine Probleme. Ich bremste richtig spät für die erste Kurve, es war sehr eng, aber es war auch sehr fair. Er gab mir Raum, so wie es beim Racing sein sollte", so Hamilton, der daraufhin den Vorsprung ausbaute und den Sieg souverän nach Hause fuhr.

Der Sieg im Wohnzimmer des großen Rivalen war für ihn ein unerwarteter. "Ich habe es definitiv nicht erwartet, nachdem ich von Platz drei gestartet war und auch nachdem ich ihre Pace beim letzten Rennen gesehen hatte", so Hamilton, der nach Hockenheim ein weiteres starkes Rennen zeigte und entgegen aller Widerstände triumphierte. "Ich würde nicht sagen, dass das heute ein Wunder war."

Für ihn machten letztendlich wieder Nuancen den Unterschied, die es ihm ermöglichten seinen Vorsprung in der WM auf nun 30 Punkte auszubauen. "Es war ein harter Kampf und das ganze Wochenende über lastete ein enormer Druck auf uns, abzuliefern. Aber heute machten letztendlich die Fehler den Unterschied", so der viermalige Weltmeister.

Lewis Hamiltons entscheidendes Manöver gegen Kimi Räikkönen in Monza, Foto: Sutton
Lewis Hamiltons entscheidendes Manöver gegen Kimi Räikkönen in Monza, Foto: Sutton