Es sind nahezu unglaubliche Schlagzeilen, die in den letzten 48 Stunden von Force India kamen. Pleite, Insolvenz, Verkauf und der eigene Fahrer soll auch noch für das finale Aus gesorgt haben. Die Situation ist kompliziert, Motorsport-Magazin.com hat sich deshalb im Fahrerlager umgehört und bringt Licht ins Dunkel.

Fakt ist: Force India ist Pleite. Am Freitagabend musste der Rennstall in Großbritannien offiziell Insolvenz anmelden. Den finalen Hieb gab ausgerechnet Sergio Perez. Teamchef Vijay Mallya schrieb an Teammitglieder und Vertraute: "Die Insolvenz folgt auf eine Forderung von niemand anderem als unserem Fahrer Sergio Perez."

Tatsächlich stellte Sergio Perez die Forderungen, die zum finalen finanziellen Exitus führten. Force India schuldet ihm mehrere Millionen Gehalt. Doch Perez betont: "Ich sollte in das Ganze nicht involviert sein, denn ich bin nur ein Fahrer. Aber es wurde zu viel. Ich wurde von einigen Teammitgliedern darum gebeten, das zu machen, um das Team und damit 400 Arbeitsplätze zu sichern."

Perez-Intervention verhindert Mallya-Alleingang bei Verkauf von Force India

Wie passt das zusammen? Perez ging es tatsächlich nicht um sein ausstehendes Gehalt. Es geht darum, was passiert wäre, hätte Force India keine Insolvenz anmelden müssen. Im Hintergrund tat sich ein dubioses Konglomerat auf, das das Team übernehmen wollte. Diese Lösung wäre Mitbesitzer Vijay Mallya recht gewesen, hätte er persönlich davon profitiert. Für das Team hätte das aber womöglich das Aus bedeutet.

Durch die Insolvenz liegt das Schicksal des Teams nun zunächst in den Händen des Insolvenzverwalters. Er wird darüber entscheiden, wie es weitergeht, wer das Team kaufen darf. Zumindest in der Theorie.

Der dubiose Interessent soll dabei nicht mehr im Spiel sein - auch weil Mallya persönlich in diesem Konstrukt nicht mehr davon profitieren würde. Dafür gibt es drei andere ernsthafte Interessenten.

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Mazepin, BWT, Stroll: Mehrere Interessenten buhlen um Force India

Hinter einem Interessenten soll Vijay Mallya zusammen mit dem russischen Geschäftsmann Dmitri Mazepin, dem Vater von GP3-Pilot Nikita Mazepin stecken. Der zweite Interessent kommt aus Amerika und soll in Verbindung mit Andretti und Bob Fernley stehen. Fernley, seines Zeichens stellvertretender Teamchef bei Force India, steht Vijay Mallya sehr nah.

Und dann gibt es noch einen dritten Interessenten: BWT. An diesen Interessenten würde sich auch noch gerne Lawrence Stroll hängen. Er ist auf der Suche nach einem besseren Cockpit für seinen Sohn Lance Stroll. Williams ist längst nicht mehr erste Wahl. Luca Baldisserri, ehemaliger Ferrari-Mann und Stroll-Vertrauter bei Williams, könnte dann in einer tragenden Rolle mit zu Force India kommen.

Insider glauben, dass die BWT-Lösung mit Stroll von allen noch die am wenigsten schlimme wäre. Das könnte möglicherweise auch der Insolvenzverwalter so sehen. Aber ganz so einfach ist es unter Umständen nicht.

Mallya versucht sich als Gläubiger im Spiel zu halten

In dem Schreiben von Mallya, das Motorsport-Magazin.com vorliegt, weißt Mallya darauf hin, dass seine Beteiligungsgesellschaft mit Abstand der größte Gläubiger des Teams sei. 159 Millionen Pfund sollen ausstehend sein. Im Vergleich dazu, so Mallya, würde die höchste ausstehende Summe der kleineren Gläubiger lediglich zehn Millionen Pfund betragen. "Der Insolvenzverwalter muss dieses Verhältnis berücksichtigen", meint Mallya.

Und hier wird der Verkauf knifflig. Möglicherweise müssen auch die Gläubiger in die Entscheidung eingebunden werden, welcher der Interessenten den Zuschlag erhält. Mit anderen Worten: Mallya gibt an, selbst der größte Geldgeber zu sein und fordert deshalb ein Mitspracherecht bei der Entscheidung.

BWT will Mitspracherecht: Mehr als nur ein Sponsor

BWT allerdings behauptet jetzt, das Geld, das Force India vom österreichischen Unternehmen erhalten habe, sei gar kein Sponsorengeld, sondern ein Darlehen. Der Hintergrund dieser Annahme ist klar: Damit wäre BWT kein Sponsor, sondern ein Gläubiger. So könnte man entweder Geld zurückholen, oder aber ebenfalls versuchen, Einfluss auf die Entscheidung des Insolvenzverwalters zu nehmen.

Die Situation ist verzwickt. Die einzig gute Nachricht zu diesem Zeitpunkt scheint, dass Force India bis zum Verkauf erst einmal weitermachen kann wie bisher. Das Team wird so lange auf jeden Fall vom Insolvenzverwalter am Leben gehalten. Denn die Chance, dass die Gläubiger ihr Geld zurückbekommen, ist am größten, wenn ein funktionierendes Team verkauft wird.